Grundstückseigentümer müssen bei Schäden, die sie beim Nachbarn verursachen, unabhängig von einem Verschulden einen Ausgleich zahlen. Nichts anderes gilt im Verhältnis von Wohnungseigentümern oder ihren Mietern, entschied der BGH am Freitag und setzt damit seine Rechtsprechung konsequent fort, meint Herbert Grziwotz.
Es war ein Wasserschaden, der es bis nach Karlsruhe schaffte, und dem Bundesgerichtshof (BGH) Gelegenheit gab, § 906 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog auch auf das Verhältnis von Wohnungseigentümern und ihren Mietern anzuwenden.
Der Fall ist ein Klassiker: Nachts löste sich in einem ambulanten Operationsraum in einer Eigentumswohnung ein Schlauch, Wasser lief aus und verursachte einen hohen Schaden in der darunter liegenden Praxis, den zunächst die Versicherung des Arztes übernahm und nun vom Mieter der darüber liegenden Räume ersetzt verlangt. Der BGH bejahte die Ersatzpflicht.
Wie zwischen Grundstücksnachbarn bestehe auch zwischen Wohnungseigentümern oder ihren Mietern eine Rechtsgemeinschaft. Das rechtfertige die Übertragung der Grundsätze des nachbarlichen Ausgleichsanspruchs auf diese Konstellation (Urt. v. 25.10.2013, Az. V ZR 230/12).
Ursprünglich gedacht für Beeinträchtigungen durch Staub, Lärm und Laub
Der nachbarliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB betrifft nach seinem Wortlaut eigentlich nur die Entschädigung für Emissionen, die der Nachbar nicht abwehren kann, weil sie ortsüblich sind. Beispiele sind Zementstaub, Lärm von Sportanlagen, Tieren oder Konzerten, und unzumutbar viel Laub, sogenannte unwägbare Stoffe.
Schon 1972 dehnte Karlsruhe diesen Ausgleich auch auf Grobimmissionen aus, also zum Beispiel auf Brände, Explosionen, Erschütterungen, Niederschlags- und Leitungswasser. Außerdem reicht es aus, dass der Geschädigte aus besonderen Gründen nicht in der Lage war, den Schaden abzuwehren.
In diesen Fällen hat der Geschädigte einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch. Dafür muss er nicht nachweisen, wie dies sonst im Schadenersatzrecht der Fall ist, dass der Schädiger schuldhaft gehandelt hat. An einem Verschuldensnachweis scheitern häufig Schadenersatzansprüche. Der Ausgleich ist allerdings der Höhe nach auf einen Ausgleich nach Entschädigungsgrundsätzen wie bei einer Enteignung beschränkt. Er fällt deshalb regelmäßig niedriger aus als ein Schadenersatzanspruch.
Kein Ausgleich bei Gemeinschaftseigentum und Mietern eines Eigentümers
Auf Mieter mit demselben Vermieter im nicht in Eigentumswohnungen aufgeteilten Haus wendet der BGH den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht an. Wenn ein Haus nicht in Eigentumswohnungen aufgeteilt ist, fehle es nämlich an einem von außen kommenden Eingriff in ein fremdes Grundstück. Ebenso sei dies im Verhältnis von Miteigentümern desselben Hauses oder von Gebäuden auf demselben Grundstück (Urt. v. 10.02.2012, Az. V ZR 137/11).
Geht bei Wohnungs- und Teileigentum ein Schaden vom Gemeinschaftseigentum aus, platzt beispielsweise eine im Gemeinschaftseigentum stehende Wasserleitung, besteht ebenfalls keine verschuldensunabhängige Haftung (Urt. v. 21.05.2010, Az. V ZR 10/10). Dagegen soll bei der Zuweisung von Sondernutzungsrechten in Eigentumswohnanlagen eine Situation wie bei Grundstücksnachbarn bestehen und ein Ausgleichsanspruch gerechtfertigt sein (Urt. v. 28.09.2007, Az. V ZR 276/06).
Dogmatisch, nicht aber praktisch verständlich
Die Rechtsprechung zum nachbarlichen Ausgleichsanspruch ist letztlich eine Billigkeitsrechtsprechung. Für Schäden, die ein Grundstücksnachbar und nun auch ein benachbarter Wohnungs- oder Teileigentümer nicht abwehren kann, soll er unabhängig von einem Verschulden eine Entschädigung erhalten.
Um diese Gesetzesanalogie nicht ausufern zu lassen, ist der Immobiliensenat seit einiger Zeit um eine Einschränkung bemüht und beschränkt sie auf Konstellationen, in denen zwei Eigentumsrechte betroffen sind, auch wenn der Schaden letztlich die Mieter der Wohnungen oder Häuser betrifft.
Das ist dogmatisch sauber. Der Mieter eines großen Mietshauses, der in seinem Wohnzimmer plötzlich in Pfützen tritt, wird jedoch wenig Verständnis dafür haben, dass er einen Schaden an seiner Einrichtung nur ersetzt bekommt, wenn seinen Nachbarn ein Verschulden trifft, während im angrenzenden Haus, das aus Eigentumswohnungen besteht, ein Ausgleich unabhängig von einem schuldhaften Handeln geschuldet wird.
Der Autor Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und Kommentator im Wohnungs- und Nachbarrecht.
Herbert Grziwotz, BGH zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9903 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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