Die bayerische Justiz bietet Rechtsbildungsunterricht für Flüchtlinge. Richterin Monika Andreß organisiert das Angebot in München. Welchen Schwierigkeiten sie begegnet und warum sie trotzdem von dem Projekt überzeugt ist, erzählte sie LTO.
Anfang November 2015 stellte der bayerische Justizminister Winfried Bausback den Rechtsbildungsunterricht für Flüchtlinge im Freistaat vor. Eine gut gemeinte Idee, deren Umsetzung den Gerichten und Staatsanwaltschaften vor Ort übertragen wurde. Dabei wurde ihnen weitestgehend freie Hand gelassen: Viel mehr als ein rudimentäres Vorgabenskelett, wie der Unterricht in etwa abzulaufen habe, gab es seitens des Ministeriums nicht. Einzelfragen sollen die Organisatoren mit der Bezirksregierung klären. Ansonsten müssen sie selbst sehen, wie sie das Projekt verwirklichen.
Für den Raum München liegt diese Verantwortung bei Richterin am Amtsgericht Monika Andreß: "Wir hatten etwa drei Wochen Zeit für die Planung, bereits in der letzten Januarwoche haben wir die erste Unterrichtseinheit abgehalten." Dadurch, dass es nur sehr wenige Vorgaben gibt, seien verschiedene Ansätze möglich, die man bis Ostern ausprobieren wolle. Die ersten Lehrveranstaltungen seien in Gemeinschaftsunterkünften gehalten worden, "weil dort die Menschen mit besserer Bleibeperspektive untergebracht sind", so Andreß.
Die Richterin knüpfte in der Vorbereitungsphase notwendige Kontakte und sorgt seit dem Start des Projekts gemeinsam mit ihrer Kollegin Susanne Stotz dafür, dass bei jeder Unterrichtseinheit alle Rädchen ineinander greifen. So erfragen sie bei der Regierung Oberbayern, wo die Unterkünfte von relevanter Größe liegen und wie sich die Zusammensetzung der Bewohner gestaltet. Dozenten müssen eingeteilt und Fahrer damit beauftragt werden, die notwendigen Materialien zu liefern und den "Klassenraum" vorzubereiten. Dann wird der Lehrplan abgestimmt.
Individualisierter Unterricht an jedem Standort
Der Unterricht soll gemäß Ministeriumsvorgaben die vier Module "Basiskurs", "Zivilrecht", "Familienrecht" und "Strafrecht" beinhalten. Den Basiskurs mit Themen wie Demokratie, Gleichberechtigung von Mann und Frau und Verfassung enthalten die Münchner Unterrichtseinheiten immer. Andreß und ihr Team haben sich dazu entschieden, je nach Zusammensetzung der Bewohner bestimmte Module intensiver zu behandeln. So lernte etwa eine überwiegend junge Schülergruppe anhand des Beispiels eines Handyvertrags, wie man nach deutschem Zivilrecht Verträge schließt und welche Konsequenzen dies hat.
Die Dozenten referieren auf Deutsch, während ein Simultandolmetscher in die in der Unterkunft am häufigsten vertretenene Sprache übersetzt. "Ziel ist, so viele Teilnehmer wie möglich zu erreichen", sagt Andreß, "und wir wollen uns steigern, wo wir können." Außer den bunt zusammengewürfelten Ethnien und deren unterschiedlichen Sprachen erschwert auch die vergleichsweise hohe Zahl von Analphabeten unter den Bewohnern den Unterricht. Deshalb sei eine non-verbale Unterstützung wünschenswert, etwa durch erklärende Videoclips, die man wie den Kurzfilm des Ministeriums parallel zum Unterricht an die Wand projizieren könnte. Derzeit gibt es stichpunktartige Handouts für alle Teilnehmer.
Marcel Schneider, Rechtsbildungsunterricht für Flüchtlinge in Bayern: . In: Legal Tribune Online, 17.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18486 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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