2/2: Schützt eine Adblocker-Sperre die Inhalte von bild.de?
Bild stützt sich auf § 95a Urheberrechtsgesetz (UrhG) - sowohl im Vefahren gegen den Werbeblocker-Anbieter Eyeo als auch bei der Abmahnung des Bloggers, der eine Anleitung zur Umgehung der Sperren auf YouTube veröffentlichte. Die Vorschrift untersagt es, wirksame technische Maßnahme zu umgehen, die ein urheberrechtlich geschütztes Werk schützen sollen.
Die Argumentation mutet ungewohnt bis abenteuerlich an, schließlich war bisher allgemeine Lesart, dass die Vorschrift sich auf den Kopierschutz von zum Beispiel DVDs bezieht. Bild-Vertreter Lehment interpretiert sie indes weiter: "Wir sehen darin eine allgemeine Regelung für den Zugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten". In diesem Fall also die redaktionellen Beiträge, welche Bild.de veröffentlicht. Prof. Dr. Thomas Hoeren, der an der Universität Münster unter anderem zum Internet-Recht forscht, hält die Ansicht für tragfähig.
Mit den naheligenden juristischen Fragen setzt das LG Hamburg sich aber in seiner einstweiligen Verfügung offenbar nicht auseinander. Ob eine Sperre von Werbeblockern dem Schutz dieser Inhalte dienen soll oder nur, wie Medienanwalt Haberkamm meint, dem eines Geschäftsmodells, greift die einstweilige Verfügung nicht auf. Noch interessanter wäre die Frage, ob die Adblocker-Sperre von Bild.de überhaupt eine wirksame technische Maßnahme ist, die dazu bestimmt ist, eine Handlung, die vom Rechteinhaber nicht genehmigt ist, zu verhindern oder einzuschränken.
Bleiben die wichtigen Fragen offen?
Die zweifelhafte Wirksamkeit der Sperre von bild.de wäre, neben dem derzeit nicht ganz eindeutigen Sachverhalt, die zweite Möglichkeit für das Hamburger Gericht, eine Grundsatzentscheidung zu verhindern. Dr. Heike Blank, bei CMS zuständig für die wettbewerbsrechtlichen Fragen der Mandantin Eyeo, erklärt das recht einfach: "Technik und Recht gehen bei der Vorschrift des § 95a UrhG Hand in Hand. Auch eine Cellophanhülle um eine CD herum wäre eine Hürde - aber sie wäre viel zu niedrig und damit keine wirksame Maßnahme im Sinne von § 95a UhrG".
Ähnlich beurteilt sie auch die Werbeblocker-Sperre von Bild.de, die binnen weniger Stunden von unterschiedlichen Personen durch einfache Codes umgangen werden konnte. Auf diesem Weg könnten die spannenden Fragen unbeantwortet bleiben. Professor Thomas Hoeren, der ausdrücklich darauf hinweist, dafür nicht bezahlt zu werden, stellt seine Erwägungen dazu in einem Kommentar auf internet-law.de dar. Er fragt nach der Eignung der Software, nach ihrer Wirksamkeit und auch danach, ob allein das bloße Betrachten am Computer eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung darstellen kann.
In einem Punkt sind Blank und Fringuelli sich einig mit dem Vertreter von bild.de. Die grundsätzliche Frage nach der Zulässigkeit des Einsatzes von Werbeblockern auf redaktionellen Webseiten berühre der aktuelle Wettstreit nicht. Eigentlich.
Die richtigen Fragen, beim falschen Adressaten?
Eyeo habe sich, so Bild-Vertreter Lehment, in den bisherigen Verfahren aber stets auch damit verteidigt, dass der Ausschluss von Nutzern mit Werbeblockern den Verlagen überlassen bleibe - wie es bild.de nun getan hat. Setzt das Unternehmen sich nicht zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch, wenn - unterstellt, das wäre geschehen - auch seine Mitarbeiter mit dafür sorgen, dass eine Anleitung zur Umgehung der Sperre binnen Stunden die Runde macht?
Die Vertreter von Eyeo hüllen sich, nach ihrer Prozessstrategie gefragt, in bedeutungsvolles Schweigen - so sei man bisher verfahren, heißt es. Sie fuhren damit bekanntlich ganz gut.
Pia Lorenz, Adblock Plus, Bild.de und der Kampf um Online-Werbung: . In: Legal Tribune Online, 27.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17335 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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