Prioritäten setzen im Anwaltsalltag

Vier Tipps für bes­seres Zeit­ma­na­ge­ment

Gastbeitrag von Dr. Anja SchäferLesedauer: 5 Minuten

Viele Anwälte erledigen immer wieder "mal eben" Dinge für andere – und können so ihre eigentlichen Aufgaben aus den Augen verlieren. Anja Schäfer gibt vier Tipps, um die richtigen Prioritäten zu setzen.

Viele Anwältinnen und Anwälte werden solche Situationen kennen: Sie gehen morgens in die Kanzlei und wissen genau, was sie an diesem Tag erledigen wollen – und mitunter auch müssen. Die Prioritäten stehen fest.

Doch noch bevor sie überhaupt das eigene Büro erreichen, stehen diverse Aufgaben mehr auf ihrer gedanklichen To-Do-Liste, welche meist nichts mit ihrem eigentlichen Vorhaben zu tun haben. Eine Bitte eines Kollegen, eine Anweisung der Vorgesetzten oder ein dringender, zusätzlicher Rechercheauftrag einer Mandantin – solche und weitere vermeintliche Kleinigkeiten können den Tagesablauf durcheinanderbringen.  

Das Wort "Ja" kann in diesen Fällen zusätzliche Arbeit bedeuten. Schnell – und mitunter auch über einen längeren Zeitraum – ist man so mehr damit beschäftigt, den Vorgaben anderer nachzukommen, als die eigenen Aufgaben zu erledigen.

Vielleicht kommt Ihnen dieses Phänomen bekannt vor. Lesen Sie in diesem Beitrag, wie Sie sich vor solchen Zeitfressern schützen. Erfahren Sie in vier Tipps, wie Sie sich nicht von Ihren eigenen Prioritäten abbringen lassen und wirkungsvoll "Nein" sagen. Dies ist nicht leicht, lässt sich aber von jeder Anwältin und jedem Anwalt lernen.  

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Tipp 1: Betrachten Sie Ihre eigenen Aufgaben, Wünsche und Ziele als mindestens genauso wichtig wie die Anfragen anderer Personen.  

Machen Sie nicht den Fehler, automatisch den Anfragen Ihrer Mitmenschen nach dem Motto "Können Sie mal bitte schnell" nachzukommen und Ihre eigenen Aufgaben wie selbstverständlich nach hinten zu schieben. Ansonsten kann es passieren, dass immer Sie die Person sind, die nach Feierabend noch im Büro sitzt, während Ihre Kolleginnen und Kollegen schon ihre freie Zeit genießen.

Räumen Sie daher Ihren Vorhaben – wann immer es ihnen möglich ist – die gleiche Priorität ein wie angetragenen Aufgaben. Schauen Sie genau hin und hinterfragen Sie die Dringlichkeit der zusätzlichen Aufträge. Nicht selten werden diese als besonders wichtig angepriesen. Welche Anwältin bzw. welcher Anwalt hat es noch nicht erlebt, dass genau solche Sachen – nach der als besonders eilig dargestellten Zuarbeit – doch noch einige Tage auf dem Tisch der Kollegin oder des Kollegen lagen, bevor sie weiterbearbeitet wurden.  

Kommunizieren Sie daher regelmäßig zunächst Ihre eigenen Pläne und stellen diese in den Vordergrund, bevor Sie die Wünsche bzw. Anweisungen anderer wie selbstverständlich erfüllen.

Tipp 2: Manche Dinge erledigen sich von selbst  

Sofern dies möglich ist, lassen Sie Aufträge anderer erst einmal liegen. Üben Sie sich darin, nicht sofort zu handeln, sondern abzuwarten, bis das Thema erneut an Sie herangetragen und damit dessen Wichtigkeit deutlich wird.  

Manche Anwältinnen und Anwälte beherrschen diese Taktik besonders gut. Ein früherer Kollege verriet mir etwa, dass er Aufträge seines Chefs erst dann angeht, wenn dieser zum zweiten Mal danach fragt. Hierbei ist aber Fingerspitzengefühl gefragt – nicht in jedem Fall geht diese Taktik auf.

