2/2: Hohe Resonanz der freiwilligen Dozenten
Eine Unterrichtseinheit dauert drei Stunden und wird am Stück abgehalten. Nach den anfangs eingelegten Pausen wären einige Teilnehmer nicht wieder zum Unterricht zurückgekehrt. Das Geschlecht der Dozenten wirke sich – entgegen der Erwartungen – nicht auf die Teilnehmerzahl aus, so Andreß. Man habe in den bisherigen Veranstaltungen alle Kombinationen ausprobiert. Egal ob weiblich, männlich oder - im Falle eines Dozentenpaares - gemischt: Die zunächst befürchtete kulturell bedingte Ablehnung weiblicher "Lehrerinnen" habe keinen ersichtlichen Einfluss auf die Teilnehmerzahl. "Vielmehr scheint ein Problem zu sein, dass manche Flüchtlinge mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht in ihren Heimatländern negative Erfahrungen gemacht haben und deshalb auch erst einmal der deutschen Justiz gegenüber Vorbehalte haben", sagt Andreß.
Da es sich beim bayerischen Rechtsbildungsunterricht um ein Projekt der Justiz handelt, war der Kreis der potentiellen Dozenten von vornherein auf Justizangehörige beschränkt. Probleme, ausreichend freiwillige Lehrer zu finden, hatte Andreß deshalb aber nicht. Im Gegenteil: "Per Mail wurde ein Aufruf gestartet. Für die mindestens 10 vorgesehenen Unterrichtseinheiten bis Ostern haben sich 230 Richter, Staatsanwälte und Rechtspfleger gemeldet. Und alle, die bisher eine Lehrveranstaltung gegebenen haben, sagten gleich, dass sie es jederzeit wieder tun würden." Die 130 Euro Honorar hätten die meisten auch nur unter der Erklärung angenommen, das Geld gleich wieder zu spenden.
Bis zu 30 Teilnehmer pro Kurs
Der Lehrplan steht, Helfer und Dozenten sind gefunden – fehlen nur noch die Schüler. Um an die heranzukommen, bedurfte es zusätzlichen Aufwands, sagt Andreß: "Es war besonders wichtig, die Sozialdienste und ehrenamtlichen Helfer vor Ort mit einzubeziehen. Diese Menschen arbeiten täglich sehr eng mit den Flüchtlingen zusammen und können die beste Überzeugungsarbeit leisten, unser Lehrangebot wahrzunehmen. Sie schaffen die Vertrauensgrundlage, die der Rechtsbildungsunterricht braucht." Zusätzlich werden im Vorfeld der Veranstaltungen mehrsprachige Werbeplakate aufhängt. Die Kurse beginnen aus "taktischen Gründen" immer nachmittags um halb drei: Vormittags sind die Bewohner entweder noch gar nicht aufgestanden, bereits in der Stadt oder nehmen andere Angebote wie etwa Sprachkurse in Anspruch.
Die Kosten für den Rechtsbildungsunterricht trägt die Justiz selbst. Sie sind nicht gering, da neben Honoraren und Reisekosten der Dozenten sowie benötigten Unterrichtsmaterialien vor allem die Ausgaben für Dolmetscher hoch sind. Nach dem Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz erhalten diese rund 75 Euro pro Stunde. Auch ist nicht sicher, ob die Räumlichkeiten weiterhin so günstig verfügbar sein werden, wenn das Angebot in Zukunft etwa an Berufsschulen und Erstaufnahmeeinrichtungen anstelle von Gemeinschaftsunterkünften stattfinden werden soll.
Lohnt der Aufwand? Andreß ist davon überzeugt: "Für ein so junges Projekt erreichen wir bereits Teilnehmerzahlen von bis zu 30 Personen pro Kurs. Auch das Feedback zeigt, dass die Flüchtlinge die Inhalte begreifen und verinnerlichen. Sie realisieren, dass wir ihnen ein sehr hilfreiches Extra-Angebot machen." Für Ostern ist eine Evaluierung geplant. Sollte das Projekt dann ausgeweitet werden, wird es zumindest am Engagement der Münchner nicht mangeln.
Marcel Schneider, Rechtsbildungsunterricht für Flüchtlinge in Bayern: . In: Legal Tribune Online, 17.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18486 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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