Neufassung des § 238 StGB: Stal­king ist keine Pri­vat­sache

von Dr. Yvonne Conzelmann

20.02.2017

2/2: Stalking ist primär Psychoterror

Immerhin hat der Gesetzgeber den Redaktionsfehler in § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB behoben und die Angehörigen des Opfers in den Kreis der Verletzungsadressaten aufgenommen.

Schwierigkeiten bereitet allerdings schon bisher das Merkmal des "beharrlichen" Nachstellens. Wäre dies durch eine nähere Beschreibung mit der kumulativen Verwendung der Begriffe "Qualität", "Intensität" "Häufigkeit" ersetzt worden, wäre dem Gesetzgeber eine verlässlichere Abgrenzung zu lediglich soziallästigem Verhalten gelungen. Im Übrigen wäre so klar geworden, dass für die Verwirklichung des strafbaren Stalkings keiner subjektiven Unrechtsgesinnung bedarf.

Einen weiteren, wesentlichen Aspekt hat der Gesetzgeber auch bei der Novelle nicht berücksichtigt: Die Norm erfordert auch künftig, dass das Nachstellen geeignet ist, die "Lebensgestaltung schwerwiegend" zu beeinträchtigen. Notwendig wäre gewesen, auch die Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens des Geschädigten aufzunehmen.

Überflüssiger Auffangtatbestand

Opfer von Stalking werden meist nicht körperlich angegriffen. Gleichwohl zeigen Umfragen bei Betroffenen, dass Geschädigte über Jahre hinweg an Angstzuständen und Depressionen leiden. Durch die Aufnahme des psychischen Wohlbefindens könnten innere Vorgänge und Zustände eines Menschen vom Tatbestand erfasst werden.

Beibehalten wurde die Auffangtathandlungsvariante des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB. In dem Fall nimmt der Täter eine "andere vergleichbare Handlung vor". Diese Tathandlungsvariante hätte ebenso gut ersatzlos gestrichen werden können: Das hätte nicht den Opferschutz reduziert, sondern  vielmehr eine stärkere Akzeptanz der Norm insbesondere im Hinblick auf verfassungsrechtliche Bedenken bewirkt. Tatsächlich war in der Praxis ein Rückgriff auf § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB bisher nie erforderlich.

Einig sind sich Stalkingexperten, dass dem facettenreichen und interdisziplinären Phänomen Stalking nicht allein durch eine Novellierung des Straftatbestandes Einhalt geboten werden kann. Vielmehr ist neben einer gesetzlichen Regelung auch eine Nachbesserung im Beratungs- und Unterstützungssegment erforderlich. Die Neufassung korrigiert immerhin ein paar der ursprünglichen Schwachstellen – ausreichend ist sie jedoch nicht.

Die Autorin Dr. Yvonne Conzelmann ist Associate bei White & Case in Frankfurt im Bereich Disputes. Sie promovierte an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen über das Thema Stalking.

Zitiervorschlag

Neufassung des § 238 StGB: . In: Legal Tribune Online, 20.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22126 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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