Volksverhetzer im Ausland sollen künftig nach deutschem Strafrecht verfolgt werden. Wie das Bundesjustizministerium auf LTO-Anfrage bestätigte, arbeite das Ministerium "mit Nachdruck" an einer entsprechenden Präzisierung im StGB.
Laut Ministeriumssprecher Maximilian Kall bestehe derzeit bei der Verfolgung von Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB), die im Ausland begangen werde, eine "Anwendungslücke". Insbesondere bei der Volksverhetzung über das Internet bestehe das Problem, dass die Täter gezielt aus dem Ausland heraus volksverhetzende und antisemitische Posts verbreiteten, um sich einer Strafverfolgung in Deutschland zu entziehen. Um die im Ausland begangene Tat als Volksverhetzung in Deutschland verfolgen zu können, bedürfe es eines gewissen Inlandsbezugs.
Dass der Gesetzgeber hier tätig werden muss, hat vor allem etwas mit einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu tun: Mit Beschluss vom 3. Mai 2016 (Az. 3 StR 449/15) gab der – für diese Frage nun zuständige – 3. Strafsenat des BGH eine frühere Rechtsprechung des 1. Strafsenats (Urt. v. 12. 09.2000, Az. 1 StR 184/00) auf. Das Merkmal "Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens" umschreibe keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg, so dass eine Inlandstat über § 9 Abs. 1 Variante 3 oder 4 StGB nicht begründet werden könne, so der BGH.
BMJV: "Komplexes Vorhaben"
Das BMJV möchte vor dem Hintergrund dieser neueren Rechtsprechung sicherstellen, dass deutsches Strafrecht grundsätzlich auch dann anwendbar ist, wenn Täter, vom Ausland aus handelnd, volksverhetzende Inhalte verbreiten und diese Inhalte sich gezielt an inländische Adressaten richten.
Die Gesetzesänderung geht zurück auf einen Beschluss der Justizministerkonferenz aus dem Juni dieses Jahres. Dort war das Thema auf Bertreiben des Freistaats Bayern auf die Tagesordnung gesetzt worden. Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) bekräftigte auch am Mittwoch erneut die Notwendigkeit, eine entsprechende Strafbarkeitslücke zu schließen: "Unsere Strafverfolgungsbehörden müssen jeder Art von Antisemitismus mit aller Konsequenz und Härte begegnen können", sagte Bausback der Deutschen Presse-Agentur in München. Im Hinblick auf antisemitische Umtriebe dürfe es keine Strafbarkeitslücken geben, der Bund müsse schleunigst reagieren. Er appellierte an Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD), einen entsprechenden im Juni von der Justizministerkonferenz geforderten Gesetzesvorschlag schnell vorzulegen. "Leider ist bislang nichts passiert. Strafbarkeitslücken in diesem Bereich sind inakzeptabel und eine Verhöhnung der Opfer", so Bausback.
Im BMJV stößt Bausbacks Drängen auf längst offene Türen: Wie Ministeriumssprecher Kall gegenüber LTO bestätigte, werde ein entsprechender Regelungsentwurf derzeit erarbeitet.
Allerding räumte der Sprecher gegenüber LTO ein, dass das Vorhaben etwas komplexer sei: In diesem Kontext stehe auch die Erweiterung des Schriftenbegriffs des § 11 Abs. 3 StGB zu einem "modernen Medienbegriff", wie er auch im Koalitionsvertrag verabredet worden sei. An diesem werde "parallel gearbeitet". Auch hierdurch, so Kall, sollen insbesondere über das Internet begangene Taten besser erfasst werden. Bislang werden "Schriften" im § 11 Abs.3 StGB lediglich Ton- und Bildträgern, Datenspeichern, Abbildungen und andere Darstellungen gleichgestellt.
Mit Material von dpa
BMJV will StGB überarbeiten: . In: Legal Tribune Online, 26.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31161 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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