EU-Arbeitszeitrichtlinie: Mehr Geld für Feu­er­wehr­leute! Und auch für andere Arbeit­nehmer?

von Dr. Silvia Lang und Dr. Nadine Kramer

21.07.2017

Brandenburger Feuerwehrleuten steht nach einem Urteil des BVerwG nachträgliche Vergütung für Mehrarbeit zu. Die Entscheidung rückt Fragen nach der Zulässigkeit von Überstunden auch für die Privatwirtschaft erneut ins Blickfeld.

Die Brandenburgische Arbeitszeitverordnung Polizei, Feuerwehr, Justizvollzug ("BbgAZVPFJ") verstößt gegen die EU-Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG v. 4. November 2003). Das hat am Donnerstag das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden und einem Feuerwehrbeamten auch in dritter Instanz überwiegend Recht gegeben (Urt. v. 21.07.2017, Az. BVerwG 2 C 31.16 – BVerwG 2 C 44.16).

Zwar hat es die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben, die Klagen teilweise - für Zeiträume vor Geltendmachung der Ansprüche - abgewiesen und die Sachen zurückverwiesen. Allerdings hat es einen Haftungsanspruch dem Grunde nach bejaht, weil die sogenannten "Opt-Out-Regelung" in der brandenburgischen Verordnung, nach denen mehr als die eigentlich maximal vorgesehenen 48 Arbeitsstunden pro Woche vereinbart werden können, gegen Unionsrecht verstoße. Den Verstoß hat das BVerwG mit der Nichtbeachtung des Nachteilsverbots begründet. Die Entscheidung der obersten Verwaltungsrichter in Leipzig dürfte aber auch Signalwirkung für die Privatwirtschaft haben, in der regelmäßig eine Reform des als nicht mehr zeitgemäß empfundenen Arbeitszeitrechts gefordert wird.

Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der klagende Feuerwehrmann forderte Geld für geleistete Mehrarbeit. Er argumentierte, eine Überschreitung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden (vgl. Art. 6 EU-Arbeitszeitrichtlinie) könne nur angeordnet werden, wenn zugleich die Vorgaben aus Brüssel eingehalten würden.

Brandenburger Verordnung berücksichtigte das Nachteilsverbot nicht

Die brandenburgische Regel (vgl. § 21 BbgAZVPFJ a.F.) setze diese aber nicht ausreichend um, weil sie die Voraussetzungen der EU-Arbeitszeitrichtlinie nicht beachte; sie sei daher unionsrechtswidrig. Die zu viel gearbeiteten Stunden seien entsprechend zu bezahlen. Das BVerwG gab ihm im Wesentlichen Recht. Wenn keine Kompensation durch Freizeitausgleich stattfinde, seien diese Stunden zu bezahlen. Das Bundesland Brandenburg hatte die Vorschrift (vgl. § 21 BbgAZVPFJ) schon nach einem gleichlautenden Urteil des VG Cottbus (v. 28.02.2013, Az. VG 5 K 914/11) geändert.

Die EU-Arbeitszeitrichtlinie sieht in Art. 6 eine maximale durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden vor (vgl. Art. 6 EU-Arbeitszeitrichtlinie). Von dieser Vorgabe kann im Wege einer Opt-Out-Option nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden. Mehrarbeit über die 48 Stunden hinaus darf nur angeordnet werden, wenn der Sicherheits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleistet wird, der Arbeitnehmer zustimmt und ihm bei einer Ablehnung keine Nachteile entstehen (vgl. Art. 22 EU-Arbeitszeitrichtlinie). Diese Vorgaben gelten sowohl für den öffentlichen Dienst als auch für die Privatwirtschaft.

Im Bereich des öffentlichen Dienstes bestehen verschiedene Arbeitszeitverordnungen: Im Gegensatz zu den Regelungen in Brandenburg (BbgAZVPFJ a.F.) enthalten die Verordnung über die Arbeitszeit von Beamtinnen und Beamten des Bundes (vgl. § 13 AZV Bund) sowie die bayerische Arbeitszeitverordnung (vgl. § 4 Abs. (2) Satz 1 BayAzV) entsprechende Voraussetzungen und verstoßen damit nicht gegen EU-Recht.

Arbeitszeitgesetz nicht europarechtskonform?

Für die Privatwirtschaft sind die Vorgaben aus Brüssel einheitlich im Arbeitszeitgesetz ("ArbZG") umgesetzt. Dabei steht den Tarifvertrags- bzw. Betriebsparteien offen, von bestimmten Vorgaben abzuweichen (vgl. § 7 ArbZG) – es gilt insoweit eine Angemessenheitsvermutung. Auch für die maximale Wochenarbeitszeit besteht eine Opt-Out-Option: In einem Tarifvertrag oder einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung auf Grundlage eines Tarifvertrags kann die Arbeitszeit pro Werktag auch ohne Ausgleich auf mehr als acht Stunden verlängert werden (vgl. § 7 Abs. (2a) ArbZG).

Vielfach wird die Regelung als europarechtswidrig angesehen: Der Staat dürfe die Einhaltung der Vorgaben der EU-Arbeitszeitrichtlinie (insbesondere Sicherheits- und Gesundheitsschutz) nicht an die Tarifvertragsparteien delegieren. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich dazu bislang nicht geäußert (vgl. BAG v. 23.06.2010, Az. 10 AZR 543/09). Nach einem Bericht der EU-Kommission stehen aber auch andere EU-Länder im Verdacht, die Vorgaben der EU-Arbeitszeitrichtlinie nicht korrekt umgesetzt zu haben, als sie von der Opt-Out-Option Gebrauch gemacht haben (vgl. Bericht der Kommission über die Durchführung der RL 2003/88/EG in den Mitgliedstaaten, KOM(2010) 802 endgültig, S. 8 f.).

Zitiervorschlag

EU-Arbeitszeitrichtlinie: . In: Legal Tribune Online, 21.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23551 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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