BGH zu ungenehmigter Nutzung von Interviewausschnitten: Die Unschuld von Fuß­bal­ler­frauen und Fern­seh­sen­dern

von Johannes Schäufele

17.12.2015

Ein Privatsender hat vom Konkurrenten ungenehmigt Ausschnitte aus dessen Exklusivinterview übernommen. Auf die vielfältigen Probleme, die der BGH in diesem vermeintlich klaren Sachverhalt sieht, geht Johannes Schäufele ein.

Am 17.12.2015 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil zur Übernahme von Ausschnitten aus Exklusivinterviews in einer anderen Fernsehsendung gesprochen (Az. I ZR 69/14). Zugrunde lag eine Geschichte, die der Boulevardjournalist nicht besser hätte erfinden können: Die Exfrau von Lothar Matthäus weint sich exklusiv vor der Kamera über ihre an den Ex-Fußballstar verlorene Unschuld aus, die von ihr nicht etwa verkauft, sondern verschenkt worden sei. Kein Wunder also, dass der Fernsehsender, der an dieses Exklusivinterview gelangte, diese Bilder um jeden Preis schützen wollte: Die mediale Aufmerksamkeit und der finanzielle Wert sind oftmals nicht unerheblich.

Ob dies gelungen ist, bleibt nach der heutigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen, abzuwarten. Die Frage, ob durch die Entscheidung die Rechte der Sendeunternehmen an einer Fernsehsendung gestärkt oder geschwächt wurden, muss aktuell ebenfalls mit einem "Unentschieden" beantwortet werden.     

Die streitgegenständlichen Exklusivinterviews hatte der klägerische Sender am 26.07.2010 und 02.08.2010 in seiner Sendung "Stars & Stories" gesendet. Die Beklagte, ebenfalls ein Fernsehsender, bemühte sich zunächst um eine Zustimmung der Klägerin zur Übernahme von Schlüsselszenen aus diesen Interviews, verwendete diese aber nach der Ablehnung der Klägerin einige Tage später nichtsdestotrotz.

Widerrechtlicher Eingriff diskutabel

Daraufhin machte die Klägerin gerichtlich Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Ersatz von Abmahnkosten sowie die Feststellung einer Schadensersatzpflicht gegen die Beklagte geltend. Das Landgericht Hamburg hatte der Klage in der ersten Instanz im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten vor dem Oberlandesgericht blieb ohne Erfolg.

Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass das urheberrechtliche Leistungsschutzrecht an der Sendung aus § 87 Abs. Nr. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) durch die Übernahme der Ausschnitte schuldhaft verletzt worden sei.

Dem ist der BGH teilweise entgegengetreten. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen nach Ansicht des Senats für die Annahme der Widerrechtlichkeit des Eingriffs nicht aus. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Beklagte auf ihr Zitatrecht aus § 51 UrhG berufen kann.

Die Übernahme der Ausschnitte ist jedoch nicht durch die Ausnahmevorschrift des § 50 UrhG zur Berichterstattung über Tagesereignisse gerechtfertigt.

Geschützte Leistung darf nicht selbst Gegenstand der Berichterstattung sein

§ 50 UrhG erklärt die Nutzung von Werken durch Dritte zum Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit sowie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig. Die Vorschrift soll die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Geschehnisse des gesellschaftlichen oder sozialen Lebens, die für die Öffentlichkeit von Interesse sind, in den Fällen, in denen Berichterstattern oder deren Auftraggebern eine rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmung des Rechtsinhabers nicht möglich oder nicht zumutbar ist, gewährleisten. Vorausgesetzt ist, dass die geschützte Leistung – also die Interviewsendung – im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar wird.

Nach Ansicht des BGH war es der Beklagten möglich und zumutbar, vor der Übernahme der Interviewausschnitte um die Zustimmung der Klägerin zu ersuchen.

Darüber hinaus hat der BGH klargestellt, dass eine Berichterstattung, die die urheberrechtlich geschützte Leistung selbst zum Gegenstand hat, nicht von der Ausnahmevorschrift des § 50 UrhG erfasst ist. Die Leistung muss bei der Berichterstattung über ein anderes Ereignis wahrnehmbar werden beziehungsweise in Erscheinung treten. Die geschützte Leistung der Klägerin ist das ursprünglich ausgestrahlte Interview. Gerade dieses Interview selbst wurde indes zum Gegenstand der Sendung der Beklagten und damit auch deren Berichterstattung. Dadurch tritt das verwendete Interview nicht bei einem anderen Ereignis in Erscheinung, sondern wird selbst zum Gegenstand der Berichtserstattung im Sinne des § 50 UrhG.

Diese Frage hatte die Vorinstanz noch offengelassen und seine Entscheidung allein auf die Zumutbarkeit der Einholung der Zustimmung gestützt.

Zitatrecht auch ohne ausführliche Auseinandersetzung mit den Inhalten

Hinsichtlich des Zitatrechts aus § 51 UrhG, das dem Allgemeininteresse an einer offenen, geistigen Auseinandersetzung mit Werken dient, ist der BGH indes der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gefolgt.

Die Vorschrift erlaubt die Übernahme von geschützten Leistungen, wenn diese als Erörterungsgrundlage für eigene Ausführungen des Zitierenden dienen. Nicht erforderlich ist es nach Ansicht des BGH jedoch, dass sich der Zitierende in erheblichem Umfang mit dem übernommenen Werk auseinandersetzt. Das Berufungsgericht hatte insoweit ausgeführt, dass es im Rahmen einer vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen den Interessen des Zitierenden und Zitierten aufgrund der besonderen Bedeutung der ausgewählten Stellen des Interviews einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesem bedurft hätte. Weiter ist der BGH der Ansicht der Vorinstanz entgegengetreten, dass das Zitatrecht ausscheide, weil die umfassende kommerzielle Verwertung des Exklusivinterviews wesentlich erschwert würde.

Gerade diese Erwägung hatte die Vorinstanz wesentlich in ihre Interessenabwägung einfließen lassen. Der BGH führt insoweit aus, dass den Entscheidungsgründen des Oberlandesgerichts nicht zu entnehmen sei, warum gerade die übernommenen Szenen von maßgeblicher Bedeutung sind. Außerdem müsse geklärt werden, ob in diesem Falle die Fernsehzuschauer, die die Sendung der Beklagten und die in dieser gezeigten Interviewausschnitte gesehen haben, ein Interesse an der Sendung der Klägerin verlieren und aus diesem Grund nicht mehr ansehen.

Für die zwei beteiligten Sender des Verfahrens werden durch die Entscheidung des BGH die Uhren noch einmal zurückgedreht. Ein klarer Sieger ist damit noch nicht auszumachen.

Der Autor Johannes Schäufele ist Rechtsanwalt bei SKW Schwarz in München im Bereich Medien- und Entertainmentrecht.

Zitiervorschlag

BGH zu ungenehmigter Nutzung von Interviewausschnitten: . In: Legal Tribune Online, 17.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17909 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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