BAG zu Anschlussbefristung bei Heimarbeitern: Heim­ar­beit ist keine "echte Arbeit"

25.08.2016

2/2: Heimarbeit ist keine Zuvor-Arbeit  

Die weiteren rechtlichen Vorgaben regelt das Heimarbeitsgesetz (HAG), das 1951 erlassen wurde und auf dem bereits seit 1912 bestehenden Hausarbeitsgesetz aufbaut. Für den Heimarbeiter hat dies den Vorteil, eine sozialversicherungspflichtig abgesicherte Tätigkeit in seinen eigenen Räumen und mit im Wesentlichen freier Zeiteinteilung vornehmen zu können.

Auch für den "Heimarbeitgeber" bzw. Auftraggeber bietet das Modell Vorteile: Er muss für den Heimarbeiter keinen Arbeitsplatz vorhalten und kann diesem zudem ohne Grund unter Einhaltung der Kündigungsfrist kündigen (§ 29 HAG). Dies ist einer der wesentlichen Unterschiede zu regulären Arbeitnehmern, die ab einer sechsmonatigen Beschäftigungsdauer (§ 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz - KSchG) und einer Betriebsgröße von mehr als zehn Arbeitnehmern (§ 23 Abs. 1 KSchG) nur bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes entlassen werden können.

Diese rechtlichen Unterschiede wirken sich auf das Befristungsrecht aus. § 14 Abs. 2 S. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) erlaubt die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses nur dann, wenn in den letzten drei Jahren vor Beschäftigungsaufnahme kein "Zuvor-Arbeitsverhältnis" bestanden hat. Vorherige Tätigkeiten als freier Mitarbeiter, Umschulungs-, Praktikanten- oder  Berufsausbildungsverhältnisse stellen keine solchen "Zuvor-Arbeitsverhältnisse" dar. Gleiches gilt für Heimarbeitsverhältnisse – wie das BAG nunmehr bestätigt hat. Ein Arbeitsverhältnis, das sich unmittelbar an ein Heimarbeitsverhältnis anschließt, kann somit auch ohne Sachgrund befristet werden (BAG, Urt. v. 24.08.2016, Az. 7 AZR 342/14)– die Klägerin hat zum dritten Mal verloren.

Was würde der EuGH wohl dazu sagen?

Die Unterschiede zwischen Heimarbeit und "Normalarbeit" sind nicht zu leugnen. Die Situation eines Heimarbeiters ist bedingt durch die Besonderheiten der Beschäftigung eine andere. Gleichwohl: Sowohl Heimarbeit als auch reguläre Arbeitsverhältnisse stellen im weitesten Sinne abhängige Beschäftigungsformen dar. Heimarbeiter werden gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auch bei der Betriebsratswahl beteiligt, ein bestehender Betriebsrat ist nach der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 07.11.1995, Az. 9 AZR 268/94) vor ihrer Kündigung gem. § 102 BetrVG anzuhören.

Außerdem findet das deutsche Befristungsrecht seine Grundlage in der europäischen Richtlinie RL 1999/70/EG vom 10. Juli 1999. Diese gibt den einzelnen Mitgliedsstaaten zwar Spielräume vor, unter anderem auch bei der Ausfüllung des Arbeitnehmerbegriffs. Allerdings hat der EuGH erst kürzlich bewiesen, dass der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff weitaus enger als der deutsche ist (EuGH, Urt. v. 09.07.2015, Az. C-229/14). So hat der EuGH etwa Fremdgeschäftsführer ohne Sperrminorität und Praktikanten als abhängige Beschäftigte qualifiziert, auf die die Vorschriften für Massenentlassungen gem. § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut Anwendung zu finden haben.

Vor dem Landesarbeitsgericht hatte die Klägerin eine Vorlage dieser Frage an den EuGH gem. Art. 267 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union) angeregt – das BAG ist dem nicht gefolgt. Zu den Gründen hierfür schweigt die bislang allein vorliegende Pressemitteilung des Gerichts. Das BAG täte aber gut daran, sich mit diesen Fragen in seinen Entscheidungsgründen sehr sorgfältig auseinander zu setzen – denn vielleicht wird es damit auch die Luxemburger Richter überzeugen müssen.

Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht und Studiendekan Wirtschaftsrecht an der Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Römermann Rechtsanwälte AG in Hamburg.

Zitiervorschlag

BAG zu Anschlussbefristung bei Heimarbeitern: . In: Legal Tribune Online, 25.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20380 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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