Am Montag vor genau 120 Jahren - am 26. Oktober 1895 - wurde das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig feierlich eingeweiht. Seitdem wurde am heutigen Sitz des BVerwG nicht nur Recht gesprochen.
"Das Reichsgericht erhält seinen Sitz in Leipzig." Darauf verständigten sich Bundesrat und Reichstag am 11. April 1877 in einem Gesetz und beendeten damit eine lebhafte Debatte um den Standort des noch zu gründenden obersten deutschen Gerichts für Zivil- und Strafsachen.
Mit Ludwig Hoffmann (1852-1932) und Peter Dybwad (1859-1921) setzten sich 1884/85 in einem Wettbewerb zur Errichtung des Reichsgerichtsgebäudes zwei junge, bis dahin unbekannte Architekten durch. Nach nur siebenjähriger Bauzeit bezog das 1879 in Leipzig gegründete Reichsgericht sein neues Gebäude. Dem Reichsgericht waren u.a. der Reichsdisziplinarhof und der Ehrengerichtshof für die Rechtsanwälte sowie in der Zeit der Weimarer Republik der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich und das Reichsarbeitsgericht angegliedert. Der Reichsgerichtsbau war ferner Sitz der Reichsanwaltschaft, der obersten Anklagebehörde.
In den folgenden 50 Jahren betrieb das Reichsgericht Rechtsfortbildung nicht nur bei der Auslegung des am 1. Januar 1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen Gesetzbuches. Dunkler war die Rechtsgeschichte, die das Gericht auf dem Gebiet des Strafrechts schrieb. Zahlreiche Strafprozesse wie das Hochverratsverfahren gegen Karl Liebknecht (1907), der Ulmer Reichswehrprozess (1930) und der Reichstagsbrandprozess (1933) fanden in dem Gebäude statt. Heute bezweifelt niemand mehr, dass nicht nur das Urteil im Reichstagsbrandprozess, welches die Generalbundesanwältin Monika Harms in Bezug auf den aufgrund eines rückwirkenden Gesetzes zum Tode verurteilten mutmaßlichen Brandstifter Marinus van der Lubbe im Jahr 2007 aufhob, Unrecht war.
Vom Gericht zum Museum und wieder zurück
Ab 1945, nach der Auflösung des Reichsgerichts, wurde das Gebäude über mehrere Jahrzehnte von unterschiedlichen Institutionen genutzt. Seit 1952 trug es den Namen "Georgi-Dimitroff-Museum", beherbergte aber auch das Museum der Bildenden Künste, das Institut für Länderkunde, das Sächsische Staatsarchiv und Synchronstudios der DEFA.
Seiner ursprünglichen Nutzung als Gerichtsgebäude wurde es nach der Wiedervereinigung wieder zugeführt: Die Unabhängige Föderalismuskommission des Bundes und der Länder empfahl am 27. Mai 1992, das bis dahin in Berlin residierende Bundesverwaltungsgericht einschließlich der beiden Münchener Außensenate nach Leipzig zu verlegen. Zu diesem Zweck wurde das Reichsgerichtsgebäude ab 1998 aufwändig saniert, restauriert und umgebaut. Seit dem 26. August 2002 ist es Sitz des obersten Gerichtshofs des Bundes auf dem Gebiet der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Aus Anlass des Jubliäums findet ab dem 29. Oktober ein zweitägiges Symposion statt, in dessen Rahmen sowohl die Bau- und Nutzungsgeschichte des Gebäudes als auch die verfassungs-, zivil- und strafrechtliche Rechtsprechung des Reichsgerichts sowie die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) näher untersucht werden sollen. Vom 2. November bis 23. Dezember finden in der Kuppelhalle des Gerichtsgebäudes zwei Sonderausstellungen zu den Themen "120 Jahre Reichsgerichtsgebäude" sowie "Die Reichsgerichtsbibliothek im Wandel der Zeit" statt.
bgh/age/LTO-Redaktion
Jubiläum: . In: Legal Tribune Online, 26.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17330 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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