2/2: Biografie in Kürze: Ahasverus Fritsch
Medienkritik und repressive Phantasien mit Blick auf Zeitungs- und andere Medienleute mögen heute als Befindlichkeitsstörung von Menschen in die Öffentlichkeit treten, die es verlernt haben, echte politische Machtfragen zu stellen. Ahasverus Fritsch war hingegen niemand, der sich als Kritiker vom Rand der Gesellschaft her betätigte: 1629 war er als achtes von zehn Kindern des Bürgermeisters von Mücheln bei Halle zur Welt gekommen. Die schwedische Besatzungsmacht zerrüttete in diesen Jahren des Dreißigjährigen Krieges zwar auch den Wohlstand der Familie Fritsch, der junge Ahasverus kam jedoch nach einigen theologischen Studien und dem Studium der Rechte rasch zu ersten akademischen Meriten: Er hielt bald eigene juristische Lehrveranstaltungen, war offenbar beliebt, eine Professur stand wohl in Aussicht.
Im Jahr 1657, Ahasverus Fritsch war 28 Jahre alt, wurde er allerdings von Emilia Antonia, der Regentin des thüringischen Zwergfürstentums Schwarzenburg-Rudolstadt, angestellt. Ein Karriereschritt, wie er in feudalen Zeiten vorkommt: Zunächst wurde Fritsch als Erzieher und Berater des noch jugendlichen, später regierenden Grafen Albert Anton (1641-1710) tätig. Die Karriere des Bürgersohns am eher bescheidenen Hof schritt kräftig voran. Man geruhte schon bald, Ahasverus Fritsch zum Archivar zu berufen, also in ein Amt, das die Staatsgeheimnisse zu hüten hatte. In späteren Jahren brachte es Fritsch zum Kanzler des Kleinstaats, zum höchsten Beamten von Schwarzenburg-Rudolstadt.
Als er 1701 an einem Nierenleiden verstarb, wurde sein literarischer Nachlass auf 300 bis 450 Schriften geschätzt, heute geht man von rund 300 aus. Publikationswütige Juristen müssen sich davon nicht anstecken lassen, denn in der Mehrzahl handelte es sich um theologische Werke sowie um Kirchenlied-Dichtungen.
Nachleben eines Erfolgsjuristen
Ahasverus Fritsch schrieb viel und wurde lange zur Kenntnis genommen. Noch 90 Jahre nach seinem Tod erschienen Nachdrucke, seine moralischen und satirischen Schriften, unter anderem gegen die Korruption von Staatsbediensteten und den Pennalismus, das Burschenunwesen an den protestantischen Schulen und Universitäten, hatten ein langes Nachleben.
Fritschs Schrift von der Lügenhaftigkeit des neuen Mediums "Zeitung" ist trotz mancher Textstelle, die sich heute erfreulich garstig lesen lässt, - wie eigentlich alles andere von Ahasverus Fritsch Geschriebene -weitgehend in Vergessenheit geraten. Eigentlich schade, denn von dieser Welt, in der ein frommer Protestant und Anhänger der neustoischen Gesellschaftslehre sich Gedanken über ein "neues Medium" machte, weiß man viel zu wenig.
Verdikt gegen Nachrichtenmacher und Schwätzer
Dabei schrieb der kleine Fürstendiener in dieser winzigen thüringischen Herrschaft, dort, wo sich noch Kuh und Kanzler persönlich kannten, bereits Dinge, die man heute gut über die Online-Portale von "Bild" wie von "Bildblog" in Stein meißeln könnte: "Es gibt nicht wenige, die Freude daran haben, Nachrichten zu fälschen und mit ihrer Verbreitung die Menschen, vor allem die einfacheren, zu täuschen. Dadurch aber versündigen sich die Nachrichtenmacher und Schwätzer schwer gegen Gott, gegen den Staat und ihren Nächsten."
Wen Ahasverus Fritsch, dieser vergessene Jurist, heute als "Nachrichtenmacher" und wen als "Schwätzer" beschimpfen und mit Kerker und Peitsche bedrohen würde, die einen oder die anderen oder Sie und uns allesamt, darüber wollen wir an dieser Stelle lieber nicht spekulieren.
Hinweis/Quelle: Biografische Angaben wurden dem Apparat zu Fritschs "Der Beschämte Geschenck-Fresser (1686)", 1995 herausgegeben von Detlef Ignasiak, entnommen. Die Übersetzung von Ahasverus Fritschs „Discursus de Novellarum“, aus der hier zitiert wurde, stammt von Walter Barton und erschien in Heft 2/1998 der "Blätter des Vereins für Thüringische Geschichte".
Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln.
Martin Rath, Rechtsgeschichte: . In: Legal Tribune Online, 07.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15745 (abgerufen am: 15.11.2024 )
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