Eine Regensburger Anwaltskanzlei kündigt auf ihrer Homepage an, in Zukunft die Namen von Gegnern ihrer Mandanten zu veröffentlichen. Pikant dabei: Die Abmahn-Anwälte sind spezialisiert auf den Download pornografischer Inhalte. Martin W. Huff hält das für unzulässig – und rät Abgemahnten, möglichst noch im August gegen die Veröffentlichung vorzugehen.
Die Kanzlei Urmann + Collegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH im beschaulichen Regensburg hat nach Informationen des dortigen "Wochenblatt" einen Schwerpunkt bei der Verfolgung illegaler Downloads aus dem Erotikbereich.
Seit einigen Tagen findet sich auf der Homepage der Advokaten folgende Ankündigung: "Voraussichtlich ab dem 1.9.2012 finden Sie nachstehend eine Auswahl der Gegner aus offenen und anhängigen Mandatsverhältnissen, gegen die uns ein Mandat erteilt wurde oder Mandat erteilt ist zur außergerichtlichen oder gerichtlichen Tätigkeit".
Die Kanzlei beruft sich dabei auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.12.2007 (BVerfG, Az. 1 BvR 1625/06). Unabhängig von ihrer sprachlich kaum verständlichen Formulierung wirft diese Ankündigung eine Reihe rechtlicher Fragen auf. Deren Antworten fallen recht eindeutig aus - und betroffenen Abgemahnten kann man nur raten, schnell zu reagieren.
Der große Unterschied zwischen Bürgern und Unternehmen
Zunächst bedarf jede Form von Information der Öffentlichkeit der Zustimmung des Mandanten der Kanzlei. Dies ergibt sich aus der Verschwiegenheitspflicht eines Rechtsanwalts aus § 43 a Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Ein Anwalt darf ohne Zustimmung noch nicht einmal sagen, dass jemand sein Mandant ist und schon gar nicht Informationen aus dem Inhalt des Mandats weitergeben. Allerdings wird man im Bereich der Verfolgung illegaler Downloads von Dauermandaten ausgehen dürfen, so dass die Veröffentlichung sicherlich vorher besprochen ist.
Eine ganz andere Frage ist es, ob ein Rechtsanwalt die Namen der Gegner seiner Mandanten einfach so veröffentlichen darf. Der von der Kanzlei zitierte Beschluss des BVerfG aus dem Dezember 2007 betraf nämlich eine besondere Fallkonstellation: Es ging um die Veröffentlichung der Namen von Unternehmen, nämlich von Kapitalanlagegesellschaften, und nicht um die Nennung von Privatpersonen.
Das BVerfG hat sogar ausdrücklich offengelassen, ob die von ihm aufgestellten Grundsätze auch für die Fälle gelten, wenn es um Privatpersonen geht.
Mit der Abmahnung schon am Internetpranger
Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass die Kanzleien im Bereich des Bankrechts die Gegner quasi zu Werbezwecken nutzten. Mit deren Veröffentlichung wollen sie zeigen, dass sie tatsächlich umfangreich im Bank- und Kapitalmarktrecht tätig sind.
Bei der Ankündigung von U+C Rechtsanwälte dagegen geht es wohl ausschließlich um die Nennung der Namen von Privatpersonen. Auch der Werbeeffekt steht sicherlich nicht im Vordergrund. Vielmehr scheint es bei der Nennung von Filesharern eher um eine Bloßstellung und darum zu gehen, die Gegner der Rechteinhaber an den Pranger zu stellen – dies umso mehr, wenn der Schwerpunkt der Abmahnungen tatsächlich im Erotikbereich liegt.
Man wird daher bei einer Abwägung der verschiedenen Grundrechte, wie sie das BVerfG 2007 vorgenommen hat, nicht dazu kommen können, dass die Kanzlei die Namen der Gegner ihrer Mandanten veröffentlichen dürfte. Denn hier kollidiert das Recht der Anwälte auf freie Meinungsäußerung mit dem Persönlichkeitsrecht des Bürgers. Anwälte dürfen natürlich bei einer Zustimmung des Mandanten über ihre Arbeit berichten.
Der Inhaber des Anschlusses und die Vorverurteilung
Dieses dürfte deutlich im Vordergrund stehen und muss dazu führen, dass die Veröffentlichung von Namen von Bürgern zu unterbleiben hat.
