2/2: Bilaterales Abkommen: Alles bliebe, wie es ist
Kein Grund zur Panik also? Keineswegs, denn so klar die Rechtslage gegenwärtig ist, so schwer ist es, einen Blick auf die Situation in drei Jahren zu werfen. Hier hängt alles vom Verhandlungsergebnis ab.
Enthält ein Austrittsabkommen eine mit der Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV vergleichbare Regelung, ändert sich jedenfalls nichts. Die Sitztheorie wird nicht nur durch Europarecht verdrängt, sondern auch durch bilaterale Verträge, die Niederlassungsfreiheit gewähren. Das ist etwa bei US-Gesellschaften der Fall aufgrund des Freundschaftsabkommens von 1954. Für ein bilaterales Abkommen zwischen der EU und GB könnte nichts anderes gelten.
Ernst wird es hingegen, wenn keine Einigung zustande kommt. Dann steht am Ende der Verhandlungsphase der vertragslose Austritt, und damit wären für das Vereinigte Königreich alle Grundfreiheiten des Europarechts verloren. Dann wäre die Sitztheorie wieder anwendbar, mit den bekannten Folgen. Ob bei einem drohenden Scheitern der Verhandlungen noch Zeit besteht, die Umwandlung in eine deutsche Rechtsform rechtzeitig zu erreichen, ist alles andere als sicher. Dies gilt besonders für die börsennotierte PLC, die für Gesellschafterbeschlüsse Ladungsfristen zu beachten hat.
Und wenn die Verhandlungen scheitern?
Wenn die Verhandlungen scheitern würden, würde sich die Rechtslage mit Wirkung für die Zukunft verändern. Bis zum Wirksamwerden des Austritts Großbritanniens macht Art. 49 AEUV es unmöglich, die Eigenschaft als ausländische Kapitalgesellschaft abzuerkennen.
Bei Änderungen der Rechtslage für die Zukunft ist der Gesetzgeber aber in seiner Verfahrensweise relativ frei, was belastende Folgen angeht. Er muss lediglich im Rahmen einer Güterabwägung die Interessen der Betroffenen mit berücksichtigen. Das bedeutet, dass neu entstehende Limited und PLC mit Verwaltungssitz im Inland ab dem Austritt jedenfalls nicht mehr anerkannt werden müssten.
Bei den schon bestehenden Gesellschaften wäre der Gesetzgeber aus dem Rechtstaatsprinzip heraus gehalten, eine Übergangsfrist festzusetzen, innerhalb derer dieser Formwechsel vollzogen werden kann. Deutsche Interessen würden nicht beeinträchtigt, wenn die Gesellschaften ihre Rechtsform noch für einen überschaubaren Zeitraum beibehalten können. Zudem wäre ein vorübergehender Wegfall der Haftungsbeschränkung – bis zu einem Wechsel in die GmbH oder AG - nur ein Zufallsgeschenk an die Gläubiger, das alles spricht für eine Lösung mit Übergangsfrist. Ein Anspruch auf Beibehaltung der ausländischen Rechtsform auf Dauer lässt sich jedoch aus Art. 20 Grundgesetz nicht herleiten - vor allem deshalb nicht, weil die Rechtsänderung nicht vom deutschen Gesetzgeber ausgegangen ist.
Rechtsformwechsel nach dem Austritt – nicht mehr steuerneutral
Vermeiden sollte man es, erst nach Wirksamwerden des Austritts die Rechtsform zu wechseln. Dann stellt sich das Folgeproblem, dass die europarechtlichen Instrumente, die einen solchen Wechsel erleichtern, nicht mehr gelten.
Die Bestimmungen über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, die gegenwärtig eine Verschmelzung einer Ltd auf eine GmbH erlauben, wären ebenso wenig mehr anwendbar wie die Vale-Rechtsprechung des EuGH, die den direkten grenzüberschreitenden Formwechsel von der Ltd in die GmbH regelt.
Es bliebe nur die Neugründung einer Gesellschaft deutscher Rechtsform, verbunden mit der Einbringung des bisherigen Betriebs als Sacheinlage und Auflösung der Limited. Das hätte aber eine Liquidationsbesteuerung unter Aufdeckung der stillen Reserven zur Folge. Die Möglichkeit zur Buchwertfortführung besteht nur bei inländischen Kapitalgesellschaften (§ 20 Umwandlungssteuergesetz UmwStG iVm § 1 Körperschaftsteuergesetz) und bei EU-Auslandsgesellschaften (§ 23 UmwStG), aber diese Eigenschaft hätten die betroffenen Gesellschaften nach dem Wirksamwerden des Brexits schon verloren. Ob der Gesetzgeber bereit ist, auch insoweit eine Übergangsregelung einzuräumen, ist alles andere als sicher. Verpflichtet wäre er dazu jedenfalls nicht.
Der Autor Prof. Dr. Tim Drygala ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht an der Universität Leipzig.
Nach dem Brexit-Referendum: . In: Legal Tribune Online, 05.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19883 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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