BGH zu Transportkostenvorschuss: Auf Kosten des Ver­käu­fers zur Nach­er­fül­lung

von Dr. Gerald Gräfe

20.07.2017

2/2: Umfangreiche und teure Folgen

Mit dieser Entscheidung bürdet der BGH dem Verkäufer nicht nur unerhebliche Risiken in der Gestalt auf, dass der Vorschuss bereits aufgrund eines behaupteten Mangels zu gewähren ist. Der Verkäufer trägt zudem auch das Prozess- und Insolvenzrisiko im Rückforderungsfall. Sofern der Verkauf – wie auch im vorliegenden Fall – über eine Internetplattform vermittelt wurde, könnte der Verkäufer, wenn die Sache doch nicht mangelhaft ist, unter Umständen genötigt sein, später Rückforderungsansprüche gegen einen nicht solventen Käufer an dessen Sitz im Ausland einklagen und vollstrecken zu müssen.

Hinzu kommt, dass § 439 BGB nicht auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt ist. Überträgt man die Entscheidung auf einen Automobilzulieferer, der ein auf aller Welt zehntausendfach verbautes Teil vertrieben hat, so könnte sich im Falle eines auch nur angeblichen Serienfehlers der "nicht ersichtlich unangemessene Anspruch auf Kostenvorschuss" im Bereich von mehreren hunderttausend Euro bewegen und zwar ohne dass wirklich klar ist, ob überhaupt ein Mangel vorliegt.

Zwar kann der Verkäufer – wie der BGH beiläufig bemerkt – auch eine Untersuchung der (angeblich) mangelhaften Sache am Belegenheitsort durchführen. Stellt sich dabei aber heraus, dass kein Mangel vorliegt, hat der Verkäufer seinerseits Kostenerstattungsansprüche nur in Form eines Schadensersatzanspruches. Dieser wiederum setzt voraus, dass der Käufer hätte erkennen müssen, dass kein Mangel vorliegt. Das jedoch dürfte gerade bei komplexen Produkten wie etwa Autos eher selten der Fall sein.

Verkäufer kann sich nur schlecht absichern

Über einen verschuldensunabhängigen Kostenerstattungsanspruch in den Verkaufs- und Lieferbedingungen kann sich der Verkäufer auch nicht absichern. Vor dem Hintergrund drohender Vorschussansprüche werden sich Verkäufer künftig vielleicht genötigt sehen, eine Untersuchung am Belegenheitsort durchzuführen, was ebenfalls kostet.

Auf den konkreten Einzelfall bezogen mag die Entscheidung des BGH zwar gerecht erscheinen. Die Überbürdung weiterer Risiken auf den Verkäufer liegt vor dem Hintergrund der Gesetzesänderung zur Tragung der Ein- und Ausbaukosten im Rahmen der Nacherfüllung zum 01.01.2018 auch im Trend. Allerdings ist fraglich, ob dies außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs tatsächlich immer zu gerechten Ergebnissen führt, wenn eine vertragliche Absicherung in Standardverträgen kaum möglich ist.

Der Autor Dr. Gerald Gräfe ist Rechtsanwalt und Partner bei CMS in Deutschland und berät Mandanten zu allen Fragen im Bereich Einkauf, Produktion und Vertrieb mit einem Schwerpunkt im Bereich Automotive.

Zitiervorschlag

BGH zu Transportkostenvorschuss: . In: Legal Tribune Online, 20.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23525 (abgerufen am: 06.11.2024 )

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