Fußball ist in Deutschland Volkssport. Aber soll deshalb die Allgemeinheit dafür zahlen? Bremen verlangt, dass die DFL sich an den Kosten eines Polizeieinsatzes für ein Hochrisiko-Spiel beteiligt. Nun muss das BVerwG entscheiden.
In zwei Dingen scheint sich die Mehrheit der Deutschen einig zu sein. Zum einen: Fußball ist der beliebteste Sport im Land. Das lässt sich ablesen an Zuschauerzahlen, Einschaltquoten, Marketing-Erlösen und Anmeldezahlen in Sportvereinen. Zum anderen: An den Kosten, die er der Allgemeinheit verursacht, sollten die Vereine sich beteiligen. Dieser Auffassung sind laut einer aktuellen Umfrage des Instituts Infratest Dimap rund 90 Prozent der Befragten.
Profifußball ist ein extrem erfolgreicher gewinnorientierter Wirtschaftszweig, der den Vereinen riesige TV- und Sponsoreneinnahmen beschert und einzelne Spieler zu vielfachen Millionären macht.
Doch genau das führt zu einem Konflikt, nämlich bei der Frage, wer für die Sicherheit der einträglichen Profifußballspiele zahlen soll. Es ist ein Streit, der schon seit Jahren schwelt und seinen Ausgangspunkt in Bremen hat. Im Jahr 2015 verschickte der Stadtstaat an die Deutsche Fußball Liga (DFL) einen Gebührenbescheid über die Mehrkosten, die für den Polizeieinsatz für ein Fußballspiel angefallen waren. Die DFL wollte nicht zahlen und klagte dagegen, inzwischen bis zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), das am Dienstag verhandeln und möglicherweise auch entscheiden wird.
Genau genommen geht es in der Diskussion nur um sogenannte Hochrisiko-Spiele, im DFB-Jargon "Spiele mit erhöhtem Risiko" genannt. Für solche Spiele wird – i. d. R. aufgrund von rivalisierenden Fanlagern und einer erhöhten Zahl gewaltbereiter Fans – davon ausgegangen, dass es zu Ausschreitungen kommt. Hunderte Polizisten müssen dann mitunter abgestellt werden, um Bahnhöfe und unbeteiligte Fans vor Hooligan-Gruppen zu schützen. Diese ziehen randalierend durch Innenstädte, verwüsten ganze Zugabteile und liefern sich Schlägereien. So auch im Umfeld des Bundesliga-Nordderbys zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger Sportverein am 19.04.2015. Der Stadt Bremen reicht es: Die DFL als Ausrichter der Bundesligaspiele müsse sich an den zusätzlichen Kosten beteiligen, fand man in der Hansestadt und stellte für den Einsatz von 969 Beamten über 400.000 Euro in Rechnung.
Gebührengrundlage hochumstritten
Die Ausgangslage ist untypisch für das Verhältnis von Privat zu Staat, denn das David-gegen-Goliath-Verhältnis ist verschoben: Das kleine Bundesland Bremen ist hochverschuldet, während die DFL, die Vereinigung der 36 Vereine der 1. und 2. Bundesliga, in ihrem Report 2018 einen Gesamtumsatz der Profiklubs von über vier Milliarden Euro auswies. Sollte eine milliardenschwere Branche nicht wenigstens beteiligt werden an den Kosten, die ihre gewinnträchtigen Events verursachen?
Die DFL argumentiert damit, dass eben der Staat für Sicherheit und Ordnung zuständig sei. Die Kosten, die ihm bei der Erfüllung seiner Aufgabe entstehen, könnten nicht einfach abgewälzt werden. Die Bremer Verwaltung sieht das anders und stützt sich auf § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes, nach dem bei gewinnorientierten Großveranstaltungen eine Gebühr erhoben werden kann, "wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen (…) der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird."
Die Bremer Regelung, extra mit Blick auf die Kosten der Fußballspiele geschaffen, ist ein Exot in der deutschen Gesetzeslandschaft und steht nun vor dem BVerwG auf dem Prüfstand. Denn auch jenseits von Interessengruppen ist die Norm hochumstritten und wird als verfassungswidrig kritisiert. So bezeichnete schon die Marburger Staats- und Verwaltungsrechtlerin Prof. Dr. Monika Böhm nach dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bremen, das der Stadt Recht gibt, die Gebührengrundlage als "in mehrfacher Hinsicht zu unbestimmt".
