Weil er seine Sekretärin vom Detektiv überwachen ließ: BAG verurteilt Unternehmer zu 1.000 Euro Entschädigung

von Pia Lorenz

19.02.2015

Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einen Detektiv damit beauftragt, einen Arbeitnehmer zu überwachen und zu fotografieren, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Und dafür muss er dann auch zahlen. Ein Urteil des BAG, das mehr Richtungswirkung haben könnte als auf den ersten Blick ersichtlich.

Münster, im Dezember 2011: Die Sekretärin eines Metallbetriebs in Münster meldet sich arbeitsunfähig krank, ab dem 27. Dezember zunächst mit Bronchialerkrankungen. Für die Zeit bis 28. Februar 2012 legt sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuerst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31. Januar zwei einer Fachärztin für Orthopädie.

Der Geschäftsführer des Unternehmens bezweifelt, dass seine Assistentin tatsächlich, wie sie zuletzt telefonisch mitgeteilt hatte, einen Bandscheibenvorfall erlitten hat. Er beauftragt einen Detektiv mit ihrer Observation. Der überwacht sie an vier Tagen zwischen Mitte und Ende Februar. Er macht Fotos und erstellt Videos von ihr. Der Observationsbericht, den er ihrem Chef übergibt, enthält elf Bilder, neun davon aus Videosequenzen. Sie zeigen die Frau über mehrere Tage; unter anderem dabei, wie sie einen Hund begrüßt, an einem Fußweg steht und in einen Waschsalon geht.

Zunächst in Münster und Hamm, schließlich in Erfurt wollte die Ex-Sekretärin eine Geldentschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Drei Brutto-Monatsgehälter, insgesamt 10.500 Euro forderte sie von ihrem ehemaligen Arbeitgeber, zumal sie später immer wieder befürchtet habe, beobachtet zu werden und sich deshalb in psychische Behandlung habe begeben müssen.

Während das Arbeitsgericht Münster die Klage der ehemaligen Assistentin noch abgewiesen hatte, weil die Aufnahmen im öffentlichen Raum angefertigt worden seien, gab das Bundesarbeitsgericht (BAG) ihr in der Sache Recht. Ihre Observation war rechtswidrig und das gibt ihr einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung (BAG, Urt. v. 19.02.2015, Az. 8 AZR 1007/13). Mit ihrer Revision war die Frau dennoch erfolglos. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm, 1.000 Euro seien eine angemessene Geldentschädigung, sei revisionsrechtlich nicht zu korrigieren, so die Erfurter Richter.

Überwachung in der Freizeit: nur ausnahmsweise

Das Ausspionieren von Arbeitnehmern kommt nach Aussagen von Arbeitsrechtlern und Gewerkschaftern in der Praxis häufiger vor. Etwa beim Verdacht auf vorgetäuschte Krankheit, Alkoholsucht oder zur Kontrolle von Außendienstmitarbeitern schicken Unternehmen Detektive in die Spur, meint der Nürnberger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Wolfgang Manske. Kerstin Jerchel, Juristin bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, sagt: "Arbeitgeber zahlen eine Menge Geld dafür".

Einen berechtigten Anlass zur Observation gibt es aber nach der insoweit eindeutigen Pressemitteilung des BAG nur im Ausnahmefall. In seiner Pressemitteilung betonen die obersten Arbeitsrichter den Ausnahmecharakter einer zulässigen Überwachung: "Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht".

Für Tim Wybitul ist das eine Selbstverständlichkeit: "Anders als bei ihrer beruflichen Tätigkeit dürfen Unternehmer ihre Mitarbeiter in deren Freizeit nur ganz ausnahmsweise überwachen. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG." Dennoch kann es weiterhin Fälle geben, in denen Arbeitgeber konkrete Tatsachen erfahren, die eine Observation rechtfertigen können, erklärt der Fachanwalt für Arbeitsrecht und Experte für Datenschutz: "Wenn der Inhaber eines kleinen Unternehmens positiv weiß, dass einer seiner Arbeitnehmer, der sich krank gemeldet hat, weil er nichts tragen könne, im Familien-Restaurant um die Ecke kellnert und schwere Teller trägt, können das durchaus hinreichend konkrete Anhaltspunkte sein".

Noch drastischer drückt es Oliver Klug vom Arbeitgeberverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen in Essen aus: "Sitzt der wegen Brechdurchfalls krankgeschriebene Arbeitnehmer beim Karnevalsumzug auf dem Pferd und anschließend in der Kneipe, wird der Arbeitgeber auch weiterhin ohne Schmerzensgeldrisiko einen Detektiv mit der Überprüfung beauftragen dürfen."

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Weil er seine Sekretärin vom Detektiv überwachen ließ: . In: Legal Tribune Online, 19.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14739 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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