Am Rundfunkbeitrag scheiden sich in Deutschland die Geister – für die einen notwendige Gebühr, für die anderen unrechtmäßige Zwangsabgabe. Nun treffen sich die Parteien vor dem BVerfG, wo ein Richter besonders unter Beobachtung steht.
Um den Rundfunkbeitrag wird sich schon seit Jahren vor Deutschlands Gerichten gestritten. Und das beinahe mit so viel Verve, wie man es zuletzt von den juristischen Streitigkeiten um die Flüchtlingskrise kennt. Die Streitpunkte sind dabei so vielfältig wie die Kritiker. Es geht um Fragen wie die Rechtsnatur des Rundfunkbeitrags: Ist es eine Steuer oder bloß eine sonstige Abgabe? Und ist es nicht ungerecht, dass Personen mit mehreren Wohnsitzen auch mehrfach zahlen müssen, auch wenn sie nur an einem Ort "konsumieren" können – oder auch gar nicht, wenn sie gar kein Rundfunkgerät haben?
All das wird am Mittwoch und Donnerstag Thema in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sein, die schon im Vorfeld für viel Diskussionsstoff sorgte. Und dabei ging es nicht nur um die Sache, sondern auch um einen Richter. Genauer gesagt um Ferdinand Kirchhof, den Vizepräsidenten und Vorsitzenden des 1. Senats des BVerfG, der über die Verfassungsbeschwerden mitentscheiden soll.
Dessen Bruder Paul Kirchhof, seinerseits ein renommierter Staats- und Steuerrechtler, hatte im Auftrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio ein Gutachten erstellt, in dem er zu dem Schluss kam, der Rundfunkbeitrag sei in seiner derzeitigen Form verfassungsgemäß. Die Antragsteller sahen seinen Bruder und Verfassungsrichter Ferdinand dadurch als befangen an und wollten ihn von der Verhandlung ausschließen lassen, was der Senat aber ablehnte – Kirchhof entscheidet in Sachen Rundfunkbeitrag mit.
Neuregelung von 2013 sieht einen Beitrag für einen Haushalt vor
Bislang sind alle Kritiker mit ihren Klagen gegen den Rundfunkbeitrag gescheitert, u. a. vor zahlreichen Verwaltungsgerichten, Oberverwaltungsgerichten und den Landesverfassungsgerichten von Bayern und Rheinland-Pfalz. Lediglich eine Entscheidung des Landgerichts (LG) Tübingen, die europarechtliche Einwände erhob und den Rundfunkbeitrag dem Europäischen Gerichtshof vorlegte, ließ aufhorchen, bevor im März 2016 das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) schließlich den Rundfunkbeitrag für verfassungskonform erklärte. Nun soll vom BVerfG endgültig Klarheit für die derzeitige Regelung geschaffen werden.
Verhandelt werden vier Verfassungsbeschwerden, darunter drei von Privaten, die sich gegen ihre Heranziehung zum Beitrag von derzeit 17,50 Euro pro Monat wenden. Zum einen monieren sie dabei die fehlende Gesetzgebungskompetenz der Länder. Diese seien zum Erlass der Umsetzungsgesetze zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der die Erhebung des Rundfunkbeitrags regelt, gar nicht befugt, da es sich bei dem Beitrag ihrer Ansicht nach um eine Steuer handelt.
Außerdem argumentieren die Beitrags-Gegner mit einer Ungleichbehandlung der Adressaten. Hintergrund ist die Neuregelung von 2013, nach der jeder Bürger für seinen Wohnsitz den Beitrag entrichten muss, unabhängig davon, ob er überhaupt über ein Empfangsgerät verfügt. Die Neuregelung sollte die Feststellung der Zahlungspflicht vereinfachen und trägt der aktuellen Entwicklung Rechnung, dass nahezu jeder über ein Gerät verfügt, mit dem er Angebote der Öffentlich-Rechtlichen empfangen kann – sei es ein Fernseher oder auch Tablet, Computer oder Smartphone.
Autovermieter Sixt unter den Klägern
SWR-Justiziar Hermann Eicher bekräftigte dies vor der Verhandlung mit statistischen Angaben der Verbrauchs- und Medienanalyse VuMA (2005 bis 2017). Daraus gehe klar hervor, dass mehr als 99 Prozent der Personen über 14 Jahren in Haushalten mit mindestens einem Fernsehgerät lebten. "Vor diesem Hintergrund ist aus unserer Sicht der Gleichheitsgrundsatz nicht tangiert, wenn der Gesetzgeber anknüpfend an dieser hohen Prozentzahl typisiert." Anders ließe sich auch der Einzug des Rundfunkbeitrags mit vertretbarem Aufwand nicht leisten, so Eicher.
Da pro Wohnung auch immer nur ein Beitrag erhoben wird, stehen zudem diejenigen besser, die mit mehreren Personen in einem Haushalt leben, denn sie können den Beitrag einfach untereinander teilen. Auch hierin sehen Kritiker eine Ungleichbehandlung ohne vernünftigen Grund.
Der Vierte im Bunde der Antragsteller ist im Übrigen recht prominent: der bayerische Autovermieter Sixt. Der muss für seine Fahrzeugflotte mächtig in die Tasche greifen, denn als Gewerbetreibender muss er für jedes seiner fast 50.000 Fahrzeuge einen monatlichen Beitrag von 5,83 Euro entrichten. Er will vom BVerfG auch klären lassen, ob es zulässig ist, für Betriebe je nach Zahl der Mitarbeiter gestaffelt Rundfunkbeiträge zu erheben.
Medienkritik schwingt mit
Abseits von Sachargumenten spiegelt die Debatte um den Rundfunkbeitrag auch ein Stück Kritik an der Arbeit der öffentlich-rechtlichen Sender wider, was sich auch in den Aussagen der Antragssteller bemerkbar macht, die gegen tendenziöse Berichterstattung und staatliche Einflussnahme auf die Programmgestaltung wettern.
Was in ihren Augen die Alternative sein soll, ist bis heute nicht recht klar geworden. Eine völlige Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit der Verlust eines Gegenangebotes zu werbefinanzierten Sendern? Oder die Rückkehr zum alten Rundfunkbeitrag?
Diese Frage wird freilich auch am Mittwoch und Donnerstag erst einmal offen bleiben, denn - so formulierte es einer der Antragsteller - : "Es geht um's Prinzip."
Mit Materialien von dpa
Maximilian Amos, BVerfG verhandelt über den Rundfunkbeitrag: . In: Legal Tribune Online, 16.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28637 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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