3/4: Yes, endlich mal Notwehrprovokation
Auch die Macher des Kölner Tatorts scheinen heimlich Erstsemester-Vorlesungen im Strafrecht besucht zu haben, denn der Fall erinnert stark an die schikanösen Aufgaben zu den nur spärlich kodifizierten Tatbestandsvoraussetzungen des §§ 32 ff Strafgesetzbuch (StGB) und ihren gefühlt tausend Ausnahmen.
Ein Ladenbesitzer und selbsterklärter Fremdenfeind streut in seinem von Ausländern stark frequentierten Einzugsbereich das Gerücht, dass er viel Bargeld habe, um von eben einem dieser Ausländer ausgeraubt zu werden und diesen dann - in Notwehr - erschießen zu "dürfen".
Natürlich decken die Kölner Tatortkommissare, die in dieser Episode Döner statt Pommes verspeisen, dieses perfide Komplott auf und überführen den Ladenbesitzer, der allerdings nicht den bösen Ausländer erschießt, sondern seinen eigenen Sohn, der ihm zur Hilfe eilen will. Die gleichfalls im ersten Semester gelehrte error in persona wird also auch noch in den Fall mit eingebaut – nur das mit dem Mord ist halt so 'ne Sache.
Selbst wenn es der Ladenbesitzer darauf anlegt, endlich einmal ausgeraubt zu werden, um den Räuber dann in Notwehr erschießen zu können (=Notwehrprovokation), setzt sein perfider Plan nicht gleich sämtliche Notwehrrechte außer Kraft, sodass man ihn mangels Notwehr wegen Mordes verurteilen könnte.
Wollte man eine der – natürlich vorhandenen - anderen Theorien vertreten, dürfte jeder Räuber, der sich zu seiner Tat herausgefordert fühlt, seinerseits Notwehr gegen sein sich wehrendes Opfer üben. Oder anders gesagt: Wenn Sie als Ladenbesitzer in den Lauf der Pistole eines Räubers blicken, wäre es Mord am Räuber, wenn Sie und nicht er zuerst schießt, obwohl das Ausrauben von Läden jetzt auch nicht so ganz ok ist? Wohl kaum. Denn auch bei provokantem Vorverhalten kann keine Duldungspflicht dergestalt bestehen, Angriffe, die die körperliche Integrität erheblich und unvorhergesehen verletzen (der Ladenbesitzer wird mit einer Pistole bedroht), hinzunehmen.
Ergo kann – der Ladenbesitzer nicht wegen Mordes an dem (vermeintlichen) Räuber verurteilt werden. Aber vermutlich haben es die Tatort-Macher dem Großteil der Studierenden gleich getan und sind bereits nach dem ersten Drittel der Strafrechtsvorlesung lieber in die Cafeteria gegangen - ego te absolvo.
Der Tatort-Check: Wacht am Rhein: . In: Legal Tribune Online, 16.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21774 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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