BGH zum WEG-Recht: Kein Anspruch auf Fahr­stuhl im Alter

2/2: Anspruch nur auf Rollstuhlrampe und Treppenlift

Die Entscheidung spielt wegen des demographischen Wandels eine erhebliche Rolle, da viele ältere Wohnungseigentumsanlagen nicht übereinen Aufzug verfügen und es für hochbetagte Eigentümer, insbesondere auch nach Einkäufen, kaum mehr ist, in ihre Wohnungen in den oberen Stockwerken zu gelangen.

Die Wohnungseigentümer können zwar über den Aufzugseinbau einen Beschluss in der Eigentümerversammlung fassen. Grundsätzlich fallen nämlich Maßnahmen der Barrierefreiheit einschließlich des Aufzugseinbaus unter eine Modernisierung. Hierfür ist aber ein Beschluss mit einer Mehrheit von drei Viertel aller, nicht nur in der Versammlung anwesenden stimmberechtigten Wohnungseigentümer nach Köpfen und von mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile erforderlich.

Wird die Maßnahme mit dieser qualifizierten Mehrheit in der Versammlung beschlossen, sind alle Eigentümer hieran gebunden und auch verpflichtet, die Kosten mitzutragen. Allerdings hat der einzelne Eigentümer, der hiervon betroffen ist, keinen eigenen Anspruch auf diese Beschlussfassung. Entscheidet sich die Mehrheit der (noch jungen) Wohnungseigentümer gegen den Einbau des Aufzugs, so kann der alt gewordene Seniorenwohnungseigentümer im obersten Stockwerk den Aufzugseinbau nicht durchsetzen, selbst wenn er die Kosten selbst übernimmt.

Der Neueinbau eines Aufzugs kann als bauliche Veränderung nach derzeitiger Rechtslage nur verlangt werden, wenn sämtliche Eigentümer zustimmen, die von der Maßnahme betroffen sind. Nach der Entscheidung des BGH steht fest: Widerspricht auch nur einer der Wohnungseigentümer, kann er die Maßnahme verhindern. Und zwar selbst dann. wenn die Kosten der Maßnahme denjenigen auferlegt werden, die sie wünschen oder ihr zustimmen.

Eine Ausnahme macht der BGH nur für eine Rollstuhlrampe und für einen Treppenlift. Allerdings dürfte ein Treppenlift, jedenfalls wenn er rollstuhlgeeignet ist, die anderen Eigentümer kaum weniger beeinträchtigen. Insofern ist die Entscheidung in sich nicht ganz schlüssig.

Reform geplant: Keine Zustimmung mehr zu behindertengerechter Nutzung

Um künftig zu vermeiden, dass ein einzelner Wohnungseigentümer eine Maßnahme der Barrierefreiheit verhindern kann, hat der Bundesrat eine Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes zur Förderung der Barrierefreiheit und Elektromobilität (BR-Drs. 340/16) initiiert. Sie sieht vor, dass die betroffenen Wohnungseigentümer baulichen Veränderungen für eine behindertengerechte Nutzung des Sonder- und Gemeinschaftseigentums nicht zustimmen müssen, wenn ein berechtigtes Interesse an einer Maßnahme besteht und diese nicht die Eigenart der Wohnanlage ändert.

Es darf auch kein überwiegendes Interesse der anderen Eigentümer an der unveränderten Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums oder der Wohnanlage geben. Das betrifft vor allem Maßnahmen, welche die Benutzbarkeit für die anderen Wohnungseigentümer einschränken würden, also beispielsweise eine Verengung des Treppenhauses, dies es unmöglich machen würde, Möbel zu transportieren.

Für das Maß der Beeinträchtigung kommt es nicht auf die Empfindlichkeit der jeweiligen konkreten Wohnungseigentümer, sondern auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittseigentümers der betreffenden Anlage an. Damit hilft die Regelung vor allem alten Menschen, die auf die altersbedingte Umgestaltung angewiesen sind, um nicht ihre Wohnung verkaufen und in ein Pflegeheim oder eine Einrichtung des Betreuten Wohnens wechseln zu müssen.

Der BGH  hat die Rechte der alters- oder körperbehinderten Eigentümer und ihrer Mitbewohner entsprechend der derzeitigen Rechtslage gegenüber den Interessen der anderen Eigentümer als weniger gewichtig angesehen. Erst die WEG-Reform wird hier Erleichterungen  im Sinne einer „wohnungseigentumsrechtlichen Inklusion“ bringen. Bis dahin müssen betagte oder behinderte Bewohner noch damit leben, dass ihre Kaufentscheidung in jungen und gesunden Jahren falsch war.

Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und kommentiert das WEG.

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Herbert Grziwotz, BGH zum WEG-Recht: . In: Legal Tribune Online, 13.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21770 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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