Bald steht Weihnachten vor der Tür. Die einen freut's, den anderen graut’s. Der Ablauf der Feiertage ist bereits durch zahlreiche Judikate vorgezeichnet. Fest steht: Weihnachten ist das Fest des (Rechts-)Friedens, meint Christian Peter.
Schon die Vorbereitung des Weihnachtsfestes ist für die rechtlich nicht versierten Bürger:innen, damit auch für Juristinnen und Juristen, nicht leicht zu bewältigen. Das alljährliche Sammeln von dekorativem Material aus der Natur zur Zierde des klein- oder großbürgerlichen Wohnzimmers ist bereits eine Herausforderung – Stechpalme sowie Weiß-, Torf- und Hainmoose gilt es zunächst als solche biologisch korrekt zu bestimmen, um sie anschließend unter die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote des § 44 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 1 und 2 Bundesnaturschutzgesetz in Verbindung mit der Anlage 1 der Bundesartenschutzverordnung treffsicher zu subsumieren.
Ist dies gelungen und folglich das Beschaffen natürlichen Dekorationsmaterials aus dem Wald ausgeblieben, liegt der eigene Kellerraum näher. Wird die dort in der heimischen Sauna kartonweise, aber nicht schlechthin grob sorglos gelagerte Weihnachtsdekoration hervorgeholt, ist darauf zu achten, dass im Zuge des Be- und Entladevorgangs der Sauna der darin installierte Saunaofen nicht in Betrieb gesetzt wird. Denn durch die Hitzentwicklung eines Saunaofens entzünden sich nach einhelliger Ansicht unmittelbar danebenstehende Pappkartons. Wegen grober Fahrlässigkeit fällt die spätere Bescherung, nein Leistung, des Gebäude-Feuerversicherers nur deutlich gekürzt aus (Landgericht [LG] München II, Urt. v. 08.05.2014, Az. 10 O 4590/13).
Christbaumschmuck oder Spielzeug?
Ist es entgegen der einhelligen Ansicht ausnahmsweise nicht zu einem Brand gekommen oder hat sich die Weihnachtsdekoration als besonders feuerfest erwiesen, sinniert zumindest der interessierte Hobby-Markenrechtler beim Auspacken der Kartons hocherfreut über die Ähnlichkeit zwischen Christbaumschmuck und Spielzeug: Die Ursprünge des Christbaumschmucks liegen im Naschwerk aus Äpfeln, Nüssen und Zuckergebäck. Später zierte sog. Dresdner Pappe den Weihnachtsbaum, also bemalte und folierte Tierfiguren aus Pappe, bevor Glaskugeln, Blechspielzeug, aus Holz geschnitzte Figuren aus dem Erzgebirge sowie selbst gebastelte Holz- und Strohsterne an die Zweige gehängt wurden.
Noch heute gibt es Bastelsets für Kinder zur eigenen Herstellung von Christbaumschmuck, ebenso gibt es Christbaumanhänger in Form miniaturisierter Spielzeuge, was auch dem hauptberuflich tätigen Markenrechtler schließlich über seine Zweifel hinweghilft, dass Christbaumschmuck der passiven Dekoration, Spielzeug hingegen der aktiven Beschäftigung dient (Bundespatentgericht, Beschl. v. 28.09.2020, Az. 26 W (pat) 62/14).
Rentier ist kein Haarwild
Geht es dann in der Küche um das traditionelle Backen eines Christstollens, der nicht nur in der eigenen Familie als "Der Beste" bezeichnet wird, hat der Tatrichter festzustellen, ob der so bezeichnete Stollen in seinem Wert gemindert ist, weil er ohne Butter gebacken wurde. Sowohl nach Sachverständigen- als auch nach der Verkehrsauffassung ist bei einem als "Der Beste"“ bezeichneten Stollen bei Herstellung mindestens zur Hälfte als Fettzusatz Butter zu verwenden (Oberlandesgericht [OLG] Koblenz, Beschl. v. 07.07.1982, Az. 1 Ss 314/82).
Während die Vorbereitung des Weihnachtsfestes in vollem Gange ist, machen sich erste entfernt wohnende Familienmitglieder zu Besuchszwecken mit ihrem PKW auf den Weg. Treffen sie unterwegs auf den Schlitten des Weihnachtsmannes und kollidieren mit einem Rentier, so ist dieser Schaden nicht von der Fahrzeugteilversicherung umfasst. Ein Rentier – auch Rudolph, "the Red-Nosed Reindeer" – ist kein Haarwild im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bundesjagdgesetz (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 25.06.2003, Az. 7 U 190/02).
