3/3: Koordination der Bevölkerungsentwicklung
An unsägliche nationalsozialistische Familienpolitik erinnert fühlte sich Maas schließlich im Abschnitt "Familienförderung und Bevölkerungsentwicklung" des AfD-Programms. Dort heißt es u.a.: "Das 'Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend' ist in ein 'Bundesministerium für Familie und Bevölkerungsentwicklung' umzuwandeln, das Bevölkerungsentwicklung nach wissenschaftlichen Kriterien koordiniert und fördert."
Rückfragen kann das Programm naturgemäß nicht beantworten. Welche Koordination, welcher Kriterien gemeint sein soll und worin womöglich eine Förderung bestehen könnte, verrät es nicht. Nur, dass "Maßnahmen zur mittelfristigen Erhöhung der Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung unverzichtbar (sind), auch um unsere Sozialversicherungssysteme zu stabilisieren", schreibt die AfD.
Unklar ist schon, wer "einheimisch" ist, aber vor allem, wie diese Maßnahmen aussehen sollen. So bleibt Raum für beängstigende Assoziationen.
Ende der errungenen Freiheiten
Maas hat mit seinem Beitrag Politik gemacht – und den Punkt getroffen. Zwar kleidet er die Auseinandersetzung nicht in eine juristisch detaillierte Ausarbeitung. Das hilft ihm über die Klippe, dass die AfD die gedruckten Worte so gewählt hat, dass sie in den einzelnen Punkten auf dem Boden des GG stehen könnten.
Die Partei deutet ihre Lösungen nur an. Klar wird: es wäre ein Alternativ-Deutschland, in dem viele der heute errungenen Freiheiten keine Bedeutung mehr hätten. Familienplanung würde dem Staat obliegen, ein staatliches Familienbild würde das eigene ersetzen. Glaube darf nur der Glaube sein, der dem Staat genehm ist. Der Islam wäre es dann per se nicht, eine Unterscheidung zwischen Religion und Gläubigen findet nicht statt. Der christliche Kirchenbau würde toleriert, im Land der Kirchtürme dürften aber keine Minarette entstehen. Nirgendwo.
Insofern ist Maas Beitrag wohl nicht als streng-juristische Prüfung zu verstehen, die über das Ziel hinaus schießt, sondern als eine Auslegung, die auch die Systematik des AfD-Wahlprogramms insgesamt deutet. Er hätte als Bundesjustizminister ein Parteifinanzierungs-Ausschluss-Verfahren einleiten können. Er hat dies nicht getan. Dabei gab es weitsichtige Mahner wie Prof. Dr. Joachim Wieland, Rektor der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer: Er hatte öffentlich auf das Risiko der Verfassungswidrigkeit des Programms hingewiesen. Die Veröffentlichung von Maas kann man nur als Appell verstehen, mit der eigenen Wahlstimme ein Statement zu setzen: für diese freiheitlich-demokratische Grundordnung, die nicht in Stein gemeißelt ist und sich fortentwickeln darf, die aber keinen Rückschritt braucht.
Der Autor Robert Hotstegs ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf. Er ist parteilos und berät und vertritt vor allem Einzelpersonen und Bürgerinitiativen u.a. zu kommunalverfassungs- und verfassungsrechtlichen Fragen. Er ist Lehrbeauftragter der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW.
Robert Hotstegs, Verfassungswidrigkeit der AfD: . In: Legal Tribune Online, 19.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24583 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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