BGH zu "Bashing" auf Bewertungsportalen: Der Preis der Anony­mität

2/2: "Beweismittel" sollen ausgehändigt werden

Was der Plattformbetreiber alles tun muss, wenn sich ein bewerteter Arzt, Anwalt oder Arbeitgeber beschwert, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Im vom BGH entschiedenen Fall hätte die Bewertungsplattform aber jedenfalls "die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewertenden auffordern müssen, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen."

Damit nicht genug: Der BGH, dem die Hilflosigkeit der Bashing-Opfer offenbar ein Dorn im Auge ist, will die Plattformbetreiber auch zur Aushändigung der "Beweismittel" an den Bewerteten zwingen. Die Vorinstanz hatte noch geurteilt, dass es dem Kläger auf diese Weise anhand seiner Praxisunterlagen unschwer möglich wäre, die Identität des Verfassers der eingestellten Bewertung zu ermitteln. Dies widerspreche den gesetzlichen Vorgaben, denn nach § 12 Abs. 2 Telemediengesetz (TMG) dürfen für die Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verwendet werden, soweit eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Nutzer eingewilligt hat. Eine Weitergabe von solchen Daten an Dritte erfordert damit grundsätzlich das Vorliegen eines der aufgezeigten Ausnahmetatbestände.

Eine Erlaubnis durch Rechtsvorschrift ist jedoch nicht ersichtlich – auch der zivilrechtliche Auskunftsanspruch nach §§ 242, 259, 260 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) scheidet aus, da die Erlaubnisnorm sich ausdrücklich auf Telemedien beziehen muss. Eine Weitergabe von personenbezogenen Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsverletzung kommt damit bislang ohne Einwilligung des Nutzers grundsätzlich nicht in Betracht. An diesem heiklen Punkt setzt der BGH nunmehr zugunsten der Bewerteten den Hebel an und stellt fest, dass zumindest eine generelle Verweigerung der Weitergabe von Daten nicht mehr möglich ist: "Diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, hätte sie an den Kläger weiterleiten müssen." Welche das sein sollen bzw. inwiefern der BGH eine Anonymisierung für möglich erachtet, ist der Pressemitteilung indes nicht zu entnehmen.

Der Schiedsrichter haftet, wenn er sich nicht an die Regeln hält

Die Entscheidung des BGH ist richtig, denn sie ist der einzige Weg, wie Persönlichkeitsrechte von Personen und Unternehmen im Falle von rechtswidrigen Bewertungen gewahrt werden können. Da der Plattformbetreiber über "Herrschaftswissen" verfügt, aber die Identität des Bewertenden nicht verraten darf, ist er in der Pflicht und muss sich als fairer Schiedsrichter betätigen. Macht er dabei Fehler oder hält er Informationen zurück, gerät er selbst in die Haftung. Das ist recht und billig, da sein wirtschaftlicher Verdienst auf den anonymen Bewertungen fußt.

Die Entscheidung des BGH, dass der Portalbetreiber verpflichtet war, bestimmte Daten an den Betroffenen zu übermitteln, kann durchaus auch als Aufforderung an den Gesetzgeber verstanden werden, eine diesbezügliche Erlaubnis durch Rechtsvorschrift zu schaffen, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht. Auf einer solchen Grundlage wäre dann endlich eine juristische Auseinandersetzung auf Augenhöhe möglich, wenn Bewertungen eindeutig Persönlichkeitsrechte verletzen.

Der Autor Dr. Niklas Haberkamm, LL.M. oec. ist Partner der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum in Köln. Er ist spezialisiert auf das Medienrecht und dort insbesondere auf das Reputationsmanagement sowie den Schutz des Unternehmenspersönlichkeitsrechts.

Der Autor David Ziegelmayer ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle in Köln. Er ist als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz spezialisiert auf Äußerungsrecht und Reputationsschutz für Unternehmen.

Zitiervorschlag

David Ziegelmayer und Niklas Haberkamm, BGH zu "Bashing" auf Bewertungsportalen: . In: Legal Tribune Online, 01.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18642 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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