Hintergrund seines Vorgehens war, dass sich regelmäßig Dinge von selbst erledigt hatten, etwa, weil es sich der Vorgesetzte anders überlegt oder sich die Prioritäten geändert hatten. Es kann auch vorkommen, dass die Frage des Mandanten bzw. der Mandantin sich nachträglich ändert. Durch bewusstes Agieren lässt sich die Gefahr doppelter Arbeit vermeiden.

Tipp 3: Sagen Sie Nein!

Auch wenn es Ihnen – am Anfang – schwerfällt, sagen Sie auch mal "Nein". Denn genauso, wie Ihnen jemand eine Bitte ausschlagen kann, können Sie das in vielen Fällen auch. Vielleicht fühlen Sie sich durch die Anfrage Ihrer Vorgesetzten geschmeichelt oder vielleicht fühlte sich bislang ein "Ja" für die leichter an – dies lässt sich aber ändern.

Agieren Sie bei der Kommunikation Ihres "Nein" professionell und allein auf die Sache fokussiert. Erklären Sie zum Beispiel Ihren Vorgesetzten kurz, welches wichtige Projekt Sie im Gegenzug liegenlassen müssten. Bitten Sie um Verständnis für Ihre Ablehnung.  

Sie werden staunen, wie schnell sich in vielen Fällen gemeinsam eine andere Lösung, wie eine andere Priorisierung oder Aufteilung von Aufgaben, finden lässt. Sollten Sie später doch noch ein Zeitfenster haben, können Sie der jeweiligen Bitte immer noch nachkommen.

Tipp 4: Haben Sie passende, ablehnende Formulierungen parat

"Nein" sagen und damit die eigenen Prioritäten zu schützen, fällt vielen Anwältinnen und Anwälten – vor allem am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn – schwer. Einfacher wird es, wenn Sie sich einige ablehnende Standardformulierungen einprägen, die Sie in solchen Situationen gebrauchen können.  

Finden Sie freundliche und dennoch effektive Formulierungen, bei denen Sie Ihre Intention klar kommunizieren. Sagen Sie beispielsweise: "Grundsätzlich gerne. Aber ich habe im Moment überhaupt keine Zeit für Ihre Anfrage. Ich bin aktuell sehr im Stress."  

Falls Sie bestimmte Aufgaben nur nach Zustimmung Ihrer Vorgesetzten nach hinten schieben können, machen Sie auch das Ihrem Gegenüber klar. Verweisen Sie darauf, dass Sie nicht entscheidungsbefugt sind, sondern sich in der Sache erst mit der jeweiligen Person abstimmen müssen, welche im Einzelfall das Nachsehen hätte.  

"Jede Stunde des Tages gibt es nur einmal"

Sie sehen: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die eigenen Vorhaben im Blick zu behalten und gleichzeitig Zeitfresser abzuwehren. Probieren Sie es einfach aus. Sie werden erstaunt sein, denn viele Aufträge lassen sich mit einem entsprechenden Fokus auf die eigenen Ziele und Aufgaben zurückweisen.

Gestatten Sie sich daher immer wieder, kurz und knapp "Nein" zu sagen. Jede Stunde des Tages gibt es nur einmal. Prüfen Sie regelmäßig bewusst, für wen und wie Sie Ihre Zeit einsetzen.  

Denn es ist wichtiger, am Ende eines Tages zu sagen: "Ich habe etwas erreicht." anstatt "Ich habe alles erledigt". Schließlich wollen Sie nicht die Person in der Kanzlei sein, zu der immer alle zuerst kommen, weil Ihre Bürotür auf dem Weg des geringsten Widerstands ganz weit vorn liegt.  

Rechtsanwältin Dr. Anja Schäfer unterstützt und berät als Business Coach und Mentorin vorrangig Anwältinnen bei Fragen zur strategischen Ausrichtung, zur beruflichen und persönlichen Neu- und Umorientierung, zur Kommunikation im Kanzleiumfeld, zum Netzwerkaufbau sowie zur Sichtbarkeit als Experte oder Expertin im Netz (insbesondere auf LinkedIn). Mehr Impulse zu diesen Themen teilt sie in ihrem wöchentlichen Live-Format, dem Montagmorgenkaffee.

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