Der Bundesrat hat zum Cannabisgesetz der Ampel Stellung genommen. Dabei scheiterten die Fundamentalkritiker der Legalisierung mit ihren Forderungen, das Vorhaben vollständig zu stoppen oder wenigstens für zustimmungspflichtig zu erklären.
Aufatmen bei der Ampel. Legalisierungsgegner und rigide Prohibitionsbefürworter sind am Freitag im Bundesrat mit ihren weitgehenden Anträgen gegen das Cannabisgesetz (CanG) der Bundesregierung im Wesentlichen gescheitert.
So fand der Plenarantrag Bayerns mit der Empfehlung, die Bundesregierung möge die Legalisierung komplett auf Eis legen, in der Länderkammer keine Mehrheit. Ebenso wenig die Initiative des Hamburger SPD-Innensenators Andy Grote (SPD), der andere Länder davon überzeugen wollte, dass das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfe. Damit steht jetzt fest: Die Länderkammer wird das CanG nicht komplett aufhalten, sondern allenfalls – durch einen möglichen Einspruch im späteren Verfahren – ein stückweit bremsen können.
Den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder lagen am Ende rund 80 Empfehlungen aus den Ausschüssen des Bundesrates vor. Auch wenn die fundamentalen Änderungsanträge der Legalisierungsgegner letztlich zwar abgelehnt wurden, empfiehlt der Bundesrat dennoch eine Reihe von Nachbesserungen und Verschärfungen.
Überzeugt sind die Länder mehrheitlich, dass das Konsumcannabisgesetz (KCanG) bei den Ländern gravierende Kontroll- und Vollzugsaufgaben sowie umfassende Präventions- und Interventionsaufgaben zur Folge haben werde, die nur mit erheblichem personellem Aufwand zu bewältigen seien. Deutlich bezweifelt wird die Annahme der Bundesregierung, dass im ersten Jahr deutschlandweit lediglich 1.000 Anbauvereinigungen eine Erlaubnis beantragen würden. Die Länder schätzen die Zahl als deutlich zu niedrig ein.
Keine Anhebung der Altersgrenze
Auch sehen die Länder mehrheitlich erheblichen Nachbesserungsbedarf, was den Schutz von Kindern und Jugendlichen angeht. Das betreffe zum Beispiel die Kontrolle der Einhaltung der kinder- und jugendschützenden Vorschriften im CanG innerhalb privater Räume – auch wenn dabei die Grenzen von Art. 13 Grundgesetz (GG) zu beachten seien. Gefordert wird insofern, die relevanten Regelungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren auf ihre Praxistauglichkeit und Umsetzbarkeit hin zu überprüfen. "In der Fassung des Gesetzentwurfs ist aus Sicht des Bundesrates ein strukturelles Vollzugsdefizit zu erwarten", so der Bundesrat.
Weiter erwarten die Länder, dass verbindliche Instrumente zur effektiven Aufklärung, Prävention und Intervention in das Gesetz aufgenommen werden, "einschließlich realistischer Finanzierungsmodalitäten insbesondere der verpflichtenden Präventions- und Frühinterventionsmaßnahmen".
Zu einer Kritik über angeblich zu niedrige Strafrahmen im geplanten KCanG, wie es der Innenausschuss zunächst gefordert hatte, konnte sich der Bundesrat nicht durchringen. Ebenso wenig scheiterte die Empfehlung, das Mindestalter zum Cannabis-Besitz und -Konsum von derzeit 18 Jahren zu erhöhen. Keine Mehrheit erzielte auch der Antrag, den Radius der im KCanG vorgesehenen Cannabis-Verbotszonen von 200 Metern – z.B. im Umkreis von Schulen und Kitas – wieder auf 250 Meter zu erhöhen.
Eigenanbau nur in der Wohnung, nicht im Garten
Was den erlabten Eigenanbau angeht, verlangt der Bundesrat im Gesetz die Klarstellung, dass der Anbau von Cannabispflanzen auf die Wohnung beschränkt ist und nicht z.B. auch im Garten stattfinden darf.
Auch bitten die Länder die Bundesregierung darum, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die aktuell im Gesetz festgelegten Mengenbegrenzungen unter Berücksichtigung der Stellungnahmen von Fachgesellschaften und der Ziele des Gesetzes – Verbesserung des Jugend- und Gesundheitsschutzes – zu überprüfen. Derzeit sehen die Pläne der Ampel folgende Begrenzungen der Abgabemengen vor: 25 Gramm Cannabis pro Tag und 50 Gramm pro Monat (30 Gramm pro Monat für Heranwachsende) bei gleichzeitiger Begrenzung des THC-Gehaltes auf zehn Prozent. Dabei verfolgt der Regierungsentwurf das Ziel, die Suchtrisiken zu verringern.
