Jahresbilanz des BAG 2018: "Wir sind sicher keine lahme Gerichts­bar­keit"

von Tanja Podolski

22.02.2019

"Stiefmütterliche Behandlung" durch die Medien trotz wichtiger Fälle und einer Beschleunigung der Verfahren: Das BAG hatte bei der Vorstellung der Jahresbilanz einiges mitzuteilen.

Nicht lahm, nicht kamerascheu, gleichberechtigt und gut in Erfurt aufgehoben: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) nutzte die Jahresbilanz, um mit einigen Vorwürfen aufzuräumen, denen die Justiz sich derzeit ausgesetzt sieht. Ingrid Schmidt, Präsidentin des BAG, ist offen für Kameras in Gerichtssälen, was erst mit dem Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren (EMöGG) erlaubt wurde. Doch nicht ein einziges Mal wurde eine Urteilsverkündung im vergangenen Jahr beim BAG gefilmt.

"Wir werden stiefmütterlich behandelt", konstatierte Schmidt am Donnerstag in Erfurt. Die Richterschaft habe Schulungen gemacht, die technische Infrastruktur eingerichtet und das BAG verfüge zudem über großzügige Akkreditierungsvorschriften – und trotzdem filmte im Jahr 2018 keine einzige Medienanstalt die Verkündungen der Richter in Erfurt. "Der Staat hat große Anstrengungen unternommen", sagte Schmidt und meinte damit etwa die Investition  in die Installation der erforderlichen Technik und den Zeitaufwand für die Richter, sich auf einen möglichen medialen Auftritt vorzubereiten. Deshalb, so die Präsidentin, sei es wünschenswert, auch das Ziel zu erreichen, das der Gesetzgeber sich mit dem EMöGG vorgenommen hat: Eine transparente, erklärende und medial präsente Justiz .

Interessante Fälle, mit denen sich das BAG hätte präsentieren können, gab es im vergangenen Jahr durchaus: Die Rechtmäßigkeit von Befristungen im Profi-Fußball, die Streikbruchprämie oder die Wertung der Reisezeit als Arbeitszeit, um nur einige zu nennen. Die meisten der erledigten Fälle betrafen jedoch die Beendigung von Arbeitsverhältnissen.

Mehr Erledigungen als Eingänge

Gemessen an der Anzahl der Eingänge wurde das Thema allerdings von den Verfahren zur betrieblichen Altersversorgung knapp abgelöst: 356 neue Eingänge gab es in diesem Bereich, 352 zum Thema Kündigungen. Für Schmidt ist das ein Abbild der Situation am Arbeitsmarkt: In der aktuell guten Konjunkturlage suchten die Arbeitnehmer sich eher einen neuen Job, als eine Klage zu erheben.

Das zeichnet sich auch in den Gesamtzahlen ab: Die Zahl der Eingänge ging um 8,86 Prozent zurück und lag bei 1.852 Verfahren. Für die BAG-Präsidentin ist dies eine normale Entwicklung in Zivilverfahren. Den Richtern gebe der Rückgang die Möglichkeit, den Bestand abzubauen und die Verfahren zu beschleunigen. Im Jahr 2018 sind 1.958 Sachen erledigt worden, was 106 erledigte Verfahren mehr sind als welche eingingen. Im Schnitt dauert ein Verfahren sieben Monate und 23 Tage. Diese Daten gaben der BAG-Präsidentin Gelegenheit der Kritik an der Justiz entgegenzutreten, die zu lange Verfahren moniert: "Wir sind sicher keine lahme Gerichtsbarkeit." Im Schnitt seien die Verfahren sogar um einen halben Monat verkürzt worden.

Gesunken ist auch die Anzahl der erfolgreichen Revisionen: Sie lag bei rund 24 Prozent im Gegensatz zu rund 29 Prozent im Vorjahr. Für Schmidt ist das eine gute Entwicklung: "Das bedeutet, die Vorinstanzen machen einen guten Job."

Parität am BAG und ein nachlässiger Gesetzgeber

Das BAG bearbeitete seine Fälle mit insgesamt 39 Richtern, drei Vorsitzende schieden im vergangenen Jahr aus, die Stellen wurden neu besetzt. Bei den zehn Senaten sind die Vorsitzendenposten damit nun paritätisch besetzt: genau fünf Senate werden von Frauen geführt, die anderen fünf von Männern. Auch bei den Beisitzern ist das Geschlechterverhältnis ähnlich: Nach jetzigem Stand hält sich deren Verhältnis fast exakt die Waage.

Die Richter haben mit den Entscheidungen zum Verfall des Urlaubs und dem Chefarzt beim kirchlichen Arbeitgeber bereits 2019 spannende Fälle entschieden. Ausstehend sind zudem Entscheidungen zu Beweisverwertungsverboten bei Einsichtnahme durch den Arbeitgeber in nicht privat gekennzeichnete, beleidigende Emails, Mitwirkungsrechte des Betriebsrates beim Einrichten eines Twitter-Accounts durch das Unternehmen und Urlaubsanrechnung in der Elternzeit.

Nun liegt es laut Schmidt noch am deutschen Gesetzgeber, um durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) längst vorgegebene, notwendige Gesetzesänderungen vorzunehmen. Es sei eine Bringschuld des Gesetzgebers, Klarheit zu schaffen, doch leider werde das Arbeitsrecht nur noch im Koalitionsvertrag abgefrühstückt und nicht in der laufenden Legislaturperiode aktiv gestaltet. Dabei sei es doch wichtig, dass in den Gesetzen keine Normen mehr stehen, die mit der Rechtslage nicht mehr in Einklang stünden. Besonders betroffen seien nach der Rechtsprechung des EuGH das Kündigungsschutzgesetz und das Bundesurlaubsgesetz. Für die Politik sei es aber wohl einfacher, so Schmidt, "dieses große Spannungsfeld den Arbeitsgerichten zu überlassen."

Zitiervorschlag

Jahresbilanz des BAG 2018: . In: Legal Tribune Online, 22.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33989 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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