BVerwG zu Polizeikosten für Hochrisikospiele: Gebühren für Sicher­heits­vor­sorge: DFL muss zahlen

von Dr. Christian Rath

29.03.2019

Grundsatzurteil aus Leipzig: Das Bremer Gesetz zu Polizeigebühren bei Fußballspielen ist rechtmäßig, die DFL muss Mehrkosten für Hochsicherheitsspiele zahlen. Nur wegen eines Details muss das OVG nochmals entscheiden. Christian Rath berichtet.

Das Land Bremen hat den Rechtstreit gegen die Deutsche Fußball Liga (DFL) im Wesentlichen gewonnen. Die Deutsche Fußballliga muss für Hochrisikospiele der Bundesliga in Bremen grundsätzlich Gebühren bezahlen. Das Bremer Gesetz verstoße nicht gegen Bundesrecht, entschied am Freitag das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig (Urt. v. 29.3. 2019, Az. 9 C 4.18).

Das hoch verschuldete Land Bremen verschärfte Ende 2014 sein Gebühren- und Beitragsgesetz. Bei "gewinnorientierten Veranstaltungen" mit mehr als 5.000 Teilnehmern und "erfahrungsgemäß zu erwartenden Gewalthandlungen" soll künftig der Veranstalter die zusätzlichen Polizeikosten übernehmen. Das Gesetz ist offen formuliert, es könnte auch für einen Stadt-Marathon oder ein Rock-Konzert gelten, aber praktisch ging es bisher ausschließlich um den Bremer Profi-Fußball.

Erster Anwendungsfall war ein Heimspiel von Werder Bremen gegen den Hamburger SV im April 2015. Das Spiel wurde von der Polizei wegen der verfeindeten Fans als Hochrisikospiel eingestuft. Deshalb waren 969 Beamte im Einsatz statt wie üblich rund 150. Über 600 von ihnen kamen dabei aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei. Die anderen Bundesländer und der Bund stellten Bremen - wie üblich - ihren Mehraufwand für diesen Einsatz in Rechnung: Fahrtkosten, Verpflegung, Überstundenausgleich. Zudem musste Bremen für die Unterbringung der auswärtigen Polizisten aufkommen, je zwei Nächte im Zwei-Sterne-Hotel. Das Land Bremen stellte der DFL deshalb per Gebührenbescheid rund 425.000 Euro in Rechnung.

Der Streit: Die Veranstalter – und die Verfassungsfrage

Doch die DFL weigerte sich, die Gebühren zu bezahlen. Zum einen sei sie der falsche Adressat. Denn Veranstalter dieses Spiels sei der örtliche Verein Werder Bremen gewesen. Zum anderen hielt die DFL die Bremer Gesetzesverschärfung auch für verfassungswidrig. Weder die DFL noch die Vereine seien gewalttätig, ihre Spiele müssten vielmehr von der Polizei vor der Gewalt der Hooligans geschützt werden, so DFL-Präsident Reinhard Rauball. Deshalb dürften die Kosten dieser Einsätze nicht den Veranstaltern auferlegt werden.

Bremen verwies dagegen auf den kommerziellen Charakter der Fußball-Bundesliga und deren hervorragende finanzielle Lage. Jahr für Jahr erziele die DFL Umsatzrekorde mit über vier Milliarden Euro Einnahmen. Da könne sie wohl einen Teil der Polizeikosten übernehmen, so Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Die DFL sei der Veranstalter der Bundesliga, denn sie bestimme, wann und wo ein bestimmtes Spiel stattfinde.

Eine Einigung war unmöglich, deshalb klagte die DFL gegen den Gebührenbescheid. Beim Verwaltungsgericht Bremen hatte die DFL zunächst Erfolg. Die Höhe der Gebühren sei für die DFL im Vorhinein nicht ausreichend absehbar, so die Begründung der Richter. Ob das Gesetz verfassungskonform sei, könne offenbleiben. Doch das Oberverwaltungsgericht Bremen entschied Anfang 2018 zugunsten des Landes. Die DFL ging in Revision.

BVerwG: Zahlung nicht als Veranlasser, sondern als Profiteur

Nun musste das Bundesverwaltungsgericht als letzte Fachinstanz entscheiden und gab in allen zentralen Punkten dem Land Bremen Recht. So sei die Gebührenregelung gerechtfertigt, weil die Polizei hier eine besondere Leistung erbringe, die sich von der allgemeinen Gefahrenabwehr abgrenzen lasse, betonte der Vorsitzende Richter Wolfgang Bier. Die Gebühr werde nicht bei allen Bundesliga-Spielen verlangt, sondern nur bei Hochrisikospielen. Die DFL müsse auch nicht die gesamten Polizeikosten eines solchen Einsatzes bezahlen, sondern nur die Mehrkosten gegenüber einem normalen Spiel.

Der Veranstalter müsse die Gebühr nicht zahlen, weil er die Sonderleistung der Polizei als Störer oder Zweckveranlasser verursacht hat, sondern weil er einen "Sondervorteil" hat, so Richter Bier. Er brauche und erhalte bei Hochrisikospielen eine besonders aufwändige Sicherheitsvorsorge. Sonst bestünde das Risiko, dass Zuschauer nicht zum Stadion kämen, dass wegen Zerstörungen in der Innenstadt der Ruf des Veranstalters litte oder dass das Spiel sogar ganz abgesagt werden müsste.