Gerade in Download-Bereich steht zum Zeitpunkt der Mandatserteilung überhaupt noch nicht fest, dass und ob ein Anspruch gegen den Betroffenen besteht. Zunächst wird meist erst einmal gegen den Inhaber einer IP-Adresse vorgegangen, so dass noch nicht sicher ist, ob deren Inhaber tatsächlich für einen illegalen Download verantwortlich ist.
Der Erste Senat des BVerfG argumentierte in Bezug auf die Veröffentlichung von Unternehmensnamen damit, dass es ja nur um die Mitteilung des Mandats und nicht um eine Vorverurteilung gehe.
Druckmittel Angst
Bei Privatpersonen ist das anders zu bewerten. Die Kanzlei setzt erkennbar darauf, mit der Angst der mutmaßlichen Filesharer vor der Veröffentlichung ihr Namen eine raschere Zahlung zu erreichen, möglicherweise auch unter Verzicht auf bestehende eigene Rechte. Unabhängig davon, dass illegale Downloads nicht zu akzeptieren sind, muss die Durchsetzung der Rechte der Urheber und Verwerter auf einem rechtlich sauberen Weg geschehen.
Einer Veröffentlichung steht auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Bürgers, vom BVerfG selber hergeleitet aus dem Persönlichkeitsrecht, entgegen. So dürfen etwa Gerichte in ihren Urteilen keine Namen Privater veröffentlichen. Es wäre schon sehr erstaunlich, wenn zwar nicht das Gericht, aber der Gegner nun solche Entscheidungen mit Namensnennung ins Netz stellen dürfte.
Auch stellt sich die Frage, ob nicht schon die Datenschutzbestimmungen des BDSG eine Veröffentlichung verbieten, da die Daten gerade im Bereich illegaler Downloads meist elektronisch erfasst werden. – Die Rechtsgrundlage ist durchaus problematisch und eine Veröffentlichung ist wohl auch aus diesem Grund unzulässig. Man darf gespannt sein, was der Datenschutzbeauftragte dazu sagt.
Abmahnung erhalten – lieber schon vorbeugend gegen eine Veröffentlichung vorgehen
Im Fall der Regensburger Kanzlei könnten und sollten potenziell von einer Veröffentlichung betroffene Gegner sofort mit einer einstweiligen Verfügung gegen die Kanzlei vorgehen.
Möglicherweise könnten sie dies auch, was allerdings nicht unstreitig ist, per vorbeugenden Unterlassungsantrag tun, wenn sie etwa eine Abmahnung der Kanzlei erhalten. Zwar ist die Rechtsprechung des BGH zurückhaltend bei einem solchen Anspruch, wenn sich die Gefahr noch nicht konkretisiert hat. Die Ankündigung der Kanzlei, eine Auswahl von auch nur potenziellen Gegnern zu veröffentlichen, dürfte aber ausreichen, um mit Erhalt eines Abmahnschreibens von einer solchen hinreichend konkreten Gefahr auszugehen.
Den Regensburger Anwälten kann außerdem eine Auseinandersetzung mit der zuständigen Rechtsanwaltskammer bevorstehen. Auch Verstöße gegen das Persönlichkeits- oder Datenschutzrecht kollidieren mit § 43 BRAO, der Auffangvorschrift, nach der ein Anwalt bei der Ausübung seiner Tätigkeit nicht gegen allgemeine Gesetze verstoßen darf.
Wenn man entgegen allen vorstehenden Überlegungen eine Veröffentlichung von Informationen über die Gegner des Mandanten für zulässig halten wollte, müsste man über eine Verpflichtung von Rechtsanwalt und Mandant nachdenken, zumindest auch den Namen des Mandanten offen zu legen.
Gerade wenn es um die Veröffentlichung der Namen von Privatpersonen geht, bestünde anderenfalls ein erhebliches Ungleichgewicht, wenn man zwar den Gegner, nicht aber den eigenen Mandanten nennen darf oder gar muss. Die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen einerseits und die Meinungs- beziehungsweise Berufsausübungsfreiheit der Anwälte andererseits müssten mindestens auf dieser Basis in ein Gleichgewicht gebracht werden.
Es wird mit Interesse zu verfolgen sein, ob die Kanzlei ihre Ankündigung wirklich wahr macht.
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er ist zudem Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln und für anwaltliches Berufsrecht an der German Gradute School of Management and Law in Heilbronn.
Martin W. Huff, Abmahn-Anwälte wollen Gegnerliste veröffentlichen : . In: Legal Tribune Online, 21.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6892 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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