Abgeschlossene Rechtsgebiete: Hof-Recht und Hof-Mohr

von Martin Rath

22.12.2013

2/2: Kammer-Mohren im Hof-Recht

Für den deutschsprachigen Raum gibt die schwäbische Bürokratie Auskunft über einen sogenannten "Kammer-Mohren" im Umkreis des Stuttgarter Hofes: Der Herzog von Württemberg, der gerade erst von Napoleons Gnaden eine Aufwertung zum König erlebt hatte, ließ für die Jahre 1807/1808 ein "Königlich Württembergisches Staatshandbuch" zusammentragen, das – mit putziger Detailgenauigkeit – selbst noch die Postkutschen-Fahrzeiten im Herrschaftsgebiet dokumentiert. Zwischen seinen Kammer-Portiers und seinen Kammer-Leibjägern benennt das Staatshandbuch einen Herrn Olivier als "Kammer-Mohr", zu dessen Aufgaben es - ausweislich anderer Dokumente der schwäbischen Bürokratie - gehörte, Geschenke an seinen Fürsten entgegenzunehmen.

Genauere Auskünfte zu den Hof-Mohren bzw. Kammer-Mohren gibt aber ein mehrtausendseitiges Werk zum "Teutschen Hof-Recht", das der Jurist Friedrich Karl von Moser-Filseck (1723-1798) ab dem Jahr 1754 herausgab.

"Teutsches Hof-Recht" - 250 Jahre alt und rotzfrech!

Heutige Rechtsgelehrte müssen nicht im Detail darüber nachsinnen, wie man sich dem amtierenden Staatsoberhaupt körperlich nähern darf. Das ist ein Fortschritt, bei dem allerdings auch viel frecher Spaß verloren geht.

Zum feudalen Hofamt des Kämmerers erklärt Moser beispielsweise, dass es - richtig ausgestaltet - zwar zu den wichtigen politischen Positionen eines Fürstentums zählt, weil es seinen Inhabern zu beinah jeder Tages- und Nachtzeit Zugang zum Souverän verschafft (etwas, wovon heutige oberste Staatsdiener auch träumen). Am kaiserlichen Hof zu Wien sei die Kammerherren-Würde aber derart inflationär verbreitet, dass mancher das Amt nur einmal im Leben wirklich ausübe: Eines Morgens will ein ehrenamtlicher Kammerherr von blauem Blut das nominelle Amt ausfüllen, indem er dem Kaiser beim Ankleiden hilft. Doch erkennt der Kammerherr den Kaiser nicht, weil dieser im Nachthemd daherkommt. Und der Kaiser ist nicht erfreut, vom Kammerherrn gefragt zu werden, ob er wisse, wo er denn sei, der Kaiser.

In einer Liste der an deutschen Fürstenhöfen vertretenen Ämter führt Moser auch einen "Hof-Tellerlecker", einen "Hof-Lügner, Hof-Ohrenbläser" und einen "Hof-Müßiggänger" auf. Als eines der Hindernisse bei seiner empirischen Untersuchung der im Umfeld deutscher Fürsten gepflegten Rechtsverhältnisse nennt Moser, "an den größten so gut wie an kleinen [Höfen] beruhet die Hof-Verfassung meisten Theils auf einem von den alten Dienern auf die neue fortgepflanzten Herkommen und dieser Hof-Schlendrian ersetzt den Abgang geschriebener und Gesetz-mäßig verfaßter Ordnungen“. Wie viel Behörden-Soziologie steckt doch noch heute in diesen Beobachtungen!

Leider verschwand der Hof-Mohr ohne Andenken

Die Nähe zum Fürsten bestimmte auch für den "Hof-Mohren", zwar nicht den Rang, aber doch einen Teil seines Renommees: Im Württembergischen "Staatshandbuch" wird der Staat in Kreisen um den Körper des Königs beschrieben. Herr Olivier, der "Kammer-Mohr", rangiert jedenfalls hier weit vor allen Ministern, Militärs oder gar den peripheren Juristen des Königreichs.

Die rechtshistorischen Seiten im Buch der deutschen Kolonialgeschichte Afrikas - zwischen 1884/85 und 1919 - erzählen viel von juristischen Gedankenspielen über Form und Ausmaß der "körperlichen Züchtigung" der afrikanischen "Schutzbefohlenen". Es ist vielleicht kein Zufall, dass einer der Kolonialjuristen später bei der Formulierung eines Gestapo-Prügelerlasses beteiligt war.

Am 20. Dezember 1746 verschwand der juristisch und philosophisch gebildete Hof-Mohr Anton Wilhelm Amo aus Europa – und weitgehend aus dem historischen Gedächtnis. Das ist, mit Blick auch auf die deutsch-afrikanische Rechtsgeschichte, durchaus ärgerlich.

Hinweis: Friedrich Karl von Mosers wirklich grandioses "Teutsches Hof-Recht" ist als Digitalisat über die Bayerische Staatsbibliothek online verfügbar.

Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Abgeschlossene Rechtsgebiete: . In: Legal Tribune Online, 22.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10448 (abgerufen am: 14.11.2024 )

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