Inhaber griechischer Schuldverschreibungen haben durch die Umschuldung 2012 erhebliche Verluste erlitten. Joachim Wieland erläutert, warum der Grundsatz der Staatenimmunität deutschen Urteilen gegen Griechenland entgegensteht.
Wer in den Jahren 2010 und 2011 mitten in der Finanzkrise griechische Schuldverschreibungen erworben hat, war risikogeneigt. Die Gefahr, die mit dem Erwerb verbunden war, hat sich durch die Umschuldung 2012 realisiert, obwohl die Anleihebedingungen keine Umschuldungsklauseln (Collective Action Clauses) enthielten. Ein griechisches Gesetz vom 23. Februar 2012 erlaubte nachträgliche Mehrheitsentscheidungen der Anteilseigner, welche der griechische Ministerrat für allgemeinverbindlich erklären kann.
Genau das mussten die Kläger erleben. Ihre Anleihen wurden nach einer Entscheidung der Mehrheit der Gläubiger um mehr als 53 Prozent abgewertet und deren Laufzeit deutlich verlängert. Dieser Schnitt führte damit zu erheblichen Verlusten bei den Gläubigern Griechenlands. Bislang haben deutsche Gerichte Klagen gegen den griechischen Staat wegen der Umschuldung teils für zulässig, teils für unzulässig gehalten.
Der BGH und die Staatenimmunität
Am Dienstag hat der Bundesgerichtshof (BGH) zu Recht entschieden, dass Klagen deutscher Anleiheinhaber wegen der Staatenimmunität unzulässig seien (Urt. v. 08.03.2016, Az. VI ZR 516/14). Der Grundsatz der Staatenimmunität gehört zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die gemäß Art. 25 Grundgesetz als Bestandteil des Bundesrechtes den Gesetzen vorgehen. Dementsprechend erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit nicht auf souveräne Staaten (§ 20 II Gerichtsverfassungsgesetz).
Die souveräne Gleichheit der Staaten schließt es aus, dass die Gerichte eines Staates über das Handeln eines anderen Staates urteilen. Ausnahmen davon gelten allerdings, wenn der ausländische Staat nicht hoheitlich handelt, sondern sich wirtschaftlich betätigt. Für den BGH kam es deshalb darauf an, ob die Umschuldung durch hoheitliches oder wirtschaftliches Handeln erfolgt ist.
Umschuldung war hoheitliches Staatshandeln
Da die Ausgabe von Anleihen zur Kapitalaufnahme wirtschaftliches Handeln darstellt, auch wenn sich ein Staat Geld verschafft, hielten die Kläger den Weg zu den deutschen Gerichten für eröffnet. Der BGH hat aber richtiger Weise darauf abgestellt, dass die Umschuldung auf dem griechischen Gesetz und dem Beschluss des Ministerrates beruht. Sowohl das Gesetz des griechischen Parlaments als auch der Ministerratsbeschluss sind hoheitliche Staatsakte.
Der Mehrheitsbeschluss der Gläubiger allein, dem keine hoheitliche Wirkung zugekommen ist, hätte für die Umschuldung nicht ausgereicht, weil die Anleihen ursprünglich ohne Umschuldungsklauseln ausgegeben worden waren, so der BGH. Erst die hoheitliche Erklärung des Ministerrates hat die Umschuldung und das Eingreifen der Staatenimmunität bewirkt.
Das enttäuschte Vertrauen
Die Umschuldung hat Griechenland zwar in der konkreten Notsituation geholfen. Das Vertrauen in die Verlässlichkeit des Landes als Schuldner hat diese Maßnahme aber nicht gestärkt. Die Finanzierungskosten Griechenlands sind in der Folge gestiegen. Nach dem Urteil des BGH in dem Pilotverfahren steht nun für deutsche Anleihegläubiger endgültig fest, dass sie vor deutschen Gerichten keine Ersatzansprüche gegen Griechenland durchsetzen können. Auch der Versuch, in Griechenland zu klagen, dürfte zwar zulässig sein, den Betroffenen aber kaum zu ihrem Geld verhelfen.
Prof. Dr. Joachim Wieland lehrt Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.
Joachim Wieland, Umschuldung griechischer Staatsanleihen: . In: Legal Tribune Online, 09.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18721 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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