VG Arnsberg zur Neutralität der Justiz

Kein Kopf­tuch für Rechts­re­fe­ren­da­rinnen in NRW

von Antonetta StephanyLesedauer: 4 Minuten

In Hessen dürfen Referendarinnen mit Kopftuch während der Ausbildung nicht auf der Richterbank oder am Platz der Staatsanwaltschaft sitzen. Eine ähnliche Regelung gibt es auch in NRW - und auch die ist rechtmäßig, so das VG Arnsberg.

Eine Rechtsreferendarin aus NRW hat keinen Anspruch darauf, im Rahmen ihrer Ausbildung bestimmte Tätigkeiten auszuführen, wenn sie währenddessen ein religiöses Kopftuch trägt. Das hat das Verwaltungsgericht Arnsberg (VG) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, wie nun bekannt wurde (Beschl. v. 9.5.2022, Az. 2 L 102/22).

Mittlerweile hat die antragstellende Referendarin ihre Station beim Zivilgericht und auch den Ausbildungsabschnitt bei der Staatsanwaltschaft bereits beendet. Allerdings nicht so, wie sie es sich gewünscht hätte. Sie durfte nämlich weder bei Verhandlungen auf der Richterbank sitzen noch für die Staatsanwaltschaft eine Sitzungsvertretung durchführen. Auch Sitzungsleitungen oder Beweisaufnahmen blieben ihr verwehrt, weil sie dabei ihr Kopftuch tragen wollte. Das ist nach § 2 Abs. 1 Justizneutralitätsgesetz NRW (JNeutG) Beschäftigten in der Justiz verboten, worunter auch Referendarinnen fallen.

Die Referendarin wehrte sich gegen dagegen und verlangte im Eilverfahren vor dem VG, ihre Ausbildungsstelle, das Oberlandesgericht Hamm, zu verpflichten, dass sie all diese Tätigkeiten im Rahmen ihres Referendariats auch mit Kopftuch vollumfänglich wahrnehmen dürfe. Sie fühlte sich gegenüber kein Kopftuch tragenden Referendarinnen diskriminiert und fürchtete Nachteile für ihr berufliches Leben, weil sie nicht in die Rolle einer Richterin oder Staatsanwältin schlüpfen durfte – eine Gelegenheit, die alle anderen Referendarinnen gehabt hätten.

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VG hält an Kopftuchentscheidung des BVerfG fest

Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht und lehnte den Antrag ab. Insbesondere sei die Regelung des JNeutG verfassungsgemäß, auch und gerade im Hinblick auf Referendarinnen. Das VG verweist insoweit auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Kopftuchverbot für hessische Rechtsreferendarinnen (BVerfG, Beschl. v. 14.1.2020, Az. 2 BvR 1333/17) und sieht keinen Grund, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Denn das Kopftuchverbot und das Verbot sonstiger religiöser Symbole bei Verfahrenshandlungen der Justiz sei verfassungsgemäß, so das VG. Die Regelung verfolge ein legitimes Ziel zur Wahrung der Neutralität des Staates und Erhaltung des Vertrauens in eine unabhängige Justiz. Dies sei auch verhältnismäßig, zudem habe die Referendarin Alternativen gehabt: Sie könne die geforderten Tätigkeiten auch aus dem Zuschauerraum heraus erleben. Zudem seien die Tätigkeiten ohnehin kein zwingender Teil der Ausbildung, auf die auch Referendarinnen ohne Kopftuch keinen Anspruch hätten.

Eine schlechtere Bewertung habe sie durch das Ausbleiben der Tätigkeiten in der gewünschten Form auch nicht zu befürchten. Entsprechend sei sie auch nicht gezwungen, sich zwischen einer optimalen Ausbildung und ihrem Kopftuch zu entscheiden, so das VG weiter. Der Eingriff in die Grundrechte der Referendarin - Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 GG), Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und  Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) - sei daher "in sachlicher und zeitlicher Hinsicht von geringer Intensität".

Die Referendarin hatte noch argumentiert, dass die jeweiligen Ausbilderinnen und Ausbilder vor der Verhandlung explizit darauf hätten hinweisen können, dass sie sich als Referendarin in Ausbildung befinde, und sie dann die gewünschten Tätigkeiten ausführen lassen können. Dies werde ohnehin regelmäßig bei allen Referendarinnen und Referendaren so gemacht, Zweifel an der Neutralität des Staates würden damit ausgeräumt ausgeräumt. Das VG verwirft dieses Vorgehen allerdings als ungeeignet, da die übrigen Verfahrensbeteiligten dadurch nicht vor der Konfrontation mit religiösen Symbolen geschützt würden. Außerdem könne man auch an Rechtsreferendarinnen, die mit dem zweiten Staatsexamen die Befähigung zum Richteramt erlangen wollen, die gleichen Anforderungen stellen, die in diesem Amt dann an sie gestellt würden.

Anwältin kritisiert "realitätsferne" Entscheidung

Die Hamburger Rechtsanwältin Tuğba Uyanık, die die Referendarin vor Gericht vertrat, kritisiert die Entscheidung des VG gegenüber LTO. Das Argument des Gerichts, die Grundrechtseinschränkung betreffe nur einen kleinen Teil des Referendariats und sei daher als nicht besonders eingriffsintensiv hinzunehmen, ist aus ihrer Sicht "realitätsfern". Es seien nämlich faktisch nur Rechtsreferendarinnen mit islamischen Kopftuch betroffen, "eine solche gesetzliche systematische Ausgrenzung" mache schon etwas mit einem, beschreibt die Anwältin die Situation. "Rechtsreferendarinnen mit Kopftuch bekommen nicht die gleiche Ausbildungschancen und man schaut im Nachhinein mit einem weinenden Auge auf seine Referendarszeit zurück.", so Uyanık. Grundrechte seien gerade für Minderheiten da, würden hier jedoch von "vorurteilsbehafteten Dritten eingeschränkt".

Auch die antragstellende Referendarin zeigt sich gegenüber LTO enttäuscht. "Dass meine Grundrechtseinschränkungen als nachrangig beschrieben werden, erfüllt mich nicht mehr nur mit Unverständnis, sondern mit Verärgerung - ich habe ein überdurchschnittliches Erstes Staatsexamen absolviert und wurde auch im Referendariat von Ausbilder:innen und AG-Leiter:innen für gute Leistungen gelobt. Es macht mich fassungslos, dass ich keine Gleichbehandlung erfahre, weil ich - um es mal auf den Punkt zu bringen - in der Öffentlichkeit meine Haare nicht zeige", kritisiert die angehende Volljuristin.

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