Am 25. April 1966 ging es vor dem 3. Strafsenat des BGH gegen einen rechtsextremistischen Sektierer zur Sache. Am gleichen Tag klärte der Senat die Kollegen vom LG Frankfurt ebenso harsch über die korrekte Kommunisten-Bewertung auf.
Im Kampf gegen verfassungsfeindliche Kräfte legte jedenfalls die Bundesregierung in den jungen Jahren der Republik Wert auf öffentlichkeitswirksames Timing. Drei Tage bevor sie den Antrag zum Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) stellte, beantragte sie beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG), die Sozialistische Reichspartei (SRP) zu verbieten, eine offen nationalsozialistisch inspirierte Vereinigung. Mit diesem Schachzug ließ sich der Eindruck vermeiden, die Regierung Adenauer agiere einseitig.
Der Umstand, dass das BVerfG diese beiden Verbotsverfahren mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit betrieb - die SRP fand 1952 ihr Ende als legale Vereinigung, während die KPD erst vier Jahre später verboten wurde -, führte zu erheblichen Querelen zwischen Regierung und Gericht, vergleichbar dem aktuellen polnischen Konflikt zwischen Regierung und Verfassungsgericht.
Ob sich hingegen der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Timing von der Aussicht auf eine ausgewogene Presse hat leiten lassen, als sein 3. Strafsenat am 25. April 1966 Extremisten beider Seiten des politischen Spektrums ihr jeweiliges strafrechtliches Urteil mit auf den Lebensweg gab, muss zwar Gegenstand der Spekulation bleiben. Sollte der Eindruck der Ausgewogenheit bezweckt gewesen sein, hätte sich der BGH die Mühe in der Terminierung allerdings umsonst gemacht. Denn die Strafsachen unter den Aktenzeichen 3 StR 1/66 und 3 StR 25/65 blieben in der Öffentlichkeit – soweit festzustellen war – weitgehend unbemerkt.
Frankfurter Richter verstehen kommunistische Gefahr nicht
Dabei hätte das Urteil gegen Angehörige des "Gesamtdeutschen Arbeitskreises der Land- und Forstwirtschaft", damals als "GALF" abgekürzt, einen Platz in der Geschichte einer deutschen Gerichtssoziologie verdient: Das Landgericht Frankfurt am Main war von den in Karlsruhe herrschenden Auffassungen – nicht nur solchen zum Recht – abgewichen und wurde dafür heftig gerüffelt. Es wäre recht interessant herauszufinden, wann und warum Richtergezänk in unserer Republik mildere Formen annahm.
Doch zur Sache: Beim GALF handelte es sich - so die Auffassung der Bundes- und verschiedener Landesregierungen - um eine Tarn- und Ersatzorganisation der verbotenen KPD, nach Kenntnis des Gerichts finanziert und gesteuert von der beim BGH noch als sowjetisch besetzte Zone (SBZ) bezeichneten DDR. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, als Verleger der GALF-eigenen Zeitschrift "Das Land" gegen eine Reihe von Strafnormen verstoßen zu haben, nämlich die §§ 90a, 90b, 100d Abs. 2, 128, 94 Strafgesetzbuch (StGB).
Einerseits ist es außerordentlich komisch, sich diese kommunistische Wühlarbeit beispielsweise unter westfälischen Schweinezüchtern oder fränkischen Waldbaronen vorzustellen, denen die sonntägliche Predigt des Pfarrers Gottes Wort kundtat, mit Sicherheit aber nicht Walter-Ulbricht-Zitate, vorgetragen in fisteligem Sächsisch.
Doch in den 1950er, 1960er Jahren gingen in der Landwirtschaft unzählige Arbeitsplätze verloren, auch war die Bauernschaft noch nicht an die sedierenden Subventionen der europäischen Agrarordnung gewöhnt. In Bayern brachte es mit Richard Scheringer (1904-1986) sogar ein kommunistischer Landwirt trotz seiner rheinpreußischen und nationalsozialistischen Vergangenheit zu einer gewissen Berühmtheit – ohne 10-Prozent-Sperrklausel hätten es die Kommunisten 1946 sogar in den schwärzesten aller Landtage gebracht.
Zudem wurden die Behörden und Gerichte, glaubt man einem zeitgenössischen Bericht der Wochenzeitung Die Zeit, durch einen V-Mann mit dem schönen Namen Alois Dicklhuber in überzeichneter Form über die bolschewistischen Bemühungen um die westdeutsche Bauernschaft versorgt.
Martin Rath, Historische Strafurteile des BGH: . In: Legal Tribune Online, 24.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19176 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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