Ein Vermieter darf seinem sozialhilfeberechtigten Mieter auch dann kündigen, wenn das Sozialamt ohne dessen Verschulden den Mietzins nicht überwiesen hat. Das entschied der BGH am Mittwoch. Und nahm dabei Bezug auf einen guten alten Grundsatz, erläutert Dominik Schüller. Juristisch umschrieben: den der unbeschränkten Vermögenshaftung.
Mit seiner Entscheidung vom Mittwoch (Urt. v. 03.02.2015, Az.: VIII ZR 175/14) bleibt der Bundesgerichtshof (BGH) einem Grundsatz treu, den bereits Jurastudenten in den ersten Semestern lernen: "Geld hat man zu haben".
Der sozialhilfeberechtigte Mieter kann sich in einem Kündigungsfall nicht gegenüber seinem Vermieter darauf berufen, dass er seine Miete nicht gezahlt hat, weil das Sozialamt die Sozialleistungen verspätet bewilligt habe. Die Erfüllung der Mietschuld fällt alleine in den Verantwortungsbereich des Mieters, so der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat
Eine erste Kündigung wurde geheilt
Der sozialhilfeberechtigte Mieter, dessen Fall es nun bis nach Karlsruhe schaffte, lebte seit 2010 in seiner Wohnung. Die Miete zahlte das Jobcenter.
Bereits 2013 kam es zur ersten fristlosen Kündigung, als der Mieter die von diesem erhaltenen Gelder nicht mehr an den Vermieter weiterleitete. Um zu vermeiden, dass der Mieter obdachlos würde, erklärte sich die Behörde nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bereit, die aufgelaufenen Mietschulden bis Juni 2013 zu übernehmen. Die Kündigung wurde geheilt und das Mietverhältnis bestand unverändert fort.
Zum Monat Juli 2013 kam es offenbar zu einem Zuständigkeitswechsel für die Sozialleistungen. Der Mieter beantragte daraufhin bei dem nun für ihn zuständigen Sozialamt Sozialhilfe und die Übernahme der Wohnungskosten. Sein Antrag wurde aber abgelehnt.
Im einstweiligen Verfügungsverfahren, aber erst fast ein Jahr später, verpflichtete das Sozialgericht den Sozialhilfeträger im April 2014 zur Zahlung rückständiger Mieten von September 2013 bis Juni 2014. Allerdings hatte der Vermieter in der Zwischenzeit wegen der von Oktober 2013 bis März 2014 erneut aufgelaufenen Rückstände die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärt und Räumungsklage eingereicht. Vor dem Amts- und Landgericht hatte er hiermit Erfolg.
Geld hat man zu haben
Auch der BGH bliebt am Mittwoch hart und wies die Revision des Mieters zurück. Die Kündigung sei berechtigt, der Mieter müsse daher die Mieträume räumen und an den Vermieter herausgeben.
Dass der Mieter nur deshalb nicht habe zahlen können, weil das Sozialamt seinen Antrag unberechtigt abgelehnt habe, ändere an diesem Ergebnis nichts, so die Zivilrichter. Dies falle in den Verantwortungsbereich des Mieters, der sich das Verschulden des Sozialleistungsträgers nach § 276 BGB zurechnen lassen müsse.
Wer einem Dritten Geld schulde, müsse mit seinem gesamten Vermögen haften und ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einstehen. Der Senat selbst umschreibt das lapidar: "Geld hat man zu haben". Dieses Prinzip gelte auch für Mietschulden, ohne dass es einer weiteren Abwägung bedürfe. Die in § 543 Abs. 2 BGB genannten Fälle, unter anderem die Nichtzahlung des Mietzinses, stellten gesetzlich typisierte Fälle dar, in denen es dem Vermieter nicht zuzumuten ist, das Mietverhältnis fortzusetzen.
Nur ein Fehler ist erlaubt – egal, wer ihn macht
Zum Verhängnis geworden ist dem Mieter in diesem Fall, dass er die mietrechtliche Schonfrist bereits wenige Monate zuvor, und das offenbar schuldhaft, ausgenutzt hatte. Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB kann der Mieter lediglich einmal in zwei Jahren einem Mietrückstand nach einer Kündigung vollständig ausgleichen und damit das Mietverhältnis retten.
Hätte es sich um die erste Nichtzahlung gehandelt und das Sozialamt die Kündigung durch Zahlung der aufgelaufenen Rückstände heilen können, wäre der Fall wohl nicht zum BGH gekommen. Ob der Mieter beim zweiten Mal "schuldlos" war, ist nicht erheblich, das macht der BGH sehr deutlich.
Es wird jedoch auch Fälle geben, in denen allein aufgrund von Behördenverschulden mehrfach innerhalb von zwei Jahren Mietrückstände auflaufen, , ohne dass der Mieter hierauf tatsächlichen Einfluss hat. Nicht zuletzt die öffentliche Meinung wird die Rechtmäßigkeit einer hierauf beruhenden Kündigung als ungerecht empfinden. Dies nimmt der Senat jedoch in Kauf, indem er sozialhilfeberechtigte Mieter nicht anders behandelt als Selbstzahler. Für ein anderes Ergebnis bedürfte es allerdings einer anderen gesetzlichen Regelung.
Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Immobilienrechtskanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin und twittert zu immobilienrechtlichen Fragen unter https://twitter.com/ra_schueller.
Dominik Schüller, Hartz-IV-Empfänger muss Wohnung räumen: . In: Legal Tribune Online, 04.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14584 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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