Wer aktiv eine Partei unterstützt, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, ist regelmäßig nicht zuverlässig genug, um eine Waffe zu besitzen. Verfassungsrechtlich ist diese BVerwG-Rechtsprechung fragwürdig, so Sebastian Roßner.
Politische Parteien und ihre Mitglieder genießen nach Art. 21 GG einen besonderen Schutz. Wie wirkt sich das auf die waffenrechtliche Zentralfrage der Zuverlässigkeit aus, die eine Voraussetzung für waffenrechtliche Erlaubnisse darstellt? Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat jetzt seine Rechtsprechung bekräftigt, dass regelmäßig unzuverlässig sei, wer aktiv die Bestrebungen einer Partei unterstützt, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet (Urteil v. 19. Juni 2019 - BVerwG 6 C 9.18, vgl. auch Urteil. v. 30. September 2009 - 6 C 29/08).
Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Sportschütze und besaß zwei Schusswaffen. Die entsprechende Waffenbesitzkarte wurde widerrufen, nachdem die zuständige Behörde vom sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz darüber informiert worden war, dass der Kläger stellvertretender Kreisvorsitzender und Landtagskandidat der NPD war sowie die Partei auch in Kommunalparlamenten vertreten hat.
Das Verwaltungsgericht (VG) Dresden hob den Widerrufsbescheid zunächst auf (Urteil v. 23. Juni 2016 - 4 K 286/16); das sächsische Oberverwaltungsgericht entschied in der Berufung hingegen, dass die Klage abzuweisen sei (Urteil v. 16. März 2018 - 3 A 556/17). Das BVerwG hat die Sache nunmehr an das OVG zurückverwiesen, um die Tatsachen zu ermitteln, die für eine Entscheidung erforderlich sind.
Das VG Dresden erkannte den verfassungsrechtlichen Zündstoff
Der Zündstoff, der in diesem Verfahren schlummert, ist zusammengestellt in der lesenswerten Begründung, die das VG Dresden seinem Urteil gegeben hat, das in ausdrücklichem Widerspruch zur Rechtsprechung des BVerwG steht. Es geht dabei an der Oberfläche um das Verhältnis von § 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) zu § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) Waffengesetz (WaffG) a.F. In diesem waffenrechtlichen Problem, das auch in der aktuellen Fassung des WaffG fortbesteht, ist aber die Frage nach einem angemessenen Verständnis der Freiheit der politischen Parteien verborgen, die von Art. 21 Abs. 1 GG ge-schützt wird.
§ 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) WaffG a.F. stellt die Regelvermutung auf, dass jemand, der innerhalb der vergangenen zehn Jahre Mitglied in einer vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verbotenen Partei war, nicht die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) WaffG a.F. hingegen fehlt regelmäßig die Zuverlässigkeit bei Personen, die einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.
Die Rechtsprechung hat zunächst angenommen, dass § 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) WaffG a.F. die speziellere Norm sei (BayVGH, Urteil. v. 26. Mai 2008 - 21 BV 07.586) und einen Rückgriff auf § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) WaffG a.F. sperre, was praktisch dazu führt, dass bei Parteimitgliedern nicht an ihre Mitgliedschaft angeknüpft werden kann, um zu begründen, dass die waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehlt, es sei denn, es liegt der unwahrscheinliche Fall vor, dass die Partei verboten wurde.
Hinter dieser Auslegung des Waffenrechts, die vom VG Dresden im angesprochenen Urteil wieder aufgegriffen wird, stand der schon in den 1970er Jahren vom BVerfG geprägte Gedanke, dass eine politische Partei nicht ohne ihre Mitglieder und Funktionäre existieren kann und deshalb wegen des Schutzes der Parteien keine rechtlichen Nachteile daran geknüpft werden dürfen, Mitglied einer Partei zu sein, die nicht verboten wurde.
BVerwG bestätigt seine Rechtsprechung von 2009
Das BVerwG hat demgegenüber in seinem Urteil von 2009 betont, dass § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) WaffG a.F. nicht an die Mitgliedschaft in einer Partei, sondern an eine Tätigkeit anknüpfe, nämlich daran, als Mitglied einer Vereinigung verfas-sungsfeindliche Bestrebungen zu fördern und somit kein Spezialitätsverhältnis bestehen könne.
Diesem Argument ist zwar grundsätzlich beizupflichten, es verstellt aber den Blick auf das Problem. Denn sowohl im Fall von 2009 wie in dem nun vom BVerwG entschiedenen Fall hat die Behörde gerade aus der Mitgliedschaft in einer nach Ansicht der Behörde verfassungsfeindlichen Partei - 2009 der DVU, jetzt der NPD - darauf geschlossen, der Be-troffene gehe tätig gegen die verfassungsmäßige Ordnung vor. Das BVerwG billigte bereits 2009 diese Figur einer Vermu-tung mangelnder Zuverlässigkeit wegen Parteimitgliedschaft im Grundsatz und stellt, so die Presseerklärung des Gerichts, auch in seinem aktuellen Urteil zur NPD-Mitgliedschaft darauf ab.
