Verlängerung der Wahlperiode: Bundesregierung für ein halbes Jahrzehnt?

von Prof. Dr. Christoph Degenhart

03.01.2014

Es entbehrt nicht einer gewissen Chuzpe: Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung werden über Monate hinausgezögert – dann folgt die Erkenntnis, dass die Legislaturperiode an sich zu kurz sei, und deshalb auf fünf Jahre verlängert werden müsse. Christoph Degenhart hält dieses Vorhaben zwar für verfassungsrechtlich möglich, aber wenig sinnvoll.

Die Dauer der Legislaturperiode beträgt vier Jahre, so bestimmt es Art. 39 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG). Diese Vorschrift beabsichtigt Bundestagspräsident Norbert Lammert nun zu ändern. Union und SPD haben bereits Zustimmung signalisiert, die Opposition zumindest Gesprächsbereitschaft. Dass der Vorschlag sich nur auf künftige Legislaturperioden bezieht, und nicht daran gedacht ist, die Amtszeit der aktuellen Bundestagsabgeordneten zu verlängern, davon muss man wohl ausgehen. Das Gegenteil wäre auf Grund der Unveränderlichkeitssperre des Art. 79 Abs. 3 GG jedenfalls eine verfassungsrechtliche Unmöglichkeit. Danach sind Verfassungsänderungen ausgeschlossen, die unter anderem die Grundsätze des Art. 20 GG berühren würden. Genau ein solcher Grundsatz, nämlich jener der repräsentativen Demokratie, würde durch eine Verlängerung der laufenden Legislaturperiode jedoch verletzt.

Wahlen legitimieren das Parlament zur Repräsentation des Staatsvolks. Durch die Verlängerung der laufenden Wahlperiode würde diese Legitimation überschritten: sie erstreckt sich nur auf denjenigen Zeitraum, der bereits vor der Wahl feststand. Die Volksvertretung würde damit eine ihr tatsächlich nicht verliehene Repräsentationsbefugnis in Anspruch nehmen, das repräsentative Prinzip insoweit außer Kraft setzen. Eine dahingehende Grundgesetzänderung würde gegen das Demokratiegebot in seinem gemäß Art. 79 Abs. 3 GG unantastbaren Kernbereich verstoßen; man könnte in diesem Fall auch von einem ultra-vires-Akt des Parlaments sprechen.

Zu lange Wahlperioden mindern Effektivität der politischen Kontrolle

Die Verlängerung künftiger Wahlperioden im Wege einer Grundgesetzänderung – nur sie kann angedacht sein – ist demgegenüber nicht von vornherein ausgeschlossen, doch auch hier setzt Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Demokratieprinzip Grenzen.

In der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes äußert das Volk als Träger der Staatsgewalt seinen Willen allein in Wahlen. Diese müssen periodisch erfolgen, Demokratie ist Herrschaft auf Zeit. Wahlen erfüllen ihre Funktion demokratischer Legitimation nur dann, wenn das den Repräsentationsorganen erteilte Mandat in regelmäßigen, von vornherein festgelegten Abständen erneuert wird: Periodizität der Wahlen ist unabdingbare Voraussetzung repräsentativer Demokratie. Dem trägt Art. 39 Abs. 1 Satz 1 GG mit der Festlegung auf eine Wahlperiode von vier Jahren Rechnung.

Dies bedeutet nicht, dass die Zahl "vier" unabänderlich festgeschrieben wäre. Ein ganz bestimmter Zeitabstand für Wahlen lässt sich aus dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes nicht ableiten. Wohl aber folgen hieraus verfassungsrechtliche Direktiven für den verfassungsändernden Gesetzgeber. Zu lange Wahlperioden jedenfalls schwächen das Demokratieprinzip des Grundgesetzes. Sie mindern die Effektivität der politischen Kontrolle durch den Träger der Staatsgewalt, das Volk. Sie mindern auch die Verantwortlichkeit der Abgeordneten gegenüber dem Volk als ein Kernelement des Demokratieprinzips.

Zitiervorschlag

Verlängerung der Wahlperiode: . In: Legal Tribune Online, 03.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10544 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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