Arbeitgeber müssen ihren Beschäftigten nun zwei Corona-Schnelltests pro Woche anbieten. Außerdem besteht jetzt die Pflicht zum Homeoffice. Diese Pläne aus dem BMAS halten aber nicht, was sie versprechen, meint Michael Fuhlrott.
Mit dem plakativ als "Bundesnotbremse" bezeichnetem "Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" sichert sich der Bund Gesetzgebungskompetenzen für infektionsschutzrechtliche Maßnahmen, die bislang der Kompetenz der Länder unterfielen. Neben den in Rede stehenden Ausgangsbeschränkungen sieht die gesetzliche Neuregelung aber auch weitere Änderungen im Arbeitsschutz vor. So wird die wöchentliche Frequenz von einer auf zwei Testungen verdoppelt. Zudem werden Arbeitnehmer verpflichtet, auch tatsächlich im Homeoffice zu arbeiten.
Noch während der Beratungen im Bundestag am 21. April 2021 zu den Gesetzesvorhaben verschickte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine Pressemitteilung (Nr. 15/2021), die die Ergebnisse des noch laufenden Gesetzgebungsverfahrens in Teilen vorwegnahm: Die Regelung zu betrieblichen Testangeboten in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) vom 21. Januar 2021 wird geändert. Künftig sollen Beschäftigte zwei Tests pro Woche beanspruchen können.
Die entsprechende Testangebotspflicht für Unternehmen war erst mittels einer Änderung der Verordnung vom 14. April 2021 durch Einfügung eines neuen § 5 geschaffen worden. Bislang durften gem. § 5 Abs. 2 Corona-ArbSchV nur Mitarbeiter bestimmter "risikoreicher Beschäftigungsgruppen" zwei wöchentliche Tests beanspruchen. Der Bundesarbeitsminister begründet diese als Nachschärfen der Regelungen bezeichnete Änderung mit dem Erfordernis, sich "mit ganzer Kraft gegen das Virus stemmen" zu müssen, um Infektionen besser zu entdecken, Ansteckungen zu vermeiden und Betriebsschließungen verhindern zu können.
Keine gesetzliche Testpflicht für Beschäftigte
Indes: An der bislang nur die Arbeitgeberseite treffenden Verpflichtung, die Tests anzubieten, soll sich nichts ändern. Es steht Beschäftigten weiterhin frei, sich testen zu lassen – oder eben nicht. Für viele Schülerinnen und Schüler beginnt der "Arbeitstag" hingegen oftmals anders: Sie müssen sich testen lassen, um am Unterricht teilnehmen zu dürfen.
Anders jedoch weiterhin die Situation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ob das weitere Abstandnehmen der Politik von einer Testpflicht juristische oder eher politische Gründe hat, bleibt unklar. Dass eine entsprechende Testpflicht für Beschäftigte hingegen in rechtlicher Hinsicht durchaus eingeführt werden könnte, zeigen vereinzelte Regelungen auf Länderebene. So sind in Berlin gem. § 6 a Abs. 2 Zweite SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung Berlin Beschäftigte mit körperlichem Kontakt zu Kunden verpflichtet, sich regelmäßig testen zu lassen.
Gleiches gilt bereits seit Mitte März in Sachsen, wo Beschäftigte mit direktem Kundenkontakt gem. § 3 a Abs. 2 SächsCoronaSchVO dieses Testangebot annehmen müssen. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht (PM Nr. 10/2021 v. 31.03.2021) billigte im Wege einer Normenkontrolle diese Regelungen. Auch vereinzelte Kommunen oder Städte hatten weitergehende Testpflichten eingeführt, zuletzt etwa Tübingen in einer "Allgemeinverfügung zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2" vom 13. April 2021.
Auch ein erstes Arbeitsgericht (ArbG Offenbach, Urt. v. 03.02.2021, Az. 4 Ga 1/21) hatte in einem einstweiligen Verfügungsverfahren eine seitens des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat abgeschlossene Betriebsvereinbarung mit einer Testpflicht als Zutrittsvoraussetzung zum Betriebsgelände im Wege summarischer Prüfung als zulässig angesehen. Daraus wird gemeinhin gefolgert, dass auch Arbeitgeber ihren Beschäftigten gegenüber im Wege des Direktionsrechts weitergehende Vorgaben machen dürfen.
Eine höchstrichterliche Klärung dazu fehlt – wie in vielen der derzeit kontrovers diskutierten Fällen – allerdings bislang.
Bundesweite Pflicht zum Home-Office für Beschäftigte
Gleichsam große Aufmerksamkeit verdient die weitere Aussage in der Pressemitteilung des BMAS: Während die Regelungen zur Erhöhung der Testfrequenz einseitig durch das BMAS in Form einer Änderung der Corona-ArbSchV vorgenommen werden können, soll ein bislang noch in der Verordnung geregeltes Kernelement – das Recht auf Homeoffice – nunmehr ebenfalls im geänderten IfSG formuliert werden.
