2/2: BVerwG: Abwehrrecht gegenüber der Gemeinde und ihren Gesellschaften
Zwar konnten die Leipziger Richter bei ihrer Entscheidung nicht auf das Recht zum Gemeingebrauch abstellen, darüber durfte der Senat wegen der Ableitung aus dem Landesrecht nicht entscheiden. "Das BNatschG aber, insbesondere § 59 BNatSchG, hat uns die Tür geöffnet", sagt Rechtsanwalt Bernard Tepe von der Cloppenburger Kanzlei Mählmeyer & Partner, der Janto Just seit dem OVG-Verfahren bis hin zum BVerwG vertreten hat.
Das Urteil des OVG verletze die Kläger in ihrem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs.1 Grundgesetz (GG), entschied der Senat, und widerspreche §59 BNatSchG. Die Vorschrift unter dem Titel „Betreten der freien Landschaft“ lautet: "Das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung ist allen gestattet (allgemeiner Grundsatz)".
Aus der Norm folge das Recht zur Abwehr rechtswidriger Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit., so das BVerwG. Dieses könne gegenüber der Gemeinde und sehr wohl auch gegenüber deren Eigengesellschaften geltend gemacht werden.
Nur weil die Flächen als Strandbad bewirtschaftet wurden, dürfe der freie Zugang nicht verweigert werden. Der Betrieb dieser kommunalen Einrichtung sei rechtswidrig, weil eine wirksame Widmung fehle, die auch durch Pachtverträge nicht ersetzt werden könne. Außerdem schränke die Inanspruchnahme nahezu des gesamten Strandes - und nicht nur der für den derzeitigen Badebetrieb benötigten Flächen - die allgemeine Handlungsfreiheit unverhältnismäßig ein, meinen die Richter.
Nicht überall und immer freier Zugang
Der Strand sei Teil der freien Landschaft. Ob er künstlich angelegt, umzäunt oder dort Sand aufgeschüttet, eine DLRG-Station oder ein Toilettenhäuschen aufgestellt wird, ändert an dieser Einschätzung nichts. "Es müsste wesentlich mehr Infrastruktur vorhanden sein, um das Recht zum freien Zugang einzuschränken", erklärt Anwalt Tepe die Entscheidung aus Leipzig.
Daraus folgt allerdings kein Recht der Kläger auf freien Zugang zu sämtlichen Strandflächen. So könnten die Gemeinden immer noch einen Teilbereich zum kostenpflichtigen Strandbad deklarieren, wenn entsprechende Flächen mit der Infrastruktur für den Badebetrieb ausgestattet sind. Es geht allerdings nicht, den gesamten Strand pauschal zum Strandbad zu erklären. Entscheidend sei, so das BVerwG, dass sich die Nutzung des Strandes nicht darin erschöpfe, das nach dem Gesetz unentgeltlich zu gewährende Betreten zum Spazierengehen und Baden zu kommerzialisieren.
Für Wangerland ist die Entscheidung des BVerwG klar. "Unklar ist allerdings, wie die Gemeinde und andere Regionen damit umgehen", sagt Tepe. Er rechnet damit, dass auch andere Erholungsgebiete nicht nur an der Nordsee, sondern auch mit Binnenseen die eigene Praxis überprüfen müssen – schließlich gebe es an vielen Stellen Beschränkungen beim Zugang zur Natur.
Die Gemeinde habe bereits zuvor angedeutet, sie wolle prüfen, ob es nun auch für die Tagesgäste eine Kurtaxe oder höhere Parkgebühren erheben könne. In diesem Fall sei dann allerdings nach seiner Einschätzung das Land Niedersachsen in der Pflicht, sicherzustellen, dass hinreichend Meeresstrand zur Verfügung gestellt werde, der unentgeltlich betreten werden kann, ohne dass irgend ein Entgelt entrichtet werden muss. Insoweit bestehe eine erhöhte Verpflichtung über § 62 BNatSchG.
Tanja Podolski, Strandeintritt an der Nordsee: . In: Legal Tribune Online, 14.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24527 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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