Nicht nur die Börsen fürchten den Brexit. Für viele Unternehmen würde ein Ausstieg der Briten erhebliche Umstrukturierungen bedeuten. Akuten Handlungsbedarf könnte es auch bei den Unionsmarken geben, erklärt Julia Dönch.
Unionsmarke und Gemeinschaftsgeschmacksmuster sind Erfolgsgeschichten der Europäischen Union (EU): Mit nur einer Anmeldung beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) können Schutzrechte für alle Mitgliedstaaten der EU erlangt werden. Die Anmeldeverfahren verlaufen regelmäßig zügig, die Anmeldekosten sind überschaubar. Diese EU-weiten Schutzrechte prägen auch den Binnenmarkt in nicht unerheblichem Maße.
Treten Staaten der EU neu bei, werden bestehende Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach den entsprechenden EU-Verordnungen auf diese neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt. Doch was passiert, wenn ein Mitgliedstaat aus der EU austritt? Es ist nur eine von vielen Fragen, die der mögliche Brexit aktuell aufwirft.
Die EU-Verordnungen zu Unionsmarke und Gemeinschaftsgeschmacksmuster sehen keine ausdrücklichen Regelungen für das Schicksal dieser Schutzrechte bei Austritt eines Mitgliedstaates aus der EU vor. Allerdings gelten die Unionsmarkenverordnung und die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ihrem Wortlaut nach nur für EU-Mitgliedstaaten – für andere Staaten fehlt der EU auch die Regelungskompetenz. Kommt es zum Brexit, kann die EU Großbritannien somit nicht einseitig vorschreiben, wie Großbritannien nach dem Austritt mit Unionsmarke und Gemeinschaftsgeschmacksmuster umgeht.
Für im Zeitpunkt eines möglichen Brexit bestehende Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster sind rechtlich im Wesentlichen drei Szenarien denkbar.
Wenn alles bliebe, wie es ist – oder jedenfalls ein bisschen
Szenario 1: Die EU (bestehend aus den verbliebenen Mitgliedstaaten) und Großbritannien vereinbaren, dass die Systeme der Unionsmarke und des Gemeinschaftsgeschmacksmusters für Großbritannien trotz Brexit für bereits bestehende Schutzrechte und für nach dem Brexit angemeldete Schutzrechte fortbestehen. Großbritannien müsste sich dann auch künftigen Änderungen der Unionsmarkenverordnung und der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung unterwerfen, an denen Großbritannien nicht mehr mitwirken kann.
Die Souveränität für diese Regelungsbereiche würde Großbritannien somit nicht wiedererlangen, so dass dieses Szenario für Brexit-Anhänger nicht in Betracht kommen dürfte. Für Schutzrechtsinhaber hingegen würde sich dann nichts ändern: Ihr Schutzrechtsportfolio bliebe unberührt, sie könnten auch nach einem Brexit über die Anmeldung von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern Schutz in Großbritannien erlangen.
Szenario 2: Die EU und Großbritannien einigen sich darauf, dass für im Zeitpunkt des Brexit bereits bestehende Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster die EU-Systeme auf Dauer fortgelten. Sollen Marken und Designs nach dem Brexit für Großbritannien geschützt werden, müsste dies über die Anmeldung nationaler Marken und Designs in Großbritannien erfolgen. In diesem Szenario würde Großbritannien zumindest perspektivisch wieder mehr Souveränität im Bereich der Gesetzgebung des geistigen Eigentums erhalten.
Wenn alles aufhörte, wenn der Brexit kommt?
Szenario 3: Nach Wirksamwerden des Brexit verlieren bestehende Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster ihren Schutz für Großbritannien. Inhaber von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern könnten dann aus diesen Schutzrechten für Großbritannien keine Rechte mehr herleiten. Nach dem Motto "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" könnten sich Nachahmer und Markenpiraten durch schnellere Anmeldungen diese Rechte für sich legal sichern.
Um ein solches "Wettrennen" um Marken und Designs auf der britischen Insel zu vermeiden, könnte Großbritannien Instrumente schaffen, mittels derer aus den bestehenden EU-Schutzrechten nationale Schutzrechte für Großbritannien "abgespalten" werden. Die Inhaber dieser EU-Schutzrechte würden somit zusätzlich zu ihren bestehenden Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern nationalen Marken- und Designschutz für Großbritannien erhalten. Ein solches Verfahren würde dann wahrscheinlich aber auch eine neue, fristgebundene und kostenpflichtige Antragstellung der Inhaber der bereits bestehenden EU-Schutzrechte bei einer britischen Behörde nötig machen.
Sollte der Brexit kommen, wird sich vermutlich Handlungsbedarf ergeben für Inhaber von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern und Unternehmen, die auf dem britischen Markt tätig sind.
Aber auch in der Beratung von Lizenznehmern und -gebern sollten man nach einem Brexit in die Verträge schauen: Besteht bei einer etwaigen territorialen Einschränkung von Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmustern Klarstellungsbedarf im Hinblick auf die Reichweite der erteilten Lizenz? Denn nach dem Brexit könnten sich auch hier Unklarheiten ergeben. Schließlich würde Großbritannien dann nicht mehr zum EU-Binnenmarkt gehören.
Die Autorin Julia Dönch ist Rechtsanwältin bei der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH im Bereich IP/IT.
Julia Dönch, Brexit und Schutzrechte: . In: Legal Tribune Online, 22.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19752 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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