Des Anwalts Predigt
Thomas Frankens Arbeit findet mitten in der Gemeinde statt. Wie ein hauptberuflicher Seelsorger hält er Predigten und begleitet Gemeindemitglieder durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Dass Menschen, die eigentlich einen völlig weltlichen Berufsweg eingeschlagen haben, zu derart hohen Aufgaben in der evangelischen Kirche berufen werden können, liegt an der Möglichkeit des Prädikanten-Dienstes. Die evangelische Landeskirche im Rheinland zählt derzeit 600 von ihnen. Sie entstammen allen Berufs- und Altersgruppen. In ihren Gemeinden nehmen sie die gleichen Aufgaben war wie der Pfarrer. Selbst optisch sind sie nicht zu unterscheiden, dürfen auch sie einen Talar tragen. Im Gegensatz zum Pfarrer muss der Prädikant allerdings nicht über einen theologischen Hochschulabschluss verfügen – dafür arbeitet Thomas Franken ehrenamtlich. Seit April 2010 studiert er zusätzlich evangelische Theologie. Das heißt jedoch nicht, dass es in Deutschland fortan einen Anwalt weniger gibt, denn Franken hat nicht vor, der Juristerei dauerhaft den Rücken zu kehren. Eine Tätigkeit, die beiden Herzen in der Brust des Kölner Juristen gerecht wird, – das ist es, was er sich für die Zukunft vorstellt.
Prädikanten-Dienst in der evangelischen Kirche
Ein Anwalt, der "mehr" wollte
Wie es dazu kam, dass Franken den mühsamen Weg in der Kirche einschlug? Ihm fehlte etwas Entscheidendes – der Blick für das große Ganze. Bereits im Jurastudium kam ihm dieser viel zu kurz. Der leistungsorientierte Studiengang ließ wenig Raum für Überlegungen außerhalb der Paragraphen. Zwar sei das Angebot in Form von Grundlagenfächern auch für Juristen durchaus vorhanden gewesen, doch gewinne man mit den dort erworbenen Kenntnissen in den beiden Staatsexamina keinen Blumentopf. Es sei den jungen Rechtswissenschaftlern daher kaum zu verdenken, wenn sie die Priorität auf das Pflichtprogramm legten und sich nicht noch zusätzlich mit ethischen Fragen beschäftigten. Laut Franken ist der Tunnelblick in Sachen Bildung vielleicht auch eine deutsche Eigenschaft. Studienrichtungen seien hierzulande meist eine Lebensentscheidung. Sich erst einmal in verschiedenen Fachrichtungen zu bilden, um dann herauszufinden, wo der eigene Platz liegt, wie es beispielsweise die Briten machen, sei an deutschen Universitäten völlig unüblich. Das "Mehr", nach dem der Volljurist suchte, findet er mittlerweile an der Uni Marburg. Nur dort wird berufsbegleitend der Masterstudiengang Evangelische Theologie angeboten. Voraussetzungen für das Studium sind ein Hochschulabschluss beliebiger Art, sowie mehrere Jahre Berufserfahrung. Innerhalb von drei Jahren wird den Studierenden das Rüstzeug für theologische Tätigkeiten vermittelt. Der größte Teil erfolgt im Selbststudium, denn Präsenzzeiten müssen aufgrund der Berufstätigkeit der Master-Studenten möglichst gering gehalten werden. Gelernt hat Franken unter anderem, dass sich Theologen und Juristen in ihrer wissenschaftlichen Herangehensweise oft sehr ähnlich sind. Nicht zuletzt mag das daran liegen, dass es in beiden Disziplinen um die Anwendung und Bedeutung von Normen geht.Sterbebegleitung statt Insolvenzverfahren
Was er im Masterstudiengang nicht gelehrt bekommt, hat der 39-Jährige in den vergangenen Jahren durch Erfahrung ausgeglichen – auch wenn das manchmal den Sprung ins kalte Wasser bedeutete. So erinnert er sich an das erste Mal, als er ein Gemeindemitglied beim Sterben begleitete. Die intensive Situation war eine von vielen praktischen Lehrstunden. An den verantwortungsvollen Aufgaben, die er als Prädikant und bereits als Anwärter wahrnehmen durfte, wird deutlich, dass die evangelische Kirche ihre Quereinsteiger ganz bewusst einsetzt. Zwar spielen praktische Erwägungen, wie die hohe Auslastung der Pfarrer, eine Rolle, doch geht es auch und vor allem um die gewinnbringende Vielfalt. Franken ist keine Bereicherung, obwohl er Jurist ist, sondern weil er das ist. Gleiches gilt für jeden Arzt und jeden Elektriker, der von seiner Gemeinde berufen wird. Dennoch hat der frisch ernannte Prädikant die Erfahrung gemacht, dass eine berufliche Neuorientierung, wie er sie vorgenommen hat, nicht immer nur positiv, manchmal sogar eher skeptisch aufgefasst wird. Einige Leute reagieren, als hätte man aufgrund mangelhafter Überlegungen zuerst den falschen Weg eingeschlagen. Das müsse dann ja einer sein, der nicht weiß, was er will. Gerade auf dem Arbeitsmarkt kann es passieren, dass zu viel fachfremdes Engagement einer Rechtfertigung bedarf. Vielleicht spielt auch hier wieder ein zu enges Denken eine Rolle – die Verkennung von Konsequenz. Denn nichts anderes als konsequent ist jemand, der "mehr" will, danach sucht und es findet. Mehr auf LTO.de: Die Coolen Säue: Clash der Kulturen: Hip Hop trifft Jura Richter auf Probe: Vor Lebenslänglich steht die Bewährung Jobprofil Verbandsjurist: Zwischen Politik und ParagraphenAuf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2011 M12 22
Rechtsanwälte
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