Finanzierung von parteinahen Stiftungen: Mil­lionen für die Par­tei­ar­beit?

von Alexander Hobusch

03.06.2019

Hunderte Millionen bekommen parteinahe Stiftungen aus dem Bundeshaushalt. Genau nachweisen müssen sie die Mittelverwendung bisher nicht. Ein anhängiges Organstreitverfahren könnte das ändern, meint Alexander Hobusch.

581 Millionen Euro. So viel Geld teilten die parteinahen Stiftungen der im Bundestag vertretenen Parteien im Jahr 2017 an Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt untereinander auf. In Relation zur absoluten Obergrenze der staatlichen Finanzierung aller Parteien von 190 Millionen Euro gem. § 18 Abs. 2 S. 1 Parteiengesetz (PartG) ist das eine gigantische Summe. Einleuchtend, dass auch die neu ins Parlament eingezogene AfD von den Mitteln profitieren möchte.

Die Stiftungen werden beinahe ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanziert. Größter Mittelgeber ist der Bund. Die Zuwendungen aus den Ländern sind in die 581 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt 2017 noch nicht eingerechnet. Die Aufteilung der Gelder wird dem Stiftungsproporz entsprechend ausgehandelt, welcher sich regelmäßig aus den Wahlergebnissen der nahestehenden Partei ergibt. Verhandelt wird die Verteilung der Mittel damit von den Haushaltspolitikern der Parteien.

Stiftungsaufgaben gleich Parteiaufgaben?

Transparent sind die Stiftungsfinanzen damit nicht: Zwar veröffentlichen die Stiftungen freiwillig ihre Jahresabschlüsse im Bundesanzeiger. Daraus ist ersichtlich, wie viel Geld sie erhalten und wofür es verausgabt wird. Eine Regelung, wie die Mittel unter den Stiftungen aufgeteilt werden und wer überhaupt Anspruch auf staatliche Stiftungsgelder hat, wird aber seit Jahren aus der Wissenschaft erfolglos gefordert. Gerade bei einem Betrag von einer halben Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt dürfte es sich aber um eine derart wesentliche Frage handeln, dass ein formelles Gesetz zwingend erforderlich ist.

Dies auch, weil die parteinahen Stiftungen mit Ausnahme der Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP gar keine Stiftungen im rechtlichen Sinne sind. Die Übrigen, also die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), die Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis 90/Die Grünen), die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Die Linke) und die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) sind eingetragene Vereine iSd §§ 21 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Ihr Aufgabenspektrum ist breit gefächert: Sie unterhalten Auslandsbüros und engagieren sich im Bereich Entwicklungszusammenarbeit, sie betreiben Begabtenförderung und vergeben Stipendien an begabte Studenten und Doktoranden, sie unterhalten Archive, Bibliotheken aber auch Forschungseinrichtungen, sie leisten Politikberatung und – vornehmlich – sie betreiben politische Bildungsarbeit.

Die Aufgaben sind teilweise weiter, teilweise weniger weit von den Parteiaufgaben entfernt: Auslandsbüros helfen der nahestehenden Partei im Wettbewerb in Deutschland nur eingeschränkt. Wenn die Institute der Stiftungen aber vor allem in den für ihre Parteien relevanten Themengebieten forschen, ergibt sich dadurch ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Daneben ist die Nachwuchsförderung, also etwa die Herausbildung und Förderung von (jungen) Führungspersönlichkeiten, eine Kernaufgabe der Parteien, welche jedenfalls in Teilen auch auf die Stiftungen ausgelagert wird. Und auch das allgemeine Feld der politischen Bildung ist parteilich geprägt: Dass politische Bildung komplett neutral erfolgen könnte, ist nahezu unbestritten. Politische Bildung gehört im Übrigen nach § 1 Abs. 2 PartG zu den Aufgaben der Parteien.

