BVerwG zur Spielgerätesteuer: Erdros­se­lung ein­ar­miger Ban­diten

von Prof. Dr. Dennis Klein

15.10.2015

Setzt der Staat eine Steuer so hoch an, dass sie "erdrosselnde Wirkung" entfaltet, können Gerichte sie kippen. Geschehen ist das freilich nie. Dennis Klein rechnet auch bei der Spielgerätesteuer nicht mit dem justiziellen Sündenfall.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte am Mittwoch die Klage einer Spielhallenbetreiberin zu entscheiden, die sich von der kommunalen Spielgerätesteuer "erdrosselt" fühlte (BVerwG, Urt. v. 14.10.2015, Az. 9 C 22.14). Anders als die Vorinstanzen tat es diesen Einwand nicht ab, sondern verwies die Sache zur genaueren neuen Prüfung zurück an das OVG Münster. Zeichnet sich jetzt erstmals in der Geschichte ab, dass eine Steuer wegen erdrosselnder Wirkung verboten wird?

Anlass des Verfahrens gab die Spielgerätesteuer der Gemeinde Ochtrup in Nordrhein-Westfalen. Diese wurde früher in Form einer monatlichen Pauschale iHv 150 Euro pro Gerät erhoben, im Jahr 2010 jedoch stattdessen auf 20 Prozent des Einspielergebnisses des jeweiligen Geräts festgesetzt. Die Änderung führte bei der Klägerin zu mehr als einer Verdoppelung der Steuer.

Das Folgeproblem für die Spielhallenbetreiberin: Sie kann die Spielpreise nicht kurzfristig erhöhen, da sie die Geräte selbst nicht umprogrammieren darf. Dafür sind neue Geräte mit neuer Bauartzulassung erforderlich. Da die übrigen Kosten wie Miete, Gehälter und die zusätzlich noch abzuführende Umsatzsteuer unverändert weiterlaufen, bleibe aus Spielhallensicht nichts mehr in ihrer Kasse übrig – der Betrieb rentiere sich seit der geänderten Steuer nicht mehr.

Die Spielhallen- und Automatenbranche fühlt sich seit Jahren durch die Spielgerätesteuern in die Enge getrieben. Vor Gericht stießen sie mit dieser Klage bislang auf taube Ohren. In den ergangenen Urteilen hieß es, die Spielhallen könnten die Mehrbelastung durch Preiserhöhung auf die Spieler überwälzen. Die weitere Verbreitung von Spielhallen widerlege faktisch eine behauptete Erdrosselung. So auch der Tenor der Vorinstanzen in diesem Verfahren.

Nichts als Lobbyarbeit der Spielhallenbranche?

Das Bundesverwaltungsgericht wollte es sich so einfach nicht machen. Die tatsächliche Umstellungsmöglichkeit auf andere Geräte und die örtliche Durchsetzbarkeit von Preiserhöhungen müssen nach seinem Urteil konkret untersucht werden. Eine Verdoppelung der Steuer verlangt zumindest nach einer längeren Übergangsfrist.

Damit wird das Verbot der Erdrosselungssteuer auf einmal aktuell. Zum Schutz der Freiheitsrechte hat es das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schon früh aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) hergeleitet das Verbot der Erdrosselungsteuer abgeleitet (BVerfG, Urt. v. 24.07.1962, Az. 2 BvL 15/61; 2 BvL 16/61). Dem Steuerpflichtigen muss ein Kernbestand des Erfolgs eigener wirtschaftlicher Betätigung verbleiben.

Das Erdrosselungsverbot ist aber bloße Theorie geblieben – noch nie haben Gerichte eine erdrosselnde Wirkung bejaht. Dies liegt an den hohen Zumutbarkeitsschwellen und den für Steuern zulässigen Lenkungszwecken nach § 3 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).

"Kein Vergnügen mit der Vergnügungsteuer"

Die Spielgerätesteuern gehören formal zu der Steuergattung Vergnügungsteuer. Hierfür haben die Bundesländer die Gesetzgebungskompetenz, die sie aber regelmäßig auf die Städte und Gemeinden delegiert haben. So gibt es einen bunten Teppich an kommunalen Spielsteuern quer durch die Republik. Die Vergnügungsteuern wiederum sind Aufwandsteuern. Deren Hintergrund: Wer sich ein Vergnügen leisten kann, dem ist auch eine zusätzliche Abgabe für die Allgemeinheit zumutbar. Besteuert wird der in das Vergnügen investierte Aufwand, also der Geldeinsatz für die Spielautomaten.

Nach dieser Konzeption muss der Spieleinsatz Steuermaßstab sein – und nicht das Spielgerät an sich.

Erdrosselungszweck der Spielgerätesteuern

Der gesetzliche Widerspruch liegt aber an anderer Stelle. Viele Kommunen begründen die örtliche Spielgerätesteuer damit, die Spielsucht bekämpfen zu wollen. Somit verfolgt die Steuer einen Lenkungszweck, eigentlich soll sie das Spielen so verteuern, dass die Nachfrage zurückgeht. Nach § 3 Abs. 1 AO sind solche Lenkungszwecke zulässig, der Fiskalzweck darf neben ihnen sogar in den Hintergrund treten. Er darf aber nicht gänzlich fehlen.

Nimmt man den Gedanken der Suchtprävention aber ernst und denkt ihn konsequent zu Ende, wird die Erdrosselungswirkung geradezu zum Ziel der Spielgerätesteuer. Bekämpfung der Spielsucht durch Beseitigung der Glückspielgelegenheiten.

Eine dergestalt auf ein Null-Aufkommen ausgerichtete Steuer bedeutet freilich einen abgabenrechtlichen Formenmissbrauch. Wenn ein bestimmtes Verhalten nicht zu akzeptieren ist, dann ist das verfassungsrechtlich zulässige Mittel das ordnungsrechtliche Gebot oder Verbot. Bei Steuern sollte sich der Staat auf den Fiskalzweck konzentrieren.

Wie so oft dürften Anspruch und Wirklichkeit auseinanderfallen. Fraglich bleibt, wie ehrlich die Suchtprävention bei Spielgerätesteuern gemeint ist. Der Spieleinsatz als Steuermaßstab erscheint bei einer Aufwandsteuer zumindest alternativlos. Mehr als Übergangsfristen zur Geräteumstellung und Weitergabe der Preiserhöhungen dürften sich für die Spielhallenbetreiber nicht ergeben. Ansonsten bleibt als Fazit wohl – wieder kein Erdrosselungsverbot für eine Steuer.

Der Verfasser Dennis Klein ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht sowie Rechnungslegung an der Leibniz-Fachhochschule in Hannover und zugleich Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Toppenstedt bei Hamburg.

Zitiervorschlag

BVerwG zur Spielgerätesteuer: . In: Legal Tribune Online, 15.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17217 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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