32 Journalisten wurde beim G20-Gipfel wegen Sicherheitsbedenken die Akkreditierung entzogen. Die Beschattung von Pressevertretern auf Großveranstaltungen zählte offenbar schon seit Langem zur Praxis. Markus Kompa erläutert den rechtlichen Rahmen.
Medienvertreter haben grundsätzlich Anspruch auf Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen, insbesondere dann, wenn diese vom Staat veranstaltet werden. Dies folgt aus den Presse- und Veranstaltungsgesetzen der Bundesländer sowie aus der in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantierten Presse- und Informationsfreiheit. Journalisten dürfen nur dann abgewiesen werden, wenn sachliche Gründe hierzu bestehen, etwa zu geringe räumliche Kapazität. Da dies bei Großveranstaltungen organisatorisch nur über ein Akkreditierungsverfahren möglich ist, müssen insoweit alle Medienvertreter gleich behandelt werden.
Die Verwaltungsgerichte erkennen bei Anwesenheit besonders gefährdeter Personen auch Sicherheitsbedenken als zulässige Einschränkungen an. Das ist grundsätzlich nachvollziehbar, da sich manche Attentäter in der Vergangenheit als Journalisten tarnten, etwa 2001 beim Selbstmordanschlag auf den afghanischen Warlord Ahmed Schah Masud. In Deutschland hatte einst die prominente Journalistin Ulrike Meinhof zum Terror der RAF gefunden.
Weiteres Ausschlusskriterium sind Anzeichen für eine geplante Störung einer Veranstaltung durch Missbrauch der Pressefreiheit. 2008 etwa bewarf der irakische Journalist Muntazer al-Zaidi bei einer Pressekonferenz in Baghdad den damaligen US-Präsidenten George W. Bush mit seinen Schuhen. Man würde es sich wohl auch zweimal überlegen, ob man die regelmäßig als Medienvertreter akkreditierten Satiriker von der heute-Show oder von extra-3 in einen Raum mit Donald Trump oder Recep Tayyip Erdoğan ließe.
Sicherheitsüberprüfung als Zulassungskriterium
Für eine Akkreditierung von Medienvertretern kann nach der Rechtsprechung verlangt werden, dass diese sich einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen und hierzu Daten wie Anschrift, Geburtsort, Ausweisnummer und das Medium, für das sie arbeiten, preisgeben. Dies Landeskriminalämter oder das Bundeskriminalamt prüfen, ob die Journalisten etwa durch Kriminalität aufgefallen sind oder gar auf internationalen Listen von Terrorverdächtigen oder sonstigen Gefährdern stehen.
Allerdings gibt es einige Staaten, die "Terrorverdacht" sehr großzügig definieren und etwa politische Gegner zu Terroristen erklären und auf internationale Listen setzen. So hatte etwa der türkische Geheimdienst dem Bundesnachrichtendienst dieses Jahr eine Liste mit 300 Namen von Gülen-Anhängern in Deutschland übergeben. Manche Sicherheitsbehörde in den USA bewertet sogar Hacker wie die von WikiLeaks als Terroristen.
Beschattung als milderes Mittel?
In Hamburg waren ursprünglich sämtliche der 5.101 angemeldeten Medienvertreter akkreditiert worden. Mindestens einer von den 32 später ausgelisteten Kollegen war sogar auf das Rollfeld der eintreffenden Airforce One gelassen worden, ohne dass der für seine übergroße Vorsicht bekannte US Secret Service nervös geworden wäre. Bei diesen 32 Medienvertretern hatte das BKA allerdings durchaus "Staatsschutz-Bedenken" angemeldet, bei vier davon sogar verstärkt. Die Einschätzungen sollen sich laut Regierungssprecher Steffen Seibert ausschließlich auf eigene Erkenntnisse deutscher Behörden gestützt haben. Daher hätte man sich auf den Kompromiss geeinigt, diese Journalisten zwar ins Gipfelinnere zu lassen, sie aber gleichzeitig heimlich zu beschatten.
Nach den Ausschreitungen von Donnerstagabend habe man dann – so heißt es in Pressemitteilungen von Bundespresseamt und Bundeskriminalamt – am Freitag eine Neubewertung vorgenommen. Offenbar hielt man auch eine Beschattung als milderes Mittel nicht mehr für praktikabel. Daher habe man 32 Medienvertretern nachträglich die Akkreditierung entzogen. Ähnliches sei außerdem bei Servicekräften wie Caterern geschehen, so dass insgesamt etwa 80 Personen ausgeschlossen wurden.
Ausschlussgründe im Detail unbekannt
Das Bundespresseamt spricht von "ernsthaften Hinweisen" und "dringenden Empfehlungen" der Sicherheitsbehörden sowie von "nicht unerheblichen Straftaten". Ob man der offiziellen Darstellung, man habe sich ausschließlich auf Erkenntnisse deutscher Behörden verlassen, Glauben schenken will, mag jeder selbst entscheiden. Immerhin weilten diverse Staatschefs in Hamburg, die zur Pressefreiheit ein ausgesprochen taktisches Verhältnis haben und keine besonders unliebsamen Journalisten in ihrer Nähe wollten. Ein formales Verfahren, mit dem etwa Geheimdienste schwarze Listen unbequemer Journalisten abgleichen, ist unbekannt und wäre auch verfassungsrechtlich mehr als bedenklich, allerdings läuft gerade auf dieser Ebene manches informell.
Es wäre natürlich auch vorstellbar, dass einzelne Medienvertreter während der Ausschreitungen vom Donnerstag in sicherheitsrelevanter Weise aufgefallen wären, etwa Polizeiarbeit durch Livestreams gefährdet oder Gewaltanwendung öffentlich gebilligt hätten.
Markus Kompa, Ausschluss von Journalisten bei G20-Gipfel: . In: Legal Tribune Online, 13.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23449 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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