Das Grillen im heimischen Garten, auf der Terrasse oder auf dem Balkon zählt zu den Lieblingsbeschäftigungen vieler Deutscher im Sommer. Dass dabei auch rechtliche Vorgaben im Hinblick auf den Nachbarschutz zu beachten sind, ist vielen Fans von Rostbratwürsten und Steaks allerdings nicht bewusst. Ein Überblick über die Grill-Rechtsprechung von Alfred Scheidler.
Während der Geruch von bruzzelndem Grillgut bei dem einen Wohlempfinden und Appetit auslöst, fühlt sich manch anderer dadurch gestört, auch wegen der oft hinzukommenden Rauchbelästigungen. Schnell können sich die Gemüter so sehr erhitzen, dass ein handfester Nachbarschaftsstreit entflammt. Wie dieser dann rechtlich zu lösen ist, ist nicht leicht zu beantworten.
Die Landesimmissionsschutzgesetze enthalten zwar zum Teil Bestimmungen, wonach sich jeder so zu verhalten hat, dass schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden, soweit dies nach den Umständen des Einzelfalles möglich und zumutbar ist - so zum Beispiel jeweils § 3 Abs. 1 der Landesimmissionsschutzgesetze Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Konkrete gesetzliche Regelungen dazu, welche Geruchs- und Rauchbelästigungen ein Nachbar hinnehmen muss, gibt es jedoch weder allgemein noch speziell für das Grillen.
Klar ist, dass die widerstreitenden Rechte der Betroffenen im jeweils zu beurteilenden Einzelfall abzuwägen und angemessen in ein Verhältnis zueinander zu setzen sind: Dabei geht es einerseits um die im Grundgesetz (GG) stehende allgemeine Handlungsfreiheit des Grillfreunds (Art. 2 Abs. 1 GG), andererseits um das Recht des Nachbarn auf einen ungestörten Gebrauch der Wohnung, also seines Besitzes beziehungsweise Eigentums, vgl. §§ 854 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder Art. 14 GG (Amtsgericht (AG) Westerstede, Beschl. v. 30.06.2009, Az. 22 C 614/09).
Abstand zwischen Grill und Nachbarwohnung ist entscheidend
Eine einheitliche Linie in der Rechtsprechung dazu, wie die Abwägung vorzunehmen ist, gibt es nicht. Trotzdem lassen sich aus den einschlägigen Gerichtsentscheidungen gewisse Anhaltspunkte dafür entnehmen, inwieweit Grillen aus Sicht des Nachbarschutzes erlaubt ist.
So haben das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg (Urt. v. 29.07.2002, Az. 13 U 53/02) und das Landgericht München I (Beschl. v. 12.01.2004, Az. 15 S 22735/03) entschieden, dass Grillen in den Sommermonaten durchaus üblich ist und als sozialadäquat geduldet werden muss, wenn nicht die "Wesentlichkeitsgrenze" überschritten wird. Maßstab für diese Grenze ist das Empfinden eines Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks und nicht das subjektive Empfinden des Einzelnen.
Überschritten ist die Wesentlichkeitsgrenze jedenfalls dann, wenn der beim Grillen entstehende Qualm in konzentrierter Weise in Wohn- und Schlafzimmer unbeteiligter Nachbarn eindringt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.05.1995, Az. 5 Ss 149/95).
Von großer Bedeutung für die Interessenabwägung ist der Abstand zwischen Grillplatz und möglicherweise beeinträchtigter Nachbarwohnung: So hat das AG Bonn für Mieter von Mehrfamilienhäusern in der Zeit von April bis September das Grillen unter Verwendung von Holzkohle nur einmal monatlich auf Balkon oder Terrasse zugelassen und dem grillenden Mieter noch aufgegeben, die Mieter im Haus, deren Belästigung durch Rauchgase unvermeidlich ist, 48 Stunden vorher darüber zu informieren (Urt. v. 29.04.1997, Az. 6 C 545/96).
Grillen kann im Mietvertrag verboten werden
Sind die Abstände nicht so gering wie zwischen den Balkonen eines Mehrfamilienhauses, ist eine Beschränkung auf ein einmaliges Grillen im Monat zu restriktiv. Trotzdem ist die Rechtsprechung auch bei größeren Abständen nicht sonderlich grillfreundlich: So hat das AG Westerstede in der bereits erwähnten Entscheidung einen Fall entschieden, bei dem das betroffene Haus neun Meter vom Grillplatz entfernt war. Hier müsse das Grillen während der Sommermonate eines Kalenderjahres (in der Regel von Mai bis September) auf zwei Mal im Monat beschränkt werden, also auf insgesamt zehn mal pro Kalenderjahr.
Zugunsten des Grillfreunds hat das Gericht ausgeführt, Nachbarn hätten es innerhalb dieses zulässigen Rahmens (also zwei Mal im Monat) je nach Windrichtung hinzunehmen, dass sie zum Schutz vor Rauch- und Geruchsbelästigungen Fenster und Türen geschlossen halten müssen und ihren Balkon nur eingeschränkt nutzen können. Da üblicherweise nicht über Stunden gegrillt werde und der intensivste Rauch regelmäßig während der Anheizphase entstehe, dürfte sich die Beeinträchtigung der Balkonnutzung der Nachbarn auf ein vertretbares Maß reduzieren.
Das Grillen zur Nachtzeit, also über 22 Uhr hinaus (bis maximal 24 Uhr) hat das OLG Oldenburg in der zitierten Entscheidung nur in "Einzelfällen" für zulässig erachtet, nämlich an bis zu vier Abenden im Kalenderjahr.
Besonderheiten gelten aus mietrechtlicher Sicht: Nach einer Entscheidung des AG Essen kann das Grillen auf dem Balkon eines Mehrfamilienhauses durch eine Regelung im Mietvertrag verboten werden (Urt. v. 07.02.2002, Az. 10 S 438/01). Halten sich Mieter nicht daran, sondern grillen trotz Abmahnungen weiter, droht ihnen sogar die fristlose Kündigung. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Holzkohle- oder ein Elektrogrill verwendet wird, denn auch bei letzterem können Rauch und Geruch die Mitmieter belästigen.
Die angeführten Gerichtsentscheidungen mögen aus Sicht der Grillfreunde als unangemessen streng erscheinen, denn an lauen Sommerabenden möchten viele ihren Grill am liebsten täglich anheizen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, solange die Nachbarn nicht beeinträchtigt werden, etwa indem ausreichend große Abstände eingehalten werden. Ist dies nicht der Fall, steht dem Grillvergnügen trotzdem nichts im Wege, wenn der Nachbar einverstanden ist - denn auch hier gilt "wo kein Kläger, da kein Richter".
Der Autor Dr. Alfred Scheidler ist Oberregierungsrat in Neustadt an der Waldnaab und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht.
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Alfred Scheidler, Ärger um Rauch und Gerüche: . In: Legal Tribune Online, 16.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3780 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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