Nicht nur Menschen und Tiere leiden unter der Hitze, sondern auch Beton-Autobahnen. Bei Temperaturen um die 40 Grad platzen die Fahrbahnplatten explosionsartig auf. In Bayern kostete ein solcher Blow-Up einen Motoradfahrer das Leben. Haften müssen die Behörden für den Unfall nicht, meint Adolf Rebler, denn sie haben ihre Verkehrssicherungspflichten erfüllt.
Als in der Frühzeit der Erde Kontinentalplatten aufeinander stießen, wölbte sich die Erde und Gebirge entstanden. Ähnliches passiert zurzeit auf deutschen Autobahnen: Betonplatten dehnen sich bei extremer Hitze aus. Sind die Dübel, die die Platten an Ort und Stelle halten sollen, gebrochen oder nicht mehr ausreichend im Boden verankert, stoßen die Platten aneinander und wölben sich in Sekundenbruchteilen auf, zum Teile entstehen zentimetergroße Risse.
Während Autofahrer meist mit leichten Verletzungen davonkommen und ihre Wagen nur leicht beschädigt werden, können diese Sprungschanzen für Motorradfahrer leicht zur Todesfalle werden. Auch die Autobahnmeistereien können die Gefahr nicht rechtzeitig gegensteuern, weil es keine äußeren Anzeichen dafür gibt, dass es an einer Stelle bald zu einem solchen Blow-Up kommen wird. Im tragischen Fall des verunglückten Motorradfahrers war die Strecke erst zehn Minuten vorher kontrolliert worden.
Ab 30 Grad nur noch 80 km/h
Die Behörden mussten deshalb nun anders reagieren. Ab 28 Grad gilt auf den Beton-Autobahnen eine erste Warnstufe: Autofahrer sollen sich vorsichtig verhalten, Motorradfahrer werden aufgefordert, die Strecke zu meiden. Ab 30 Grad gilt ein Tempolimit von 80 Stundenkilometern (km/h).
Doch genügt das, um auch einer Haftung zu entgehen? Straßenbaubehörden und Autobahnmeistereien müssen dafür sorgen, dass "ihre" Straßen in Ordnung sind und dass niemand durch eine kaputte Straße zu Schaden kommt – sie haben also eine Verkehrssicherungspflicht.
Eine völlig gefahrlose Straße kann allerdings mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und deshalb auch nicht verlangt werden. Die Behörden müssen nur solche Gefahren abwehren oder vor ihnen warnen, auf die Verkehrsteilnehmer sich nicht einstellen können.
Auto- oder Motorradfahrer müssen eine Straße nämlich grundsätzlich so hinnehmen, wie sie sich ihnen darbietet, und müssen ihre Fahrweise darauf einstellen, also etwa auf Sicht fahren. Sicherheitsvorkehrungen müssen die Behörden nur an gefährlichen Stellen treffen.
Marode Straße warnt vor sich selbst
Die Straßenbaulastträger müssen ihre Straßen regelmäßig beobachten und in angemessenen Zeitabständen begehen oder befahren, um entstandene Schäden und Gefahren zu erkennen. Die Häufigkeit solcher Kontrollen richtet sich nach der Verkehrsbedeutung der Straße: Wenig befahrene Straßen können einmal wöchentlich, viel befahrene Straßen müssen mehrmals wöchentlich kontrolliert werden. Auf Autobahnen können tägliche Kontrollen notwendig werden. Hat eine Straße keine hohe Verkehrsbedeutung oder ist besonders marode, dann warnt sie quasi vor sich selbst.
Zumindest größere Schlaglöcher müssen in der Regel gleich ausgebessert werden, Warnungen vor Straßenschäden können aber auch genügen. Nicht ausreichend sind dagegen bloße Geschwindigkeitsbeschränkung. Ein Tempolimit muss nämlich nicht unbedingt auf einen schlechten Zustand der Fahrbahn hindeuten.
Auf Autobahnen dürfen keine größeren Schlaglöcher sein
Sehr streng sind die Anforderungen der Rechtsprechung bei Autobahnen, Kraftfahrstraßen oder anderen Straßen mit hoher Verkehrsbedeutung, auf denen mit hoher Geschwindigkeit gefahren werden darf. Die Verkehrsteilnehmer dürfen dort darauf vertrauen, dass es jedenfalls keine größeren Schlaglöcher oder sonstige Schäden gibt. Gerade auf Autobahnen ist die Aufmerksamkeit des Fahrers nämlich vor allem auf den Verkehr und Hindernisse auf der Fahrbahn (herab gefallene Ladung oder Autoteile) gerichtet und anders als bei geringen Geschwindigkeiten kann ein starkes Abbremsen oder ein Ausweichmanöver zu Unfällen führen.
Allgemeine Hinweise auf "Straßenschäden auf ... km Länge" genügen deshalb nicht. Auch reicht es nicht, erst tätig zu werden, wenn sich bereits größere Schlaglöcher gebildet haben. Ist eine umfassende Sanierung nicht mehr möglich, muss schon bei kleineren Aufplatzern zumindest provisorisch ausgebessert und ein konkreter Warnhinweis gegeben werden, möglichst zusammen mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung.
Das alles wurde wohl auch im Fall des verunglückten Motorradfahrers beachtet. So tragisch sein Unfall also war, die Rechtsprechung verbucht das unter dem Stichwort "allgemeines Lebensrisiko".
Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.
Adolf Rebler, Autobahnen platzen bei Hitze: . In: Legal Tribune Online, 30.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9239 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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