Im Übrigen richtet sich ein Großteil der Kritik aber gegen den konkreten Gebührenbescheid der Stadt Bremen. So könne die DFL nicht, wie die Bremer Verwaltung es annahm, als Veranstalterin angesehen werden, da sie keinen Einfluss auf die konkrete Durchführung des Spiels habe, so Böhm.
Ist die DFL wirklich die Veranstalterin?
In das gleiche Horn stößt auch Dr. Björn Schiffbauer, Akademischer Rat an der Uni Köln und Mitglied im Kontrollausschuss des DFB sowie Präsidiumsmitglied im Fußballverband Mittelrhein. Wichtig sei in dieser "teils populistisch geführten Debatte" vor allem Differenzierung, wie er betont. Dies betreffe zum einen den Veranstalterbegriff. Veranstalter im Sinne eines örtlichen Einflusses auf die Veranstaltung könnten im Grunde nur die Vereine sein, nicht aber die DFL, so Schiffbauer gegenüber LTO. Zwar übe die DFL auch einen gewissen Einfluss aus. Wenn man für den Veranstalterbegriff aber an den Einfluss am Veranstaltungsort anknüpfe, komme die DFL gerade nicht als Veranstalterin in Betracht und könne daher auch nicht mit dem Heimverein gleichgesetzt oder gar als alleinige Veranstalterin gesehen werden.
Auch hinsichtlich des Umfangs der Kostentragungspflicht müsse man unterscheiden, meint Schiffbauer: Wenn es nur um die Polizeieinsätze im und um das Stadion gehe, dann müsse der Veranstalter dafür aufkommen, da "bin ich einer Meinung mit der bremischen Stadtverwaltung", meint Schiffbauer. Doch für die Kosten von Polizeieinsätzen im ganzen Stadtgebiet wie etwa an Bahnhöfen könne der Veranstalter des Spiels nicht herangezogen werden, da ihm hier verursachte Störungen nicht zuzurechnen seien und er aus Polizeieinsätzen an anderen Orten als dem Stadion auch keinen Vorteil ziehe.
Dagegen ließe sich einwenden, dass sowohl DFL als auch die Vereine durchaus um die Gefahr von Hooligans wissen und es im Übrigen nicht um jeden Polizeieinsatz gegen Fußballfans geht, sondern um Großeinsätze wegen besonderer Gefahrenlagen. Ähnlich sah es wohl auch das OVG Bremen, das die DFL zur Zahlung der geforderten Summe verurteilt hat. Das Gericht stellte dabei eine "besondere Verantwortlichkeit der DFL" fest. "Der Veranstalter einer gewinnorientierten Veranstaltung zieht einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Veranstaltung, der maßgeblich auch durch den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte ermöglicht wird", so das Gericht zur Begründung. Die DFL habe somit an einer "störungsfreien Durchführung der Veranstaltung" ein besonderes Interesse, urteilten die Bremer Richter.
Andere Länder könnten nachziehen
Auch die Argumentation, wonach sich der Staat zunächst einmal an die Vereine halten müsse, geht nach Ansicht der Oberverwaltungsrichter fehl. Die DFL leite den Ligabetrieb, regele Spielzeiten und -orte sowie die Vergabe von Ticketkontingenten und vermarkte die Spiele. Schließlich sei auch eine Partie zwischen Bremen und dem HSV nur aufgrund des Rahmens, den die DFL biete, ein Bundesligaspiel – anderenfalls handele sich einfach um ein Freundschaftsspiel. Deshalb bewertete das Gericht die DFL als Mitveranstalter.
Sollten die Leipziger Bundesrichter die Entscheidung der Vorinstanz bestätigen, ist anzunehmen, dass andere Länder mit ähnlichen Regelungen nachziehen werden.
In Bremen stellt sich das Problem seit Sommer 2018 erstmal nicht mehr. Denn der Hamburger SV ist in der vergangenen Saison abgestiegen und kämpft aktuell in Liga zwei um die Rückkehr. Dann würde es aber wohl auch wieder Hochrisikospiele an der Weser geben.
BVerwG verhandelt zu Kosten für Polizeieinsätze: . In: Legal Tribune Online, 25.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34567 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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