Zur Erinnerung: Im Januar 2021 hatte das BMAS unter Nutzung der Verordnungsermächtigung in § 18 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) in § 2 Abs. 4 der Corona-ArbSchV ein Recht auf Homeoffice für mit Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten Beschäftigte eingeführt, wenn dem "keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen". Eine Pflicht, der Arbeit im Homeoffice nachzugehen, wurde damit aber nicht begründet.
Auch hier gab es bereits entsprechende Regelungsbemühungen auf Länderebene. So führte Berlin eine Regelung ein, wonach Unternehmen nur noch 50% ihrer Büroarbeitsplätze zeitgleich besetzen dürfen (§ 7a Abs. 1 Zweite SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung Berlin). Einige Fragen blieben dort aber offen – zum Beispiel der Umgang mit Situationen, in denen schlicht mehr als 50% vor Ort arbeiten wollen und der Arbeitgeber diese dann nicht beschäftigen darf.
Homeoffice-Pflicht durch das IfSG
Hier geht der Bund nunmehr einen anderen Weg: Die Regelung zum Homeoffice wird aus der Corona-ArbSchV entfernt und in das neu geänderte IfSG eingefügt. Positiv daran ist zumindest, dass die mit Blick auf den Aspekt der Wesentlichkeitstheorie und den Gesetzesvorbehalt kritisierte Homeoffice-Regelung nunmehr in einem formalen Gesetz geregelt ist. Inhaltlich findet sich in der angenommenen Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drs. 19/28732 v. 20.04.2021 in Verbindung mit BT-Drs. 19/28692 v. 19.04.2021) in § 28 b Abs. 7 IfSG künftig eine Regelung mit folgendem Wortlaut:
"Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. (…)"
Mehr Appell als Rechtspflicht für Beschäftigte
Während der erste Satz der Regelung in der bisherigen Corona-ArbSchV entspricht, handelt es sich bei dem zweiten Satz um eine Neuheit: Beschäftigte sind verpflichtet, ein Homeoffice-Angebot des Arbeitgebers anzunehmen. Der Wortlaut macht aber bereits deutlich, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber jedweden Grund entgegenhalten kann, denn im Vergleich zur arbeitgeberseitigen Verpflichtung findet sich im Wortlaut keine weitere Einschränkung auf nur "zwingende" Gründe.
Der Regelung dürfte damit in der praktischen Handhabe wohl eher appellativer Charakter zukommen. Die Begründung des Gesetzes nennt als Beispiele entgegenstehender Gründe etwa räumliche Enge, Störungen durch Dritte oder unzureichende technische Ausstattung (BT-Drs. 19/28732 v. 20.4.2021, S. 21). Und: Der Arbeitnehmer wird auch nicht damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber zuhause vorbeischaut, um sich von einer behaupteten räumlichen Enge ein eigenes Bild machen zu können. Vielmehr soll nach der Gesetzesbegründung ausreichend sein, wenn der Beschäftigte dies dem Arbeitgeber mitteilt.
Gut gemeint, schlecht gemacht?
Eine Erhöhung der Homeoffice-Quote ist sicherlich ein richtiger Ansatz. Auch die Regelung in einem formellen Gesetz ist begrüßenswert. Inhaltlich überzeugen die Neuregelungen aber nicht.
Arbeitgeber und Unternehmen müssen sich überdies im Wochentakt auf veränderte Regelungen einstellen, die für die benötigte Planungssicherheit von Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsschutzes zwingend notwendig wäre. So bedürfen nahezu alle gesetzgeberischen Änderungen in Betrieben mit Betriebsrat einer entsprechenden Einbindung und Zustimmung dieses Gremiums und der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen, da es sich um mitbestimmungspflichtige Maßnahmen des Gesundheitsschutzes handelt.
Schwer einleuchtend ist zudem, warum eine Testpflicht für Beschäftigte weiterhin nicht vorgesehen ist. Wenn man Schnelltests für ein geeignetes infektionsschutzrechtliches Mittel ansieht, führt eine Steigerung der wöchentlichen Testfrequenz nur dann zum Erfolg, wenn alle mitmachen. Alle meint hier dann aber Unternehmen und Beschäftigte: Angebotene, aber nicht wahrgenommene Tests helfen dem Infektionsschutz in keinerlei Art und Weise, gleich ob man diese einmal, zweimal oder sogar täglich durch den Arbeitgeber anbieten lässt.
Und: Wie auch bisher drohen Unternehmen unmittelbar keine Bußgelder, wenn sie keine Tests oder Homeoffice anbieten.
Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
Verschärfter Infektionsschutz im Betrieb: . In: Legal Tribune Online, 22.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44782 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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