Bundesenergieministerium: Wie ein neues Ressort entsteht

von Patrick Buse, LL.M.

20.08.2012

Die Energiewende der Bundesregierung kam plötzlich und ehrgeizig daher. Bis 2050 sollen überwiegend erneuerbare Energien die Bevölkerung versorgen. Doch wer hat dieses anspruchsvolle Ziel umzusetzen? Peter Altmaier, Philipp Rösler, Anette Schavan, Peter Ramsauer oder etwa alle irgendwie zusammen? Wie wäre es denn da mit einem neuen Minister, einem Bundesenergieminister.

Bisher sind tatsächlich mehrere Bundesministerien gemeinsam für die Realisierung der Energiewende zuständig. Der Ausbau erneuerbarer Energien ist Sache des Umweltministeriums, um die Energieeffizienz kümmert sich das Wirtschaftsministerium und auch das Forschungs-, das Landwirtschafts- und das Verkehrsministerium beschäftigen sich mit Aspekten der Energiepolitik. Bei so vielen Beteiligten besteht erheblicher Koordinationsbedarf zwischen den Ministerien. Hinzu kommt politisches Kompetenzgerangel.

Da könnte ein Bundesenergieminister erlösende Wirkung haben. Die Ministerpräsidenten der Länder Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt haben denn auch Anfang Mai einen entsprechenden Vorschlag gemacht. Ebenso ist der Oberbürgermeister von Bremen Jens Böhrnsen überzeugt, ein Energieminister könne den nötigen Schwung in die Sache bringen.

Aber wie entsteht ein neues Ressort? Deutschland ist eine Kanzlerdemokratie. Das heißt, Angela Merkel kann ihr Kabinett zusammenstellen, wie es ihr gefällt. Art. 64 Grundgesetz (GG) gibt ihr das Recht, die Anzahl der Minister und den Zuschnitt ihrer Ressorts zu bestimmen. Erst auf ihren Vorschlag hin ernennt der Bundespräsident einen Minister. Drei Ministerien gibt die Verfassung allerdings zwingend vor: das Finanz-, das Justiz und das Verteidigungsministerium. Darüber hinaus ist die Zahl der Bundesminister gesetzlich nicht begrenzt. Sie schwankt dementsprechend. Das erste Kabinett von Konrad Adenauer hatte 13 Minister; 1990 gab es während der Wiedervereinigung für einige Wochen sogar eine Regierung mit 24 Ressortchefs.* Derzeit gibt es 15.

Kanzlerin und Energieministerin in Personalunion auch möglich

Der Zuschnitt der einzelnen Ministerien wird von der Kanzlerin gemäß § 2 Abs. 3 des Bundesministergesetzes in der Ernennungsurkunde festgelegt. Sein eigenes Ressort darf der jeweilige Minister dann wiederum selbst organisieren, Art. 65 Abs. 2 GG.

Praktisch regelt die Kanzlerin den Zuschnitt der Ressorts durch Organisationserlasse, die sie jederzeit, also sowohl bei Konstituierung der Bundesregierung als auch zur Kabinettsumbildung anordnen kann. Ein neues Bundesministerium könnte also schnell aus der Taufe gehoben werden. "Die wahre Regierungskunst liegt aber darin, den effektivsten Ausgleich zwischen den Organisationsprinzipien der Bundesregierung, nämlich dem Kanzlerprinzip, dem Ressortprinzip und dem Kollegialitätsprinzip, zu erzielen", sagt Volker Busse, der als Ministerialdirigent Gruppenleiter im Bundeskanzleramt und zuständig für Fragen der staatlichen Organisation war.

Merkel könnte auch selbst neue Energieministerin werden. So tat es etwa Adenauer, der von 1951 bis 1955 das neu geschaffene Auswärtige Amt neben dem Bundeskanzleramt leitete.

"Raum für viel Gestaltungsphantasie"

Zwar halte rechtlich allein die Kanzlerin die Entscheidung über ein neues Ressort in Händen; politisch üblich sei es aber, die Frage zunächst in der Koalition und im Kabinett zu erörtern, so Busse.

Mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt tritt der Organisationserlass in Kraft. In diesem Moment entsteht das Ministerium. Haushaltsrechtlich ändere sich durch das neue Ministerium erst mal nichts, so Busse. "Die Bundesregierung muss mit den vorhandenen Mitteln umgehen, insbesondere durch Umschichtungen. Für ein neues Ministerium stehen nicht automatisch neue Mittel bereit."

Nicht nur haushaltspolitisch ist die nachträgliche Ministerienbildung schwierig. Die beteiligten Ressorts müssen auch überlegen, wie das neue Ministerium personell aufgestellt wird. "Hier ist Raum für viel Gestaltungsphantasie der Akteure. Stellen und Sachmittel müssen übertragen werden, Personen werden versetzt oder abgeordnet."

Prinzip der Federführung als Alternative

Die Vorteile eines Bundesenergieministeriums sind also gegen die koordinationsbedingten Reibungsverluste abzuwägen, die insbesondere durch die Neuabgrenzung der Zuständigkeiten entstünden. "Denn auch wenn man ein Bundesenergieministerium schaffen würde, bestünden Wirtschaftsministerium und Umweltministerium ja fort."

Eine Alternative ist daher laut dem ehemaligen Gruppenleiter daher, einem Minister die Federführung für ein bestimmtes Thema zu geben. "Auch so kann man erreichen, dass einer das Heft in der Hand hat." Allerdings bleibt es dann dabei, dass der federführende Minister mit seinen Kollegen kooperieren und sich abstimmen muss.

Ob ein Bundesenergieministerium tatsächlich die Energiewende voran bringen kann, ist allerdings keine rein juristische Frage, sondern zuvorderst eine politische. Wie auch immer die Entscheidung der Kanzlerin ausfallen mag, das Organisationsrecht gibt ihr jedenfalls die notwendige Flexibilität.

*Anm. der Redaktion: Hier wurde zunächst fälschlicherweise behauptet, dass das zweite Kabinett von Kanzler Schröder 24 Minister umfasste. Geändert am 20.08.2012.

Zitiervorschlag

Patrick Buse, Bundesenergieministerium: . In: Legal Tribune Online, 20.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6855 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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