Das BVerwG billigte auch, dass die Bremer Polizei die Gebühren von der DFL verlangte und nicht vom örtlichen Verein Werder Bremen. Wenn eine Veranstaltung mehrere Veranstalter habe, könne die Polizei nach Bremer Recht frei wählen, wen sie in Anspruch nehme und müsse dies auch nicht begründen.

In der 3. und 4. Liga einschränkend auslegen

Richter Bier räumte ein, dass die Gebühren eine "beträchtliche" Höhe erreichen können. Sie seien aber in der 1. Bundesliga angesichts der dortigen Umsätze "nicht unverhältnismäßig". In der 3. und 4. Liga oder bei sonstigen Sport- und Kultur-Ereignissen könne das Bremer Gesetz dagegen "einschränkend ausgelegt" werden, damit es nicht zu übermäßigen Belastungen komme.

Dass die Gebühren vorab nicht exakt bestimmt werden können, sah das BVerwG nicht als Problem. Die polizeiliche Lage vor einem Fußball-Spiel sei eben dynamisch. Mal verschärfe und mal entspanne sie sich. Die genaue Zahl der eingesetzten Beamten und die Zahl der Einsatzstunden könne daher nicht schon Wochen vorher mitgeteilt werden. Wichtig seien aber die bisherigen Erfahrungen mit einem konkreten Ereignis, einer konkreten Spielpaarung. "Wenn es noch gar keine Erfahrungen gibt, dann kann auch keine Gebühr verlangt werden", so Richter Bier.

Bei der Höhe der Gebühren müsse auch kein Anteil für die allgemeine Gefahrenabwehr herausgerechnet werden. Zwar diene der Polizeieinsatz anlässlich eines Hochrisikospiels auch der allgemeinen Sicherheit. Aber letztlich seien die entsprechenden Polizeimaßnahmen "identisch" mit der Sicherheitsvorsorge im Interesse des Veranstalters.

Nur wegen eines Details wurde der Prozess an das Oberverwaltungsgericht Bremen zurückverwiesen. Die Kosten, die von einzelnen Störern zurückverlangt werden können, darf die Polizei nicht der DFL in Rechnung stellen. "Sonst wäre eine doppelte Erstattung möglich", so Richter Bier. Welche Summe deshalb herauszurechnen ist, muss nun das OLG feststellen. Es geht aber allenfalls um wenige Prozent der Gesamtsumme.

Die Zurückverweisung wäre eigentlich nicht nötig gewesen. Denn das Land Bremen reduzierte noch in der mündlichen Verhandlung am Dienstag freiwillig seinen Bescheid zum Werder-HSV-Spiel um 14.000 Euro - mit Blick auf die Gewahrsamsnahme von 91 "Fans" nach einem Zwischenfall. Die DFL bezweifelte aber, dass genau 91 Fans im Gewahrsam landeten und das BVerwG konnte dies als Revisions-Instanz nicht aufklären und musste deshalb zurückverweisen. Das pfiffige Manöver der DFL zahlte sich medial ersichtlich aus. Lange Zeit meldeten die verwirrten Nachrichtenagenturen als Headline "Keine Entscheidung im Fußball-Kostenstreit: Fall zurück nach Bremen".

Andere Länder können Bremer Beispiel folgen

DFL und die anderen Bundesländer haben damit aber auch Zeit gewonnen. Es dauert nun noch einige Monate, bis der Rechtstreit wirklich beendet ist. DFL-Präsident Reinhard Rauball sagte nach dem Leipziger Urteil, er werde zunächst das Bremer Verfahren abwarten und dann mit den Vereinen das weitere Vorgehen beraten. Erst dann will die DFL auch entscheiden, ob sie gegen die Urteile noch das Bundesverfassungsgericht anruft. Jedenfalls aber will sich die DFL die Polizeigebühren am Ende von Werder Bremen erstatten lassen - was aber vermutlich nur teilweise gelingen wird, da die DFL ja zweifellos Mitveranstalterin der Bundesliga ist.

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer forderte die DFL auf, sofort mit Gesprächen zu beginnen. Mäurer schlägt einen Fonds für Polizeikosten vor, in den alle Vereine unabhängig von der Gesetzeslage vor Ort einzahlen, "damit wir keine Wettbewerbsverzerrungen bekommen."

Zunächst wird aber wohl die DFL aus Bremen sechs weitere Gebührenbescheide in Höhe von rund 1,8 Millionen Euro erhalten. Dabei geht es um sechs weitere Hochrisikospiele seit 2015, bei denen das Gebührenverfahren mit Blick auf den Grundsatzsatzstreit bisher ausgesetzt war.

Die Länder haben nun die Möglichkeit, dem Bremer Beispiel zu folgen, müssen dies aber nicht. Dies ist eine politische Entscheidung. Bisher hat sich nur der Mainzer Innenminister Roger Lewentz (SPD) für das Bremer Gebührenmodell ausgesprochen. Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen äußerten sich zuletzt ausdrücklich ablehnend.

Zitiervorschlag

BVerwG zu Polizeikosten für Hochrisikospiele: . In: Legal Tribune Online, 29.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34673 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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