Indirekte staatliche Parteienfinanzierung

Die Parteien profitieren indirekt von den großzügigen Zuschüssen an die Stiftungen, weil sie eigene Aufwendungen für Nachwuchsförderung, für politische Bildung und für Politikberatung einsparen. Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und die Stiftungen als rechtlich verselbständigte Teilorganisationen der Partei einstufen, die exklusive Mitgliederstruktur der Stiftungen spricht hier eine deutliche Sprache: So beträgt der Anteil an Parteimitgliedern etwa bei der Konrad-Adenauer-Stiftung mindestens 87,5 Prozent, bei der Friedrich-Ebert-Stiftung mindestens 92,7 Prozent etc. Die Leitungsorgane der Stiftungen bestehen u.a. bei Friedrich-Ebert-Stiftung, der Heinrich-Böll-Stiftung und Friedrich-Naumann-Stiftung zu 100 Prozent aus Parteimitgliedern.

Auch die wechselseitige finanzielle Abhängigkeit sind Anzeichen für eine Teilorganisation. Ohne den Einzug der nahestehenden Partei kann die Stiftung nicht bestehen, denn maßgeblich für die Mittelzuteilung sind die Bundestagswahlergebnisse – so viel jedenfalls ist bekannt. Deshalb hatte etwa die Friedrich-Naumann-Stiftung in der Zeit der Bundestagsabstinenz der FDP intern die Parole ausgegeben "oberstes Ziel müsse der Einzug der FDP in den Bundestag sein". Aber auch die Aufgabenverschränkung und das Selbstverständnis beider Organisationen sprechen für eine Zugehörigkeit der Stiftungen zu den Parteien: Spätestens beim Verhandeln "für" die eigene Stiftung wird deren Unabhängigkeit ad absurdum geführt und die Stiftung als die zur Partei gehörige behandelt.

Die faktische Parteienzugehörigkeit zeigt auch der historische Blick: Als das BVerfG in seinem (unglücklichen) ersten Parteienfinanzierungsurteil 1966 die staatliche Finanzierung der Parteien für allgemeine Parteiarbeit (und damit auch für politische Bildung) untersagte (Urt. v. 19.07.1966, Az. 2 BvF 1/65), wurde in Reaktion darauf erst die Hanns-Seidel-Stiftung gegründet. Über das Vehikel der offiziell rechtlich selbständigen und unabhängigen aber parteinahen Organisationen konnten die Mittel aus dem Bundeshaushalt weiter fließen.

BVerfG hat schon einmal weggesehen

Die Verfassungsbeschwerde der AfD-nahen Stiftung richtete sich unter anderem gegen die Ablehnung eines Antrages auf staatliche Mittel. Dagegen hatte die Stiftung unmittelbar Verfassungsbeschwerde erhoben und nicht den Rechtsweg ausgeschöpft, was offensichtlich unzulässig ist. Auch die Anträge, welche gegen das Haushaltsgesetz gerichtet waren, sind mangels Beschwerdebefugnis unzulässig, weil die Stiftung durch die Einstellung der Mittel nicht selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist, da das Haushaltsgesetz keine Außenwirkung hat.

Das noch laufende Organstreitverfahren der AfD gegen die fehlende Berücksichtigung steht allerdings noch aus. Hier bietet sich dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Gelegenheit, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren: Das Gericht hatte bereits im Jahre 1986 entschieden, dass die Vergabe öffentlicher Mittel zur Förderung politischer Bildungsarbeit an parteinahe Stiftungen eine von den Parteien rechtlich und tatsächlich unabhängige Institutionen voraussetzt. Diese müsse sich selbständig, eigenverantwortlich und in geistiger Offenheit dieser Aufgabe annehmen und auch in der Praxis die gebotene Distanz zu den jeweiligen Parteien wahren (BVerfG, Urt. v. 14.07. 1986, Az. 2 BvE 5/83).

Das Gericht hatte seinerzeit also die oben genannten Verschränkungen und Probleme zwischen Parteien und Stiftungen durchaus gesehen. Und es hat zugestanden, dass die Arbeit der Forschungs- und Beratungsinstitute der Stiftungen ein Vorteil der nahestehenden Partei ist. Daraus hat das Gericht allerdings lediglich gefolgert, es müssten alle ins Gewicht fallenden "politischen Grundströmungen" finanziert werden, eine Verletzung der Chancengleichheit der nicht begünstigten Parteien allerdings verneint. Warum aber nur die Bundestagsparteien in den Genuss der Mittel kommen sollen, ist unklar.