Das Gericht führte damals zunächst aus, der besondere Schutz der Parteien beziehe sich vor allem auf die Organisation und die parteioffizielle Tätigkeit der Mitglieder, wovon waffenrechtliche Erlaubnisse nicht erfasst seien. Dieses Argument überzeugt nicht, denn der Senat verkennt, wie weit der Schutz reicht, den Art. 21 GG den Parteien gewährt. Die Parteienfreiheit nach Art. 21 Abs. 1 GG schützt zwar im Kern die politische Tätigkeit der Parteien und ihrer Mitglieder. Aber dieser Schutz wäre, wie das VG Dresden unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfG zutreffend feststellte, unwirksam, wenn der Staat im Übrigen negative Folgen an die Parteimitgliedschaft knüpfen dürfte.
Widersprüchliche Argumente der Leipziger Richter
Tatsächlich hat das BVerwG dies wohl schon in seinem Urteil von 2009 geahnt und daher als weiteres Argument die Pflicht des Staates eingeführt, gemäß Art. 2 Abs. 2 GG das Leben zu schützen, die in der vorliegenden Konstellation mit der Parteienfreiheit kollidiere. Wäre die waffenrechtliche Benachteiligung von Parteimitgliedern jedoch kein Eingriff in die Parteienfreiheit, wäre eine Kollision der Parteienfreiheit mit der Pflicht zum Lebensschutz ausgeschlossen.. Auch in seinem aktuellen Urteil zur NPD-Mitgliedschaft stützt sich das BVerwG auf dieses Argument.
Die Rechtsprechung des BVerwG ist auch aus einem anderen Grunde nicht überzeugend. Denn wenn die Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit gerade dadurch begründet werden, dass die Partei verfassungsfeindlich ist, welcher der Betreffende angehört, werden die zuständigen Behörden und Gerichte immer wieder dazu gezwungen, die betref-fende Partei politisch-inhaltlich zu bewerten und an diese Bewertung ggfs. negative rechtliche Konsequenzen zu knüp-fen. Dies ist aber nach dem sogenannten Parteienprivileg aus Art. 21 Abs. 2 und neuerdings auch aus Abs. 3 GG den Verfassungsrichtern vorbehalten.
Dass das BVerwG auch in seiner neuesten Entscheidung zum Thema die Sache wieder zurückverwiesen, diesmal an das sächsische OVG , um die erforderlichen Tatsachen zu ermitteln, ist zwar grundsätzlich richtig. Der Ermittlungsauftrag, der aus Leipzig nach Bautzen ergangen ist, weist jedoch in die falsche Richtung: Das OVG soll nämlich ermitteln, ob der Kläger sich als Funktionär der NPD entschieden, beständig und nach außen erkennbar von den gewaltsamen oder ein-schüchternden Tendenzen seiner Partei distanziert und so die Regelvermutung widerlegt hat.
Richtig wäre es gewesen, die Bautzener Richter nachforschen zu lassen, ob der Tatbestand erfüllt ist, der die Regelver-mutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) WaffG a.F. erst begründet, ob der Kläger nämlich Bestrebungen verfolgt oder unter-stützt, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten.
Der Gesetzgeber sollte es den Gerichten leichter machen
Das BVerwG hätte also besser von seiner Rechtsprechung Abstand genommen, nach der bereits die Mitgliedschaft in bestimmten Parteien die Regelvermutung nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) WaffG auslöst. Dies gilt übrigens nicht nur für die alte Fassung der Norm, die den hier behandelten Entscheidungen zugrunde liegt, sondern auch für die gegenwärtige Fassung, nach der es bereits genügt, dass "Tatsachen die Annahme rechtfertigen" der Betreffende verfolge oder unter-stütze Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung, um die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu vermuten. Denn zu bewerten, ob die bloße Mitgliedschaft oder Mitwirkung in einer bestimmten Partei solche Tatsachen darstellen, setzt eben wieder die politisch-inhaltliche Bewertung der Partei voraus, die nur dem BVerfG zusteht, sofern infolgedes-sen rechtliche Sanktionen verhängt werden könnten.
Behörden und Gerichte müssten also richtigerweise auf das persönliche Verhalten des Waffenbesitzers abstellen, um Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, dass dieser verfassungsfeindlichen Bestrebungen nachgehe – sie sollten nicht die Abkürzung über die leichter feststellbare Mitgliedschaft in einer Partei nehmen dürfen.
Allerdings hat auch der Gesetzgeber Hausaufgaben zu machen. Er sollte nämlich der Verwaltung und den Gerichten die Arbeit erleichtern und in § 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) WaffG auch auf das Verfahren nach Art. 21 Abs. 3 GG verweisen. Damit würde bereits die Mitgliedschaft in einer Partei, der das BVerfG wegen Verfassungsfeindlichkeit die Ansprüche auf staatliche Finanzierung und Steuerbegünstigung entzogen hat, ausreichen, um die Vermutung auszulösen, der Betreffende sei waffenrechtlich unzuverlässig. Für die NPD hat das BVerfG in seinem Urteil vom 17. Januar 2017 (2 BvB 1/13) die entsprechenden Voraussetzungen bereits implizit bejaht.
Der Autor Dr. Sebastian Roßner arbeitet als Rechtsanwalt für die Kanzlei LLR in Köln. Einer seiner Schwerpunkte ist das Staats- und Verfassungsrecht.
Sebastian Roßner, BVerwG zu NPD-Sportschützen: . In: Legal Tribune Online, 20.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36029 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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