Im Oktober blieb der Vorgang noch eher unbemerkt, nun erhalten tausende Bundesbürger von ihrer Bank ein freundliches Schreiben. Es weist darauf hin, dass die mindestens geschützte Spareinlage pro Kunde in den nächsten 14 Jahren um sage und schreibe 75 Prozent gekürzt wird. Verlassen die Ratten das sinkende Schiff, fragt kritisch Herbert Grziwotz.
In Deutschland sind private Gelder so gut abgesichert wie kaum irgendwo sonst auf der Welt. Nicht erst Angela Merkel garantierte vor dem Hintergrund der Eurokrise schon mehrfach, dass die Spareinlagen der Deutschen sicher seien. Auch die deutschen Banken werben seit Jahren damit, dass die Guthaben der Sparer ausgezahlt werden – auch wenn die Bank pleite geht.
Nun aber setzt der Bundesverband der privaten Banken e. V. (BdB) seinen Beschluss vom Oktober letzten Jahres um, nach dem die Einlagensicherung ab 2015 bis zum Jahr 2025 schrittweise zurückgefahren wird. Die bisher garantierte Summe wird dabei um sage und schreibe 75 Prozent, also auf nur noch ein Viertel der bisherigen Einlagensicherung herabgesetzt.
100.000 Euro sichert der Staat
Bei der Pleite des Kölner Bankhauses Herstatt im Jahr 1974 büßten tausende Anleger ihre Ersparnisse ein. Eine gesetzliche Sicherungseinrichtung gegen solche Totalverluste existiert erst seit 1998.
Nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) müssen die deutschen Banken, also diejenigen, die ihren Hauptsitz im Inland haben, der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB) angehören. Maximal 100.000 Euro pro Einleger schützt das Gesetz, was Guthaben auf Girokonten, Sparbücher und Termingelder angeht. Anders werden beispielsweise Inhaberschuldverschreibungen behandelt.
Die EdB ist eine hundertprozentige Tochter des Bundesverbandes deutscher Banken eV. Die beliehene Unternehmerin steht unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistung und erhebt jährlich Beiträge von ihren Mitgliedern, die in ein Sondervermögen fließen.
Sie ist verpflichtet, die Mittel unter dem Gesichtspunkt der Risikomischung so anzulegen, dass eine möglichst große Sicherheit und ausreichende Liquidität der Anlagen bei angemessener Rentabilität gewährleistet sind.
Feuerwehrfonds: Freiwillige Einlagensicherung ohne Rechtsanspruch
Die privaten Banken gehen über die per Gesetz gesicherten 100.000 Euro noch hinaus. Der Einlagensicherungsfonds deutscher Banken, landläufig auch Feuerwehrfonds genannt, beginnt dort, wo die Sicherung durch die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken aufhört.
Er sichert Guthaben einschließlich der angefallenen Zinsen pro Anleger bis zu einer Höhe von 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals der Bank. Selbst kleine Banken mit einem Eigenkapital von nur 10 Millionen Euro sagen die Einlagen somit pro Kunde bis zu einer Höhe von 3 Millionen Euro zu. Bei einem Bankencrash bedeutet das für die meisten Kontoinhaber einen praktisch vollständigen Schutz ihrer Ersparnisse.
Anders als bei der gesetzlichen Sicherung hat der Anleger allerdings keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Der BdB begründet das damit, dass der Fonds anderenfalls eine Versicherung wäre. "Es fiele unter anderem Versicherungssteuer an und das Verfahren würde nicht nur komplizierter, sondern auch teurer. Deshalb hat der Bankenverband bei Gründung des Fonds – in enger Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium und der zuständigen Aufsicht – darauf verzichtet, einen Rechtsanspruch festzuschreiben".
Crasht eine große Bank und springt nicht der Steuerzahler wegen deren Systemrelevanz ein, reichen die Mittel des Sicherungsfonds nicht aus, um alle Sparer zu entschädigen. Quintessenz: Der Bürger soll als Steuerzahler für eine wankende Bank einstehen, muss sich also als Sparer selbst sichern.
"Auch weiterhin glaubhaft der beste Schutz"?
Was ist der Grund für die stufenweise Herabsetzung der Einlagensicherung ab 2015 um insgesamt 75 Prozent, fragen viele Bankkunden. Glauben die Banken selbst, dass ein Crash bevorsteht? Manche Sparer gehen sogar davon aus, dass die "Ratten das sinkende Schiff" verlassen wollen.
Genaue Zahlen bezüglich des angesammelten Kapitals gibt es traditionell nicht, man wolle "keinen Anlass für Spekulationen geben", erklärte Pressesprecher Thomas Schlüter auch auf Anfrage der LTO-Redaktion. Nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 hieß es aber aus Finanzkreisen, der Fonds sei am Rande seiner Leistungsfähigkeit angelangt.
Hans-Joachim Massenberg, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bankenverbandes, erklärte im September vergangenen Jahres: "Wir passen das System der freiwilligen Einlagensicherung an, um den Fonds für zukünftige Herausforderungen besser aufzustellen und den Kunden unserer Banken auch weiterhin glaubhaft den besten Schutz für ihre Spareinlagen zu bieten".
Das kann im Umkehrschluss nur bedeuten, dass das Haftungsversprechen privater deutscher Banken bisher unrealistisch war. Die Garantien des Sicherungsfonds haben somit den Anlegern mehr Sicherheit vorgetäuscht, als sie halten konnten. Das wird nun korrigiert.
Herabsetzung der Einlagensicherung
Der Bankenverband kaschiert die extreme Korrektur der Einlagensicherung nach unten damit, dass auch ab 2025 noch Einlagen von mindestens 437.500 Euro je Bankkunde, bei einem höheren Eigenkapital auch noch größere Summen über den Sicherungsfonds abgedeckt werden.
Abgesehen davon, dass im Jahr 2011 noch 1,5 Millionen Euro pro Kunde gesichert waren, muss kritisch hinterfragt werden, ob das nun eine realistische Aussage ist. Die Verbraucher haben einen Anspruch darauf, über die Sicherheit ihrer Einlagen realistisch informiert zu werden. So viel Transparenz ist längst überfällig.
Vielen Sparern, die um ihre Alterssicherung fürchten, sind die Aussagen der Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 noch gut in Erinnerung. Sie sagte ihnen zu, dass ihre Einlagen sicher seien und niemand einen Euro verlieren werde. Auch der BdB wirbt mit diesem Versprechen der Kanzlerin. Viele Sparer fragen sich, wie der Verband es mit der Herabsetzung der Einlagensicherung in Einklang bringt, ohne Angela Merkel in den Rücken zu fallen.
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel.
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Herbert Grziwotz, Banken kürzen Einlagensicherung: . In: Legal Tribune Online, 06.01.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5244 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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