Straßen werden von allen genutzt, trotzdem müssen die Anlieger für den Ausbau zahlen. Ein Grundstückseigentümer fand das ungerecht und klagte. Das BVerwG hatte aber mehr das Wohl der Kommunen im Sinn, erläutert Alexander Schlink.
Grundstückseigentümer ärgern sich seit jeher darüber: Für den Bau der Straße, an der ihr Grundstück liegt, müssen sie – oft nicht geringe – Erschließungsbeiträge zahlen. Nach 20 oder 30 Jahren dann ist die Straße durch den ständigen Verkehr mitunter so marode, dass sie erneuert werden muss. Und auch hier muss der Anlieger wieder in die Tasche greifen, denn nun wird er von der Gemeinde zu Verbesserungsbeiträgen herangezogen.
Mit einer solchen Fallgestaltung musste sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nun in seinem Urteil vom 21.06.2018 (Az. 7 C 2.17) beschäftigen. Die beklagte Stadt hatte im Jahr 2013 beschlossen, eine 1966 gebaute Erschließungsstraße von Grund auf zu erneuern und umzugestalten. Zur Finanzierung dieses Vorhabens zog sie die Grundstückseigentümer, darunter den Kläger, zu einer Vorausleistung auf den vorgesehenen Straßenausbaubeitrag heran. Der Kläger sollte die Hälfte des voraussichtlichen Beitrages in Höhe von 3.400 Euro zahlen.
Dieser wollte den Bescheid aber nicht akzeptieren und klagte dagegen. Straßen stünden schließlich allen zur Verfügung, fand er. Ihre Sanierung müsse deshalb folgerichtig auch vom Geld aller, also aus Steuermitteln finanziert werden. Einmalige Straßenbeiträge brächten außerdem unkalkulierbare finanzielle Risiken für Straßenanlieger mit sich. Dies gelte v.a. für alte Menschen mit geringer Rente und junge Familien mit durch einen Hauskauf ausgeschöpftem Kreditrahmen. Insbesondere müsse deshalb eine mehrfache Heranziehung innerhalb eines Menschenlebens erst zu Erschließungs- und in der Folgezeit noch einmal zu Straßenbeiträgen ausgeschlossen und eine Obergrenze für die Beitragspflicht festgelegt werden.
Das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt am Main wies die Klage des Mannes zwar ab, ließ aber die Sprungrevision gegen das Urteil zu. Nun erteilte auch das BVerwG seinem Begehren eine Absage.
BVerfG verlangt "Sondervorteil" der Anlieger
Die Problematik, über welche die Leipziger Richter zu entscheiden hatten, ist nicht neu. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hatte sich kürzlich mit einem ähnlichen Fall zu befassen (Urt. v. 27.03.2017 – 9 LC 180/). Der Kläger hatte sich ebenfalls gegen Straßenverbesserungsbeiträge gewandt und Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und das Rechtsstaatsprinzip geltend gemacht.
Das OVG Lüneburg ließ seine Einwände jedoch gelten und stützte sich dabei auf die Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 25.06.2014, Az. 1 BvR 668/10), wonach die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen dann zulässig ist, wenn es hierfür eine besondere sachliche Rechtfertigung gibt. Dafür verlangt Karlsruhe einen sogenannten "Sondervorteil" des Anliegers, den dieser gegenüber den anderen Straßennutzern durch den Ausbau der Straße erlangt. Dieser kann vor allem in einer Erhöhung des Gebrauchswertes des Grundstücks liegen.
Gemeinden sind auf Beiträge angewiesen
Davon ausgehend befand das BVerwG in seinem Urteil nun den Bescheid für rechtmäßig, da hiermit ein Sondervorteil des Grundstückseigentümers abgegolten werde. Begründet hat das Gericht diesen recht profan: Schließlich erhalte er die Möglichkeit, eine weiterhin funktionstüchtige Straße nutzen zu können. Das wirke sich positiv auf den Gebrauchswert des Grundstücks aus. Nach den vom BVerfG entwickelten Vorgaben sei das ausreichend, auf eine Erhöhung des Verkehrswertes des Grundstücks komme es dagegen nicht an. Auch eine gesetzliche allgemeine Obergrenze für die Beitragshöhe sei nicht erforderlich, denn die Beiträge hätten in der Regel keine übermäßig belastende, den Eigentümer geradezu erdrückende Wirkung. Härten könne durch eine Stundung oder den gesetzlich möglichen Beitragserlass begegnet werden.
Das Gericht lehnt sich damit eng an die Argumentation des BVerfG an. Das ist nicht überraschend, werden Straßenausbaubeiträge doch von den Gemeinden seit jeher erhoben. Ohne den finanziellen Beitrag der Anlieger würde angesichts der Finanzknappheit der Gemeinden mancher Ausbau sicherlich nicht durchgeführt – mit nachteiligen Folgen für die Infrastruktur. Allerdings bleibt vor allem die Frage offen, wann der Straßenanlieger gegenüber den anderen Straßennutzern einen Vorteil erhält. Reicht es dazu aus, dass die Benutzbarkeit der Straße und damit die Erschließung verbessert worden ist? Welchen Vorteil hat der Anlieger durch die Anlegung von Busspuren oder die Verbesserung von Bushaltestellen? Solche Verbesserungen dienen wohl eher der Allgemeinheit.
Diese Beispiele zeigen, dass eine differenzierte Behandlung der Nutzervorteile, etwa durch Regelung einer Belastungsobergrenze, dem Gleichheitssatz besser gerecht würde. Es wäre wünschenswert, wenn die Rechtsprechung für die Bewertung der Vorteile der Straßenanlieger nachvollziehbare Kriterien entwickeln würde. Die aktuelle Judikatur überzeugt da noch nicht. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass jedwede Verbesserung der Straße zugleich auch mit einem Vorteil für die Anlieger verbunden ist. Das aber dürfte den vom BVerfG entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben kaum gerecht werden.
Der Autor Prof. Dr. Alexander Schink war Staatssekretär im Umweltministerium NRW und ist Rechtsanwalt bei Redeker Sellner Dahs in Bonn. Dort ist er u. a. mit Angelegenheiten aus dem Planungsrecht befasst.
BVerwG bestätigt Erhebung von Straßenausbaubeiträgen: . In: Legal Tribune Online, 22.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29323 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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