Kauf- und Werkvertrag: Streit um fiktiven Schadensersatz
Im November gab es eine vielbeachtete Entscheidung des VII. Zivilsenats, obwohl der eigentlich bloß bei seiner Rechtsprechung blieb. Und dennoch sollten dieses Urteil neben den Praktikern aus der Bau- und Architektenbranche auch Juristinnen und Juristen in Ausbildung unbedingt kennen, denn es geht um Grundlagen des deutschen Schadensersatzrechts.
Der Ausgangspunkt ist ein Grundsatzurteil des VII. Zivilsenats aus dem Jahr 2018, das seitdem Rechtsprechung und Lehre beschäftigt. Der Baurechtssenat entschied damals, entgegen seiner bis dahin ständigen Rechtsprechung sei es im Werkvertragsrecht nicht mehr zulässig, den Anspruch auf Schadensersatz wegen Mängeln am Bauwerk anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten (sog. fiktiven) Mängelbeseitigungskosten zu bemessen. Das war an sich schon bemerkenswert genug.
Hinzu kam aber nun, dass das Urteil eine Diskussion in Gang brachte, was das für das Kaufrecht bedeutet. Denn während der Baurechtssenat seine geänderte Rechtsauffassung mit den Besonderheiten des Werkvertragsrechts begründete und daher auch keinen Anlass für eine Vorlage an den Großen Zivilsenat sah, diskutierten nun große Teile der Literatur und der Instanzrechtsprechung eine Übertragbarkeit auf den Kauf- und Mietvertrag und sogar auf deliktische Schadensersatzansprüche. Könnte es zu der vom Baurechtssenat befürchteten Überkompensation durch eine fiktive Schadensersatzberechnung nicht auch außerhalb des Werkvertragsrechts kommen? Der für das Kaufrecht zuständige V. Senat wollte am fiktiven Schadensersatz festhalten, meinte aber auch, Kauf- und Werkvertragsrecht sollten diesbezüglich gleichlaufen. Und weil die kaufrechtliche Rechtsprechung sich auf die ehemalige zum Werkvertragsrecht stützt, fragten sie beim Bausenat an, ob dieser an seiner gerade erst geänderten Rechtsprechung festhalte. Dessen Antwort fiel im November denkbar deutlich aus.
Die Rechtsfrage der Schadensbemessung finde sich nicht ohne Grund im besonderen und nicht im allgemein Teil des Schuldrechts, so der Bausenat. Die Sach- und Rechtslage beim Kauf- und beim Werkvertrag sei aus gleich mehreren Gründen nicht miteinander vergleichbar, die Risikoverteilung völlig unterschiedlich und eine unterschiedliche Behandlung damit kein Problem. Das letzte Wort ist damit nicht gesprochen: Der Kaufrechtssenat muss nun entscheiden, ob er dennoch daran festhält, dass die Änderung im Werkvertragsrecht für seinen kaufrechtlichen Fall entscheidungserheblich ist. Dann müsste er die Rechtsfrage dem Großen Zivilsenat vorlegen.
Sollte man kennen: . In: Legal Tribune Online, 23.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43829 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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