2/2: Kurswechsel im Adoptionsrecht absehbar
Doch bleibt die gegenläufige Rechtsprechung des BVerfG für die Staatsorgane, Behörden und Gerichte bindend, und so steht zu erwarten, dass auch die letzten Unterschiede, etwa im Adoptionsrecht, alsbald fallen werden, obwohl gerade hier nach wie vor Anlass und Berechtigung zur Differenzierung bestünde, lässt sich doch nicht bestreiten, dass nur die Ehe, aber nicht die eingetragene Lebenspartnerschaft eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft darstellt, die Ausgangspunkt und Ursprung einer eigenen Generationenfolge sein kann. Aber auch hier dient dem BVerfG der Gleichheitssatz als Vehikel zu Gleichstellung dessen, was weder tatsächlich gleich ist noch rechtlich zwingend gleich zu behandeln ist.
Damit soll nicht bestritten werden, dass Kinder auch in eingetragenen Lebenspartnerschaften behütet aufwachsen können. Der Gesetzgeber kann daher, ohne das Kindeswohl zu verletzen, Adoptionen durch einen oder beide Lebenspartner ermöglichen; er muss es aber eben nicht, denn es gibt kein Grundrecht auf Adoption. Er kann vielmehr die Adoptionsberechtigung auf Ehepartner beschränken, um zu gewährleisten, dass Kinder nach Möglichkeit in einer (tatsächlichen wie rechtlichen) Gemeinschaft mit Vater und Mutter groß werden, weil es so für sie nach seiner maßgeblichen Einschätzung am besten ist.
Als Unterschied bleibt nur der Name
Das BVerfG wird sich von solchen Einwänden nicht beeindrucken lassen, sondern seinen eingeschlagenen Weg bis zur vollständigen Gleichstellung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft fortsetzen.
Und dann? Dann bleibt als Unterschied nur noch der Name: Ehe. Nur noch die Bezeichnung steht dann für die Andersartigkeit, die allein in dem Umstand liegt, dass sich in der Ehe nur Mann und Frau, nicht zwei gleichgeschlechtliche Partner binden können. Aber darf man, ohne zu diskriminieren, zwei hinsichtlich des rechtlichen Regelungsgehaltes identische Institute überhaupt noch unterschiedlich bezeichnen?
Wenn das BVerfG diese Frage – mit einer gewissen innerer Folgerichtigkeit – verneinen würde, brächte es damit allerdings den Ausgangspunkt seiner ganzen Rechtsprechung, nämlich die Eigenart der Ehe als einer Lebenspartnerschaft allein von Mann und Frau zu Fall. Was einzurichten zulässig war, weil es keine Ehe ist (die eingetragene Lebenspartnerschaft), soll, ja muss nun selbst Ehe sein, weil alle Unterschiede (aus vorgeblichen Gründen der gebotenen Gleichbehandlung) entfallen sind, bis auf den einen (Verschieden- bzw. Gleichgeschlechtlichkeit), der aber keinen Unterschied, nicht einmal des Namens, machen darf.
Das BVerfG gestaltet die Verfassung um
Damit wird überdeutlich, was hier in Wirklichkeit stattgefunden hat und noch stattfindet: nicht Rechtsprechung nämlich, sondern Rechtsetzung in Umgestaltung der geltenden Verfassung. Ein neues, anderes Verständnis des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs ist nichts anderes als eine Verfassungsänderung, die den gesetzgebenden Körperschaften vorbehalten ist und einer qualifizierten Mehrheit bedarf, wie sich aus Art. 79 Abs. 1 u. 2 GG ergibt.
Auf diesen einzig legalen wie legitimen Weg der Verfassungsänderung ist das Anliegen der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu verweisen. Wenn stattdessen die politische Frage nach der Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen von einem Verfassungsgericht positiv beantwortet wird, obwohl der Verfassung diese Antwort nicht zu entnehmen ist, so verletzt dies, wie Richter Scalia in Rechtsverwahrung gegen die Entscheidung des Supreme Court zu Recht geltend gemacht hat, nicht weniger als das demokratische Prinzip: "a principle even more fundamental than no taxation without representation, no social transformation without representation".
Der Autor Prof. Dr. Christian Hillgruber ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Bonn.
Gleichgeschlechtliche Partnerschaften vor den Gerichten: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16272 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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