Krankheitsbedingte Versetzung auch ohne Betriebliches Eingliederungsmanagement: Arbeit­geber kann Schicht­wechsel ein­seitig anordnen

2/2: Was genau ist ein BEM?

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement ist Arbeitsrechtlern bisher insbesondere aus dem Bereich der krankheitsbedingten Kündigung bekannt. Es findet seine Grundlage in § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) und ist für den Arbeitgeber verpflichtend, wenn ein Arbeitnehmer krankheitsbedingte Fehlzeiten von mehr als 6 Wochen im Jahr aufweist. Mit dem Erkrankten sollen dann – ggf. unter Beteiligung von Betriebsarzt und Betriebsrat – in einem Gespräch Möglichkeiten gesucht werden, wie weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.

Obwohl sich die Regelung im SGB IX befindet, das grundsätzlich nur für schwerbehinderte Arbeitnehmer gilt, ist das BEM nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2007 (BAG, Urt. v. 12.07.2007, Az. 2 AZR 716/06) Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips und daher bei jedem Arbeitnehmer anwendbar.

Ein Arbeitgeber, der eine krankheitsbedingte Kündigung ohne vorherige ordnungsgemäße Durchführung eines BEMs ausspricht, wird daher regelmäßig vor dem Arbeitsgericht scheitern, weil er nicht alles Mögliche getan hat, um die Kündigung zu vermeiden.

BAG: BEM keine Voraussetzung für Versetzung

Anders aber im Fall des Maschinenbedieners, der in die Wechselschicht versetzt wurde. Auf seine Revision gegen die Erweiterung des BEM durch das LAG gaben die obersten deutschen Arbeitsrichter am Mittwoch dem Arbeitgeber Recht  (Urt. v. 18.10.2017, Az. 10 AZR 47/17).

Ein betriebliches Eingliederungsmanagement sei keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung einer Versetzung. Das gelte auch dann, wenn die Versetzung auf krankheitsbedingte Gründe gestützt werde, entschieden die Erfurter Richter. 

Wichtig sei vielmehr allein die Prüfung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu habe das LAG keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Das BAG verwies die Sache daher zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurück.

Keine Allzweckwaffe

Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren die Anforderungen an das betriebliche Eingliederungsmanagement stets verschärft. Es ist ein wichtiger Baustein in der betrieblichen Gesundheitsprävention. Dort hat es einen wichtigen Platz.

Eine Ausweitung auf andere Regelungsbereiche – wie sie noch das LAG befürwortet hatte – ist aber weder sinnvoll noch notwendig. Der Arbeitnehmer ist ausreichend geschützt, da sowohl er selbst als auch der Betriebsrat eine Versetzung auf ihre Billigkeit und Rechtmäßigkeit vor den Arbeitsgerichten prüfen können. Die Entscheidung der höchsten deutschen Arbeitsrichter ist daher überzeugend.

Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht und Studiendekan des Bereichs Wirtschaftsrecht und Human Resources Management an der Hochschule Fresenius sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei der Römermann Rechtsanwälte AG in Hamburg.

Zitiervorschlag

Michael Fuhlrott, Krankheitsbedingte Versetzung auch ohne Betriebliches Eingliederungsmanagement: . In: Legal Tribune Online, 18.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25109 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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