Zwischen Kanzlei und Kanzel

Des Anwalts Pre­digt

von Janina SeyfertLesedauer: 4 Minuten
Thomas Franken ist ein Jurist im Kirchendienst. Dort widmet er sich nicht Fragen des Rechts, sondern jenen des Glaubens. Franken arbeitet als Prädikant. So nennt die evangelische Kirche Hilfsprediger, die in vielen Bereichen die Aufgaben eines Pfarrers übernehmen. Wir haben nachgefragt wie der Anwalt in die Kirche fand.

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Thomas Frankens Arbeit findet mitten in der Gemeinde statt. Wie ein hauptberuflicher Seelsorger  hält er Predigten und begleitet Gemeindemitglieder durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Dass Menschen, die eigentlich einen völlig weltlichen Berufsweg eingeschlagen haben, zu derart hohen Aufgaben in der evangelischen Kirche berufen werden können, liegt an der Möglichkeit des Prädikanten-Dienstes. Die evangelische Landeskirche im Rheinland zählt derzeit 600 von ihnen. Sie entstammen allen Berufs- und Altersgruppen. In ihren Gemeinden nehmen sie die gleichen Aufgaben war wie der Pfarrer. Selbst optisch sind sie nicht zu unterscheiden, dürfen auch sie einen Talar tragen. Im Gegensatz zum Pfarrer muss der Prädikant allerdings nicht über einen theologischen Hochschulabschluss verfügen – dafür arbeitet Thomas Franken ehrenamtlich. Seit April 2010 studiert er zusätzlich evangelische Theologie. Das heißt jedoch nicht, dass es in Deutschland fortan einen Anwalt weniger gibt, denn Franken hat nicht vor, der Juristerei dauerhaft den Rücken zu kehren. Eine Tätigkeit, die beiden Herzen in der Brust des Kölner Juristen gerecht wird, – das ist es, was er sich für die Zukunft vorstellt.

Prädikanten-Dienst in der evangelischen Kirche

Zum "Predigthelfer", wie es bis vor einigen Jahren im Rheinland noch hieß, wird man nicht von heute auf morgen. Franken war viele Jahre in der Kirche engagiert und über zwei Jahre Prädikanten-Anwärter, bis er endgültig berufen wurde. Neben unterschiedlichen Kursen, die absolviert werden müssen, ist vor allem die Zustimmung eines Leitungsgremiums erforderlich, wenn ein Gemeindemitglied in den Prädikanten-Status erhoben werden möchte. Trotz seines großen Engagements in der Kirche wird Thomas Franken jedoch immer Jurist bleiben, wie er selber sagt: "Aus Jura kommt man nicht mehr raus." Die beiden Staatsexamina sind Teil von ihm, auch wenn er vor seiner Gemeinde steht. Er selbst sieht das als Bereicherung und auch die Reaktionen auf den Anwalt, der von Gott erzählt, sind positiv. Was er in Ausbildung und Berufsleben gelernt hat, ermöglicht ihm, eine pointierte Botschaft zu verkünden. "Juristische Präzision und ein zielorientiertes Predigtverständnis"  sind Impulse, die der Kölner Rechtsanwalt durch seine Biographie mitbringt. Auch sei es manchmal hilfreich, dass er die juristische Eigenart verinnerlicht hat, nicht sofort zu bewerten.

Ein Anwalt, der "mehr" wollte

Wie es dazu kam, dass Franken den mühsamen Weg in der Kirche einschlug?  Ihm fehlte etwas Entscheidendes – der Blick für das große Ganze. Bereits im Jurastudium kam ihm dieser viel zu kurz. Der leistungsorientierte Studiengang ließ wenig Raum für Überlegungen außerhalb der Paragraphen. Zwar sei das Angebot in Form von Grundlagenfächern auch für Juristen durchaus vorhanden gewesen, doch gewinne man mit den dort erworbenen Kenntnissen in den beiden Staatsexamina keinen Blumentopf. Es sei den jungen Rechtswissenschaftlern daher kaum zu verdenken, wenn sie die Priorität auf das Pflichtprogramm legten und sich nicht noch zusätzlich mit ethischen Fragen beschäftigten. Laut Franken ist der Tunnelblick in Sachen Bildung vielleicht auch eine deutsche Eigenschaft. Studienrichtungen seien hierzulande meist eine Lebensentscheidung. Sich erst einmal in verschiedenen Fachrichtungen zu bilden, um dann herauszufinden, wo der eigene Platz liegt, wie es beispielsweise die Briten machen, sei an deutschen Universitäten völlig unüblich. Das "Mehr", nach dem der Volljurist suchte, findet er mittlerweile an der Uni Marburg. Nur dort wird berufsbegleitend der Masterstudiengang Evangelische Theologie angeboten. Voraussetzungen für das Studium sind ein Hochschulabschluss beliebiger Art, sowie mehrere Jahre Berufserfahrung. Innerhalb von drei Jahren wird den Studierenden das Rüstzeug für theologische Tätigkeiten vermittelt. Der größte Teil erfolgt im Selbststudium, denn Präsenzzeiten müssen aufgrund der Berufstätigkeit der Master-Studenten möglichst gering gehalten werden. Gelernt hat Franken unter anderem, dass sich Theologen und Juristen in ihrer wissenschaftlichen Herangehensweise oft sehr ähnlich sind. Nicht zuletzt mag das daran liegen, dass es in beiden Disziplinen um die Anwendung und Bedeutung von Normen geht.

Sterbebegleitung statt Insolvenzverfahren

Was er im Masterstudiengang nicht gelehrt bekommt, hat der 39-Jährige in den vergangenen Jahren durch Erfahrung ausgeglichen – auch wenn das manchmal den Sprung ins kalte Wasser bedeutete. So erinnert er sich an das erste Mal, als er ein Gemeindemitglied beim Sterben begleitete. Die intensive Situation war eine von vielen praktischen Lehrstunden. An den verantwortungsvollen Aufgaben, die er als Prädikant und bereits als Anwärter wahrnehmen durfte, wird deutlich, dass die evangelische Kirche ihre Quereinsteiger ganz bewusst einsetzt. Zwar spielen praktische Erwägungen, wie die hohe Auslastung der Pfarrer, eine Rolle, doch geht es auch und vor allem um die gewinnbringende Vielfalt. Franken ist keine Bereicherung, obwohl er Jurist ist, sondern weil er das ist. Gleiches gilt für jeden Arzt und jeden Elektriker, der von seiner Gemeinde berufen wird. Dennoch hat der frisch ernannte Prädikant die Erfahrung gemacht, dass eine berufliche Neuorientierung, wie er sie vorgenommen hat, nicht immer nur positiv, manchmal sogar eher skeptisch aufgefasst wird. Einige Leute reagieren, als hätte man aufgrund mangelhafter Überlegungen zuerst den falschen Weg eingeschlagen. Das müsse dann ja einer sein, der nicht weiß, was er will. Gerade auf dem Arbeitsmarkt kann es passieren, dass zu viel fachfremdes Engagement einer Rechtfertigung bedarf. Vielleicht spielt auch hier wieder ein zu enges Denken eine Rolle – die Verkennung von Konsequenz. Denn nichts anderes als konsequent ist jemand, der "mehr" will, danach sucht und es findet. Mehr auf LTO.de: Die Coolen Säue: Clash der Kulturen: Hip Hop trifft Jura Richter auf Probe: Vor Lebenslänglich steht die Bewährung Jobprofil Verbandsjurist: Zwischen Politik und Paragraphen

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