Kennzeichnungspflicht für die Polizei in NRW: Eine Rege­lung mit Ablauf­datum

von Prof. Dr. Jens Puschke, LL.M.

21.08.2017

2/2: Transparenz und Vertrauen sind keine Gegensätze

Rechtsstaatliche Kontrolle und Vertrauen in die Arbeit von staatlichen Institutionen sind dabei keine Gegensätze, sie bedingen sich vielmehr. Ein offenes Gegenübertreten, der erkennbare Wille zur Aufdeckung und Bearbeitung von Fehlverhalten und ein verantwortungsvolles Eintreten gegen Rechtsverletzungen seitens der Polizei stärken das Vertrauen der Bürger in deren Arbeit. Die individuelle Kennzeichnung ist Ausdruck des gewandelten Verständnisses von der Polizei als demokratische und bürgernahe Behörde.

Die Kennzeichnungspflicht entspricht darüber hinaus dem Wunsch der Mehrheit in der Bevölkerung. Wie Umfragen ausweisen, sprechen sich circa drei Viertel der Befragten und auch Teile der Polizei für zumindest eine Form der Kennzeichnungspflicht aus. Zwar ist der Mehrheitswille der Bevölkerung - gerade, wenn er nur durch Umfragen ermittelt wird - nicht immer ein guter Berater, wenn es um rechtspolitische Entscheidungen geht. Allerdings zeigen Befragungen auch, dass der Polizei konstant hohe Anerkennungs- und Vertrauenswerte zugesprochen werden. Dies offenbart, dass Anerkennung, Vertrauen und der Wunsch nach Transparenz zusammenfallen können. Misstrauen dürfte es entgegen des Vorhabens der drei NRW-Fraktionen vielmehr erzeugen, wenn die Kennzeichnungspflicht ohne überzeugende Gründe wieder abgeschafft wird.

Nur eine selbstbewusste Polizei kann gute Arbeit leisten

Die Kennzeichnungspflicht als Misstrauensbeweis aufzufassen, unterstellt der Mehrheit der deutschen Bevölkerung und den politisch Verantwortlichen in vielen Bundesländern und in der EU eine feindselige Haltung gegenüber der Polizei. Wenn dieser Vorwurf mit angeblich steigender Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber Polizisten verbunden wird, weist dies der Polizei eine strukturelle Opferrolle zu: Sowohl bei der täglichen Arbeit für die Sicherheit der Menschen als auch in der öffentlichen Debatte sei sie permanent unberechtigten Angriffen ausgesetzt.

Diese Opferrolle, die nicht zuletzt auch durch die Verschärfung der Strafvorschriften des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gefestigt wurde, entspricht jedoch nicht der wehrhaften, selbstständigen und einflussreichen Stellung der Polizei als Institution und wird ihrem Wert für das demokratische Gemeinwesen nicht gerecht.

Die Selbstwahrnehmung als Opfer in Teilen der Polizei wird dementsprechend auch seit Jahren kritisiert, so etwa vom Polizeiforscher und -ausbilder Rafael Behr. Denn in konkreten Konfliktsituationen, in denen die Polizei beteiligte Partei ist, kann und darf sie sich angemessen zur Wehr setzen. Dies ermöglicht ein selbstbewusstes Auftreten auf Augenhöhe, das im Konfliktfall Spielräume für Deeskalation bietet. Permanente Angst vor Übergriffen oder der Ärger über Respektlosigkeiten hingegen beschränkt diese Spielräume.

Das Gleiche gilt in der öffentlichen Debatte. Nur eine Polizei, die sich nicht gegen Kritik abschottet, sondern berechtigte Einwände aufnimmt und umsetzt und unberechtigte gut begründet zurückweist, kann ihrem bedeutsamen Auftrag als Teil der Gesellschaft umfassend gerecht werden und der Umsetzung des demokratischen Willens dienen.

Vieles spricht dafür, die Kennzeichnungspflicht beizubehalten. Für ihre Abschaffung hingegen nichts.

Der Autor, Professor Dr. Jens Puschke, LL.M., ist Inhaber einer Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Philipps-Universität Marburg.

*Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die gewählte Formulierung beide Geschlechter

Zitiervorschlag

Kennzeichnungspflicht für die Polizei in NRW: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24041 (abgerufen am: 06.11.2024 )

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