Stiftungen sind parteifern und parteinah

Auch in Bezug auf die personelle und organisatorische Unabhängigkeit der Stiftungen hat das Gericht im Jahr 1986 weggesehen: Es hat zwar festgestellt, dass die Organe sehr wohl mit führenden Mitgliedern der Parteien durchsetzt seien. Von diesen gingen Anregungen und Vorschläge für Themen aus, die Untersuchungen selbst würden aber "weitgehend" (!) von Mitarbeitern der Stiftungen durchgeführt. Auch die seinerzeit vom Bundesrechnungshof dem Verfahren beigegebenen Berichte zu illegalen Wahlkampfaktivitäten der Stiftungen für die Parteien tat das Gericht als Einzelfälle ab. Dass die Berechnung der Stiftungsmittel an den Wahlergebnissen der Parteien bei Bundestagswahlen festgemacht wird, störte das Gericht auch nicht.

Insgesamt hat das BVerfG die Stiftungen damit zu einer Art "Schrödingers Katze" im Parteiumfeld gemacht, denn sie sind gleichzeitig parteinah und parteifern: Sie müssen einerseits parteinah sein, ansonsten stellen sie keine "politische Grundströmung" dar und kommen gar nicht als Zuschussempfänger in Betracht, weiterhin ist die Höhe der Zuwendungen abhängig von den Wahlergebnissen der Partei. Andererseits müssen sie sowohl personell als auch organisatorisch unabhängig sein und sich von ihren Parteien, trotz der gezeigten Abhängigkeiten, in gewisser Weise lossagen.

Lehren für die Zukunft?

Im Organstreitverfahren kann sich zeigen, ob das BVerfG seine Rechtsprechung zu den parteinahen Stiftungen anpassen wird. Nach hier vertretener Auffassung spricht vieles dafür, dass die vom BVerfG geforderte personelle und organisatorische Unabhängigkeit derzeit nicht vorliegt und die Stiftungen vielmehr Teil der Partei sind. Dann müsste man freilich die Stiftungsfinanzierung auch als Parteienfinanzierung begreifen und der absoluten Obergrenze unterstellen. Das muss (und sollte) aber nicht das Ende der Stiftungen bedeuten, ihre Arbeit müsste nur auf andere rechtliche Beine gestellt werden.

Für eine Rechtsprechungsänderung könnte der Kontext der Entscheidung sprechen: Im Stiftungsurteil ging das BVerfG noch davon aus, dass eine staatliche Finanzierung der allgemeinen Parteiarbeit unzulässig sei. Diese Ansicht hat es aber im sechs Jahre später ergangenen zweiten Parteienfinanzierungsurteil (Urt. v. 09.04.1992, Az. 2 BvE 2/89) über Bord geworfen: Nunmehr ist eine Finanzierung allgemeiner Parteiaufgaben (z.B. Bildungsarbeit) sehr wohl möglich. Das Vehikel der unabhängigen Stiftungen ist jedenfalls nicht mehr notwendig, um den Parteien staatlicherseits Geld für politische Bildungsarbeit zukommen zu lassen.

Findet man nicht den Mut für einen so radikalen Schritt, so wäre immerhin wünschenswert, den Vorbehalt des Gesetzes ernst zu nehmen und ein Stiftungsgesetz einzufordern, in welchem die maßgeblichen Kriterien der Vergabe sowie die Höhe der Mittel festgeschrieben wird.

Der Autor Alexander Hobusch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Prof. Dr Sophie Schönberger) und promoviert zu Fragen der Parteienfinanzierung bei Prof. Dr. Martin Morlok.

Zitiervorschlag

Finanzierung von parteinahen Stiftungen: . In: Legal Tribune Online, 03.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35723 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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