Schließlich spricht sich der Bundesrat gegen die geplante Amnestie für Cannabis-Täter aus: Das Gesetz der Ampel sieht vor, dass rechtskräftig verhängte Strafen nach dem Betäubungsmittelgesetz wegen solcher Taten, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht sind, mit Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen werden, soweit sie noch nicht vollstreckt sind.*
Vor der Abstimmung hatten sich im Plenum der Länderkammer ausschließlich Gegner einer Cannabis-Legalisierung zu Wort gemeldet. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bezeichnete das Ampelgesetz als "einzige Katastrophe". Zu Beginn seiner Rede fragte er suggestiv, ob das Land derzeit nicht ganz andere Probleme hätte. Ukraine-Krieg, existenzielle Probleme von Unternehmen etc. Haseloff zeigte sich außerdem überzeugt, dass der Konsum von Cannabis mit einer Legalisierung weiter ansteigen werde. Für die Behörden sei das Gesetz zudem nicht praxistauglich.
Deutschland künftig "Kolumbien Europas"?
In die gleiche Kerbe schlugen in ihren Redebeiträgen Haseloffs Parteikollegen: die schleswig-holsteinische Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack und Sachsens Staatsminister des Innern Armin Schuster. Dieser bemerkte, er denke bei den – angeblich geplanten – Cannabis Social Clubs immer an das kubanische Musikalbum "Buena Vista Social Club". Assoziationen an Mittel- bzw. Südamerika ereilten auch Bayerns Leiter der Staatskanzlei, Florian Herrmann (CSU): Der gelernte Rechtsanwalt warnte vor den Auswirkungen des Gesetzes auf das organisierte Verbrechen. "Wir wollen doch nicht, dass Deutschland zum Kolumbien Europas wird", so Herrmann.
Nach den Abstimmungen im Bundesrat gab es aus den Reihen der Ampelfraktionen erleichterte Reaktionen. Als erstes reagierte die sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Kristine Lütke: "Der Bundesrat kann zwar Kritik üben, aber die Legalisierung von Cannabis am Ende nicht verhindern!" Im parlamentarischen Verfahren werde man die Bedenken der Länder genau prüfen, die endgültige Entscheidung über die Ausgestaltung der Cannabis-Legalisierung liege aber im Parlament. "Als Ampel-Fraktionen stehen wir geschlossen hinter dem Gesetz, denn klar ist: Mit der Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken für Erwachsene sorgen wir endlich für mehr Jugend-, Gesundheits- und Verbraucherschutz", so Lütke.
Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Bündnis 90/Die Grünen) sieht den Gesetzgeber aber nun in der Pflicht. Gegenüber LTO erklärte sie: "Zu vielen Fragen haben wir als Länder wichtige Hinweise im Hinblick auf die Kontroll- und Vollzugsaufgaben der Länder gemacht. Auch beim Cannabisgesetz zeigt sich das immer wiederkehrende Problem, dass die finanziellen Folgen ohne Kompensation von den Ländern getragen werden müssen. Ich hoffe, dass die in weiten Teilen konstruktive Stellungnahme des Bundesrates nun in den weiteren Prozess einfließt, damit das wichtige Anliegen der Legalisierung von Cannabis auch in der Praxis erfolgreich wird."
Nach dem Bundesrat ist jetzt zunächst die Bunderegierung wieder am Zug: Sie wird zur Empfehlung der Länderkammer eine Gegenäußerung abgeben. Danach geht das Gesetz in den Bundestag. Damit rückt eine Cannabis-Teillegalisierung und eine Entkriminalisierung des Konsums voraussichtlich zum Januar 2024 in Deutschland näher - auch wenn der Bundesrat empfiehlt, dass das Gesetz wegen des großen Vorbereitungs- und Organsisationsaufwandes für Länder und Kommunen erst am 1. Juli 2025 in Kraft treten soll.*
*Anmerkung der Redaktion: Die gekennzeichneten Informationen wurden am 01.10.2023, 13:05 Uhr, ergänzt.
Stellungnahme der Länder zum Cannabis-Gesetz: . In: Legal Tribune Online, 29.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52816 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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