Techtelmechtel im Büro: Wenn die Liebe vor den Arbeits­richter führt

von Uwe Wolf

23.10.2010

Händchenhalten in der Kantine, schmachtende Blicke im Fahrstuhl oder heiße Küsse im Kopierrraum: Liebe im Büro ist ein schillerndes, facettenreiches Thema. Führen die amourösen Verstrickungen aber in der Firma zu Misstönen, beschäftigt das Liebensleben schnell die Gerichte.

Der Inhaber einer Textilreinigung in Südhessen beschäftigte außer seinem Sohn vier Büglerinnen.  Der Firmenfrieden in dem Kleinunternehmen hätte perfekt sein können, hätte nicht eine der Angestellten ihren Hang zum Tratschen entdeckt.

Die mitteilsame Mitarbeiterin streute gegenüber zwei Kolleginnen das Gerücht, die dritte Kollegin unterhalte seit Monaten ein Verhältnis mit dem Juniorchef. Das Schandmaul sparte nicht mit Details: Die angeblichen Turteltauben träfen sich immer dann, wenn die Freundin des Juniorchefs im Urlaub oder auf Dienstreisen sei.

Eine "Erklärung" für den behaupteten Fehltritt der Kollegin hatte die Tratsch-Suse ebenfalls parat: Da ihr Ehemann seit längerem krank sei, benötige die Kollegin offensichtlich "sexuelle Abwechslung".

Angebliche Affäre mit dem Juniorchef

Als die angebliche mannstolle Mitarbeiterin von der Mundpropaganda erfuhr, fiel sie aus allen Wolken: Tagelang schüttelten sie Weinkrämpfe. Nie wieder, so der Schwur der Bescholtenen, würde sie mit der Urheberin des "Rufmords" zusammen arbeiten.

Als der Seniorchef um die Arbeitsfähigkeit seines Betriebs fürchten musste, kündigte er der Gerüchteschleuder fristlos.

Vor dem Arbeitsgericht hatte der Rauswurf Bestand. Die unbewiesenen Behauptungen seien geeignet, das Ansehen des Vorgesetzten und den Betriebsfrieden insgesamt "erheblich zu beeinträchtigen".

Dass die Denunziantin zu 50 Prozent schwer behindert war, half ihr ebenso wenig wie ihre 15-jährige Betriebszugehörigkeit: Da in dem Kleinstbetrieb eine Umsetzung unmöglich sei, bleibe nur die fristlose Kündigung (Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Az. 4 Ca 5471/00).

Rosenkrieg in der Großbäckerei

Dicke Luft herrschte auch in einer Großbäckerei in Bonn. Ein Mitarbeiter in einer Ver-kaufsstelle lebte in Scheidung mit seiner Frau. Pikantes Detail: Die Gattin war Mitinhaberin des Unternehmens.

Nach Darstellung der Geschäftsleitung sollte der Verkäufer seine Frau wegen der Trennung im Betrieb verbal wie auch körperlich "massivst bedroht"haben. Die Übergriffe hätten vereinzelt auch zu körperlichen Gewaltanwendungen im Privatleben sowie zu Morddrohungen geführt. Dieses unsoziale Verhalten, so der Arbeitgeber weiter, habe unmittelbare Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis und den Betriebsfrieden. Dem vermeintlichen Unhold wurde fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt.

"Kündigung unwirksam", urteilte wenig später das Arbeitsgericht Köln. "Zu pauschal und unsubstantiiert" erschienen dem zuständigen Arbeitsrichter die Vorwürfe. Da die behaupteten Missetaten bestritten seien, hätten die angeblichen Wutausbrüche bezüglich Datum, Uhrzeit sowie der konkreten Umstände der Ausraster genau aktenkundig gemacht werden müssen.

Selbst wenn die behaupteten Drohungen und Beleidigungen auch vor Kunden ausgesprochen worden wären, hätte dem Verkäufer sein Fehlverhalten dennoch zunächst durch eine Abmahnung vor Augen geführt werden müssen (Arbeitsgericht Köln, Az. 5 Sa 566/02).  

Gemeinsames Ausgehen und Beziehungen sind "off limits"

Puritanische Strenge versuchte der US-Einzelhandelsriese Wal-Mart vor rund fünf Jahren auch in seinen deutschen Filialen einzuführen. Laut einem insgesamt 28-seitigen Geschäfts- und Ethik-Kodex ("Code of business conduct and ethics") war es den Angestellten unter anderem verboten, "mit jemandem auszugehen oder in eine Liebesbeziehung mit jemandem zu treten, wenn Sie die Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen können oder der Mitarbeiter Ihre Arbeitsbedingungen beeinflussen kann."

Die zuständige Gewerkschaft fühlte sich in ihren Mitbestimmungsrechten verletzt und zog vor Gericht. Bei dem zitierten Ausgeh- und Beziehungspassus mussten die Richter das Mitbestimmungsrecht gar nicht erst prüfen.

Nach Ansicht der Arbeitsjuristen verstieß die betreffende Passage der Richtlinien gegen Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes und war bereits deshalb nichtig

Das Recht, sich seinen privaten Umgang und seinen Partner frei auszusuchen, sei als elementarer Teil der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts dem regelnden Zugriff des Arbeitgebers entzogen. Erst wenn aufgrund der Beziehung konkrete Spannungen am Arbeitsplatz entstünden, könne der Arbeitgeber im Rahmen des gültigen Arbeitsrechts tätig werden (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 10 TaBV 46/05).

Der Verfasser Dr. Uwe Wolf ist Jurist und freier Autor in Düsseldorf

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Zitiervorschlag

Uwe Wolf, Techtelmechtel im Büro: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1779 (abgerufen am: 16.11.2024 )

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