Führt die Reiseroute zufällig durch Bulgarien, sollte eine als Weihnachtsmann verkleidete Statue einer historischen politischen Person keine desillusionierenden Zweifel an der Existenz des Weihnachtsmannes hervorrufen; es handelt sich nur um einen satirischen Protest eines Lokalpolitikers, der von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch macht (Europäischer Gerrichtshof für Menschenrechte, Urt. v. 06.04.2021, Az. 10.783/14).
Feuer und Flamme an Heiligabend
Ist der Heilige Abend gekommen, funkelt, glitzert oder blinkt die geschmückte Wohnstube, stellt nichtsdestotrotz früher oder später jemand fest: "Früher war mehr Lametta".
Während in der traditionsbewussten Juristenfamilie eine Diskussion über die Originalität dieser Wortfolge, insbesondere im Hinblick auf ihre grammatikalische Fehlerhaftigkeit, entflammt (OLG München, Beschl. v. 14.08.2019, Az. 6 W 927/19), wird anderswo sofort Abhilfe geschaffen: Für einen besonderen Effekt werden Wunderkerzen an den Weihnachtsbaum gehängt und entzündet. Ist man nicht nur selbst Feuer und Flamme für diese Idee, sondern auch der Baum und später die übrige Wohnung, lässt grobe Fahrlässigkeit die Einstandspflicht des Hausratversicherers entfallen (LG Offenburg, Urt. v. 17.10.2002 – 2 O 197/02, VersR 2003, 1529).
In der diskussionsfreudigen Familie folgt auf die Diskussion über Loriots "Früher war mehr Lametta" das übliche Trompetenspiel im Reihenhaus, wohlwissend dass dieses an Werktagen unter Einhaltung der Ruhezeiten nicht länger als zwei bis drei Stunden dauern darf und dem klagefreudigen Nachbarn die Geräuscheinwirkungen in gewissen Grenzen zumutbar sind (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 143/17, NZM 2019, 86).
Dauert das Trompetenspiel unerwartet länger als eingeplant und steht noch ein Besuch anderer Verwandter an, kommt es vor, dass brennende Kerzen vergessen werden, die unbeaufsichtigt einen Zimmerbrand auslösen. Glück im Unglück hat hier, wer vor dem Verlassen der Wohnung fest entschlossen war, die Kerzen zu löschen, aber wegen einer heftigen Auseinandersetzung mit dem an sich folgsamen zehnjährigen Sohn, der sich weigert, an dem Verwandtenbesuch teilzunehmen, davon abgehalten wird, während zwei weitere Kleinkinder zu dem vor dem Haus geparkten PKW laufen, in dem der Familienvater wartet und hupt. Ein Versicherungsfall wird dann laut OLG Oldenburg nicht grob fahrlässig herbeigeführt (Urt. v. 29.09.1999, Az. 2 U 161/99).
Streit nach dem Fest
Sind die Weihnachtsfeiertage vorüber, gilt es die weihnachtlich geschmückten Bäume abzuschmücken. Wer seine elf Meter hohe Fichte auf seinem Hausgrundstück hoch dekoriert und den Ortswehrführer der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr überredet hat, zum Abschmücken eine Feuerwehrleiter zur Verfügung zu stellen, kann jedoch nicht mit dem Argument, es habe sich um eine Feuerwehrübung gehandelt, Amtshaftungsansprüche geltend machen, wenn er von der Leiter gestürzt ist (OLG Schleswig, Urt. v. 29.08.1996, Az. 11 U 24/95).
Sollte nun wegen all dieser Ungerechtig- und Misslichkeiten auch die Trennung vom Ehepartner in Erwägung gezogen werden und Streit über den Fleischfondue-Topf ausbrechen, sei schon jetzt daran erinnert, dass es nicht zwangsläufig unbillig erscheint, dass ein Ehegatte den Fleischfondue-Topf mitnimmt, wenn der andere Ehepartner ohnehin über einen eigenen Fondue-Topf verfügt (OLG Nürnberg, Beschl. v. 05.08.2005, Az. 7 UF 382/05).
In diesem Sinne, frohe Weihnachten!
Der Autor ist Diplom-Jurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich "Recht und Literatur" an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Wenn er sich nicht dem Schreiben einer juristischen Humoreske über das Weihnachtsfest widmet, promoviert er dort zur Legitimation der deutschen Buchpreisbindung.
Gerichtsentscheidungen rund um Heiligabend: . In: Legal Tribune Online, 24.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47037 (abgerufen am: 04.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag